Interview: Squat Lindenow

Feierabend!: Wie habt ihr zusammengefunden und wie definiert ihr euch als Gruppe?

Squat Lindenow: Als wir hier angefangen haben, waren wir zu dritt. Über gemeinsame Freundschaften haben wir uns vergrößert, inzwischen sind wir neun. Als Gruppe haben wir keine festgelegte Ausrichtung, uns eint die politische Gesinnung.

FA!: Was war der Anlass, gerade dieses Haus in der Angerstraße zu besetzen?

SL: Wir waren unabhängig voneinander auf der Suche nach einem geeigneten Haus. Dieses Haus stand leer, hat einen Garten und ist stadtnah. Außerdem gefällt uns, dass es architektonisch heraussticht. Eines Tages stand die Eigentümerin plötzlich vor uns und hat ein sehr nettes Gespräch mit uns geführt. Sie duldet uns hier, weil wir die Bausubstanz erhalten. Das Haus stand 16 Jahre lang leer, darum ist vor allem das Dach in einem schlechten Zustand. Die einzige Bedingung ist, dass potenzielle Kaufinteressenten auch hereingelassen werden. Das war bisher viermal der Fall, jedoch machen wir denen klar, dass das Haus nur mit uns darin zu kaufen ist. Einmal waren auch Leute vom HausHalten e.V. da.

FA!: Was stört euch denn am Wächterhaus-Konzept von „Haushalten e.V.“?

SL: Wir haben deren Vertreter als scheinheilig erlebt, denn sie geben vor, für günstigen Wohnraum zu sorgen. Dabei kooperieren sie eng mit der Stadt und sind mitschuldig, dass der Westen und der Osten der Stadt momentan so aufgewertet werden. Wir fordern unser Wohnrecht ein und finden, für Besetzung ist jetzt genau die richtige Zeit.

FA!: Wollt ihr nicht letzten Endes selber einen legalen Status? Oder seht ihr euch auch nur als Zwischen-Nutzer?

SL: Wir brauchen keinen Vertrag! Wir wollen auch keine Miete zahlen! Wir fühlen uns auch so sicher. Wohnen ist ein Grundrecht, wieso viel Miete zahlen? Was wäre die Stadt ohne Menschen? Wir fänden es wünschenswert, wenn wir Akzeptanz finden und dieses Projekt so weiterentwickeln können. Schön wäre, wenn andere Leute angeregt werden, über die offensichtlichen Alternativen nachzudenken und sich selbst nicht so sehr einengen und eingrenzen lassen.

FA!: Welche Angebote habt ihr an den Start gebracht, was ist noch in Arbeit?

SL: Wir kochen jeden Dienstag Abend VoKü, am Freitag bieten wir auch eine Fahrradwerkstatt an. Zu diesen Zeiten kann auch der Umsonstladen genutzt werden. Wir sind jederzeit für Außenstehende offen, Auswärtige können hier pennen. Andere Angebote sind in Vorbereitung, jedoch noch nicht spruchreif.

FA!: Wie reagieren die Anwohner, Stadt und Polizei auf euch?

SL: Die Nachbarn bringen uns öfter mal Einrichtungsgegenstände vorbei, die sie nicht mehr brauchen und plaudern auch gerne mit uns, wenn wir zum Gassi gehen draußen sind. Dahingehend können wir uns also nicht beschweren. Die Polizei und die Stadt sind bislang friedlich geblieben, doch generell werden wir als Gefahrenquelle eingeschätzt. Das hat beispielsweise zur Folge, dass bei Demos im Stadtteil eine Wanne direkt gegenüber vom Haus geparkt wird. Lediglich das Ordnungsamt macht Stress und sitzt der Eigentümerin im Nacken. Die haben vor Monaten mal gemeckert, als sie den verstärkten Zaun bemerkt haben, aber seitdem ist nichts mehr gekommen. Wir sind schon aus eigenem Vorteil daran interessiert, nicht zuviel Stress zu haben.

FA!: Wie wichtig waren die Erfahrungen aus dem geräumten Hausbesetzungsprojekt in der Naumburger Straße vor zwei Jahren?

SL: Es hat uns viel Erfahrung gebracht im Umgang mit der Polizei. Jetzt wissen wir, was auf uns zukommen kann und sind besser vorbereitet für den Fall der Räumung.

FA!: Ihr strebt seit kurzem auch in die Öffentlichkeit, wollt ihr nur Werbung für eure Partys machen oder geht es euch auch um eine andere Botschaft?

SL: Wir finden es natürlich schön, wenn viele Menschen zu unserer wöchentlichen VoKü kommen oder zu Partys. Aber nach zwei Jahren Arbeit am Haus wollen wir auch mal „ausstrahlen“ und zeigen, dass man nicht gleich ein Haus kaufen muss, sondern es auch anders geht.

FA!: Wie stehen die Chancen für baldige weitere Hausbesetzungen in Leipzig?

SL: Aus unserer Sicht gut, wir sind auch schon eifrig dabei, Metastasen zu bilden und unser Wissen weiterzugeben. Wir unterstützen gerne jegliche Besetzer, die es ernst meinen. Einige Häuser sind in Arbeit, andere in Vorbereitung, aber genauer wollen wir zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht darauf eingehen.

Interview: bonz

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