„Ich singe den Frieden, mitten im Krieg.“

(Textzeile von Wolf Biermann)

Die Frage auf den Frieden zu stellen, grenzt in den derzeitigen Diskussionen um militärische Intervention, Terroreinsatz und Sicherheitsgefühl geradezu an die Vorstellung eines sentimental-trauernden Pierrots, dem, auf einem Drahtseil taumelnd, der Magen sich vom Fuße auf den Kopf verdreht. ‚Notwendig, einzig möglich, unabwendbar, richtig‘ … Eine ganze Welt steht auf, erkennt sich; den Feind … und greift zur Bombe! Das Kriegsgeschrei ertönt in allen Lagern. Das Säbelrasseln wird zum Summen der Rotoren. Die alten Militanten haben‘s immer schon gewußt. Die Jungen wissen‘s auch nicht besser. Oh Elend! Und wieder zieht der Rauch durch Trümmerfelder und Ruinen, wieder tote Kinder, wieder weinen Mütter, sterben Väter, wieder, wieder, wieder

Naja, was sind schon zehn, hundert oder tausend – die Verluste sind gering, die meisten unter ihnen zählten eh‘ zum Feind. Oh Patria – glorreiches Land deiner Väter! Was ist denn schon das Leben eines Einzigen wert, wenn doch sein Tod das von hundert retten könnte? Und munter spielt man Nutzen gegen Kosten und umgekehrt. Schwindelerregendes Zahlenspiel. Schwindelei!

Nun hör‘ schon auf! Stell‘ dir doch vor, was unvorstellbar ist … Gift in der U-Bahn, Atompilze in San Francisco, Tel Aviv, Paris, Berlin. Da gibt es keine Möglichkeit – als den Krieg zu Land, zu Wasser und in der Luft. Ehrlich! Alle Experten zucken mit den tonnenschweren Schultern, ihre trüben Blicke schweifen in die Ferne … Wovon träumen sie? Von der letzten Schlacht? Dem ewigen Frieden nach dem letzten Krieg? ‚Wer Frieden will, muß Frieden halten.‘, so geht ein Satz der Alten, ‚Wer Kriege führt, wird stets bekriegt‘. Die Geschichten unserer Kulturen sind voll von solchen Bildern. Doch was schert uns schon Geschichte? Heute. Wo doch alles anders ist, wir doch alles besser wissen … müßten …

Die Ideen geh‘n baden – ganz privat. Und wieder rufen Demagogen beider Seiten auf zum Kampf um Leben oder Tod. Der Andere ist abstrakt, der Feind. Am Screen oder auf dem Pergamentpapier, skizzenhafte Fratze seiner taktischen Position. Die Technik erspart den Blick von Aug‘ zu Aug‘. Warum auch nur, den Anderen von Angesicht zu Angesicht erblicken, man selber steht doch auf der richtigen Seite… …und nicht er … Sieh‘ ihm in die Augen und dann drück‘ ab. Meine Hoffnung ist, Du vermagst es nicht, den Finger noch zu krümmen. Soll‘n es denn wirklich wieder Kriege sein, die über‘s Schicksal vieler Menschen richten? Menschen über Menschen, ohne sich zu kennen? Soll wieder unschuldiges Blut die Rache an den Schuldnern tünchen? Der Krieg ist keine Wahl, noch höchstens Ausdruck, keine Wahl zu haben. Hilfloser Würgegriff der Macht, die Reichweite ihrer Herren auszuweiten. Das Recht zu leben schließt das Recht zum Töten nimmer ein. Die Idee, den And‘ren einfach hinzumorden, kann nur als falsche menschliches Zusammenleben prägen. Soviel Kultur und soviel Leid, soviel Weisheit und soviel verbrannte Erde … und noch immer keine Einsicht weit und breit.

Lieber Moslem, lieber Christ, lieber Jude, lieber Atheist – laßt im Wettstreit der Ideen unsere Gedanken aneinander wetzen, anstatt uns in den Schützengraben gegenseitig zu zerfetzen. Im großen Kriege um die Macht und um die Gier haben stets die großen Macher nur gesiegt, all die Bin Ladens, Bushs, Blairs, Scharons, Putins und Arafats dieser Welt. Den Mensch am Abzug hat die Kugel stets noch angetroffen.

Für die ‚gute‘ Sache einzusteh‘n, ist wichtig, doch wird sie nur durch ihre Mittel richtig. Für den Schwächeren Partei ergreifen, heißt auch: für den Stärkeren Verantwortung mitzutragen. Aber nicht ihn richten! Gottes Stimme allein sollte dies vermögen. Doch sie spricht nicht durch uns Menschen. Keines unsere Worte, Schriften, Gedanken oder Gefühle, keines Menschen Tat kann ihr Urteil in der Welt verkünden.

Warum nur ist der Krieg heut wieder einzig möglich, unabwendbar, richtig? Warum haben die Geschichten so wenig nur gelehrt? Ich wüßte gern die Antwort auf die Frage. Sie ist auf meine Friedenshoffnung nur gestellt. Warum nur diktiert ihr die Menschen zu den Waffen, warum nur Menschen, greift ihr zu? „Hört auf damit und haltet Frieden!“ ruft Euch ein Freund im Herzen mutig und entschieden zwar entgegen, doch zaudernd bei der Frage: wie man so jung sein kann, und schon sooooo sentimental!

clov

Standpunkt

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