HipHop Partisan

ein interview mit chaoze one über hiphop und partisanen

HipHop ist ein Lebensgefühl. Sprache der Wut. Ausdruck einer Identität. Eine Kultur, die Rap, DJ-ing, Breakdance und Graffiti mit ein­schließt. Mit Bildern an den Wänden der Städte erobern die einen den visuellen Raum, mit Worten und Tönen die anderen die Ohren der Menschen. Entstanden ist HipHop auf den Block Parties der Jugendlichen aus den Armenvierteln New Yorks Mitte der 70er Jahre und wurde in Erster Generation in Europa vor allem von Jugendlichen immigrierter Eltern weiter getragen. Die globale Community mit HipHoppern verschiedenster kultureller Hinter­gründe verband oftmals das Gefühl der Diskriminierung. Häufige Themen sind daher Rassismus, Rechts­extremismus, Arbeits­losigkeit, Chancenlosigkeit, Ungerechtigkeit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, sowie die Rolle der Medien und ihre Manipulationstechniken. Da sich heute immer mehr „sexistische, homophobe, faschistoide und nationalistische Tendenzen im kommer­ziel­l­en HipHop verbreiten, versuchen Netzwerke, wie HipHop-Partisan“ eine kritische Kraft aufzubauen, um eine neue, subversive Bewegung zu schaffen, die dem entgegenwirkt. (1) „Sobald du ein Mikro in der Hand hast und jemand dir zuhört, ist es ein politischer Akt“ meint Sat aus Marseille.

Das folgende Interview wurde von Turn It Down per e-mail mit Chaoze One, einem Aktivisten von HipHop-Partisan, Anfang diesen Jahres geführt. Es erschien bereits im Polit/Musik Magazin „Massenmörder Züchten Blumen“ #2, aus McPom (Mecklenburg Vorpommern) und auf www.turnitdown.de.

wanst

TID: Stell dich bitte kurz vor!

chaoze: Das ist immer so eine wunderbar offene Frage. Also gut – ich bin Chaoze One und mache seit ca. 2000 rapähnliche Music – meist mit per­sön­lichen oder politischen Tex­ten. Ich hab die klassische Laufbahn durchlaufen. Ver­suchte erst Punk zu sein, hörte „Deutsch­­punk“ und Hard­core, dann kam meine Zeit als (Möchtegern-) Sharp-Skin mit viel Ska und Reg­gae (den ich heute noch mag) und dann irgendwann wechselte der Musikge­schmack durch einen Antifa Soli-Sampler ziemlich abrupt rüber zu HipHop. ‚Schuld‘ daran waren Anarchist Academy, Kinderzimmer Pro­duc­tions und KRS-One die waren mit jeweils einem Track auf dem Tape vertreten. Ich hab dann viel Rap gehört und irgendwann ange­fangen zu schreiben – so entstand 2001 dann die Demo-CD ‚Neue Kreise‘ (u.a. mit ‚der Panther‘), die relativ viel Anklang fand und inzwischen mehrere hundertmal selbst­gebrannt verkauft wurde. Dann hab ich angefangen live zu spielen und die Sachen live auszuprobieren und mit der Erfahrung ist dann jetzt die zweite CD kurz vor der Veröffentlichung. ‚Rapression‘ ist mehr politisch als persönlich geworden und wird auf Twisted Chords – einem Indie Hard­core Punk Label aus Karlsruhe er­scheinen. Mit dabei sind Leute, die mich und meine Musik nachhaltig beeinflusst haben, sei es textlich oder musikalisch, z.B. Anarchist Academy, Microphone Mafia oder Irie Revoltes.

TID: Deine Texte sind politisch, warum?

chaoze: Schwer zu sagen. Ich hab nicht angefangen zu schreiben und mir dabei gesagt, „Ey Alter du schreibst aber nur politisch“. Ich habe über Themen ge­schrieben, die mich be­schäftigt haben – und da ich als Person linksradikal-politisch interessiert bin, haben mich eben Themen beschäftigt, die in diese Richtung gingen. Ich hab tat­säch­lich auch ver­sucht an­spruchs­volle Songs zu schreiben, die nicht so ernst sind. Aber das ist einfach nicht mein Ding. Hannes von Anarchist Academy hat mal kritisiert dass die „Neue Kreise“ mehr oder wenig­er zwanghaft versucht, alle Themen abzudecken (Sex­ismus, Rassismus, Gesell­schaftskritik, etc) – auf Konzerten höre ich manchmal aus dem Publikum „Der zieht ja alle Register“. Aber ich hab damals einfach geschrieben und danach geschaut was auf dem Blatt stand. Der Anti-Vergewaltigungstrack (‚Wir kriegen euch‘) resultiert aus drei Ge­schichten, die mir damals Freundinnen erzählt haben. Mir fällt es schwer so was un­kommentiert mit mir herum­zutragen. Ich hab dann den Text geschrieben und ihn von den Frauen lesen lassen – sie fanden ihn gut, fühlten sich repräsentiert bzw. fanden den Zustand gut verbalisiert, also hab ich den Track ge­macht. So wurde die Demo-CD ein ziemliches Aus­­kotz­album, struktur­los aber für mich wichtig. Noch was zu diesem „deine Texte sind politisch“ ding: unpolitisch gibt es nicht – auch ein Kool Savas ist politisch und viele seiner Texte traurige Realität. Sie sind Spiegel des sexistischen, homo­phoben Gesellschaftszustandes, auch wenn ich zugeben muss, dass gerade die HipHop Szene in weiten Teilen diese Formen von Diskriminierung verstärkt propagiert.

Jeder Text ist subjektiv geschrieben und zeigt ein Bild der Sozialisation des Verfassers oder der Verfasserin – somit ist es politisch.

TID: Wie kommt Politik in der Hip-Hop-Szene an? Bist du für die Leute der PC-Heini, oder werden dadurch Dis­kussions- und Denkprozesse angestoßen, wie z.B. HipHop-Partisan.net?

chaoze: Du sprichst da zwei Dinge an, einmal mein persönliches Projekt Chaoze One und dann den Zusammenschluss HipHop-Partisan. Es kommt auf den Blickwinkel an. Die Hip­Hop Heads sind schock­iert, wenn jemand solch radikale Texte kickt und dabei auf die üblichen Normen wie „Skills“ und „Flow“ scheißt – manchmal minutenlang nur die Musik laufen lässt ohne zu rappen und dabei die Gesichter im Publikum beobachtet. Mit Sicherheit krieg ich oft schiefe Blicke ab; der frisst kein Fleisch, trinkt keinen oder kaum Alk, und kifft nicht mit uns. Für die Hiphops bin ich schätzungsweise der Punk mit Baggys für die „linksradikalen“ bin ich erstmal der „Hiphopper“ und dadurch schon mal obligatorisch mit Kritik behaftet. Letzten Endes habe ich von beiden Seiten Kritik und Respekt einge­steckt. HipHop-Partisan ist ent­standen aus einer Diskussion im ‚Fear of a Kanak Planet‘ Forum (kanakplanet.de), der Homepage zum Buch von Hannes Loh und Murat Gün­­gör. Viele Leute, die auf den Vor­lesungen von den Zweien waren, trafen sich nachher dort und ir­gen­d­wann stellte sich die Frage „Was machen wir mit den neuen Eindrücken und der Notwen­dig­keit an nachhaltiger Kritik“. Dann entstand die Idee eines Netzwerks – um subversive Kräfte zu bündeln und eine Gegenseite zu den faschistoiden oder homphoben Tendenzen in der Szene aber auch in der Gesellschaft zu bilden. Die Aktiven aus diesem Netzwerk – inzwischen annähernd 200 Leute, beschränken sich weder im Background, noch im Wir­kungs­feld auf die Hiphopszene. Das Kind ist noch sehr jung und brab­belt grade mal die ersten Einwortsätze – bin gespannt was daraus wird, wenn es seinen ersten Text schreibt.

TID: Gibt es so etwas wie patriotische Tendenzen in der HipHop-Szene? Ich bin mir ziemlich sicher, das es keine Stiefelnazis gibt, aber wie sieht es mit rechten Ten­denzen aus?

chaoze: Bekannt sind mir die Tendenzen insofern als dass es in der rechts­radi­kalen Szene Dis­kussionen über die Über­nahme des Musik und Kleid­ungs­stils von Hip­Hop statt­finden – ins Rollen ge­bracht haben das Rap Crews, die faschistoide Rap-Me­taphern be­nutzten: „Affen wie Afrob in den Zoo“ oder „Skills en Masse ins Gas“ o. Ä.. Ich hab ein Snippet zugesendet be­kommen von einer extrem schlechten ‚Rap‘ Crew, die Freestyles kickt, die so tönen: „Ich hätt so gerne wieder 36 / mit nem eigenen KZ ich wär so fleißig“. Patriotische Tendenzen gab’s ja aber im Grunde genommen seid der Erfindung der Fanta 4, als die Boulevard Blätter die neue deutsche Reimkultur feierten, während Migranten-Rap-Crews, die seit Jahren Blut und Schweiß in ihre Vision steckten, eben nicht ins „deutsche Format passten“ – wie es die MC’s der Microphone Mafia ausdrücken. Mehr zu dem Thema Nazirap etc. findet ihr in ‚Fear of a Kanak Planet‘, einem Buch von Hannes Loh und Murat Güngör.

TID: Ist dieser gern gepflegte Lokal­patriotismus nicht auch eine Art von Patriotismus?

chaoze: Das ist schwierig zu beantworten, weil ich denke, dass Mensch hier die Posi­tion ­der Gruppe be­achten müsste. Rap als Möglichkeit der Über­­mittlung von Infor­­ma­tionen muss klar ma­chen aus wel­chem Um­feld diese Infor­ma­tio­nen stam­men. Denn das ist eine wichtige Infor­mation zum Ver­ständ­­nis eines Textes. Ob Mensch seine Reg­ion als die Beste propa­gieren soll­te, weiß ich nicht. Aller­­dings stößt sich auch nie­mand an dem neuen Be­ginner Track in dem sie – zu recht – Hamburg huldigen. Ich denke es ist wichtig, differenziert zu bleiben. Ich bin in einem kleinen Vorderpfälzer Provinz­städtchen aufgewachsen und natürlich liegt mir dieses am Herzen. Ich habe an jedem Eck, an dem mal ein Hund sein Revier markiert hat, irgendetwas erlebt. Trotzdem bleibt die Politik und eine Mehrheit der Bevölkerung in diesem Städtchen für mich kritikwürdig. Und zwar radikal.

(1) aus dem Manifest der HipHop-Partisanen
Versuch einer Legende:
Hannes Loh…Rapper und Texter von Anarchist
Academy
Murat Güngör…ehemaliger Rapper und Mitglied von Kanak Attak
Track…Lied
Tape…Kassette
Rap…reimender Sprech­gesang durch den MC (Master of Ceremony) vermittelt, von amerik. Slangausdruck to rap=quasseln
Homophobie…krankhafte Angst vor und Ab­neigung gegen Homosexualität
PC-Heini…politisch korrekter Heini
Baggys…weite Hosen
Rap Crews…Bands
Freestyles…improvisierte Einlagen
weitere Infos unter:
www.hiphop-partisan.net, www.kanakplanet.de

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