Keine Nazis. Nirgends.

Rechte Umtriebe beim Wave-Gotik-Treffen

Das alljährlich zu Pfingsten stattfindende Wave-Gotik-Treffen ist ein gutes Geschäft für die Stadt Leipzig. Dass das Festival nicht nur ein Anlaufpunkt für jährlich etwa 20.000 „Schwarze“, sondern auch für Neonazis ist und immer wieder einschlägige Bands im Programm auftauchen, wird deswegen gern übersehen. So werden dieses Jahr neben Camerata Mediolanense (1) und der rechtsoffenen Black-Metal-Band Dies Ater (2), auch Fire & Ice auftreten, eine Neofolk-Band, deren Frontmann Ian Read lange Zeit in der britischen Neonazi-Szene aktiv war.

Read war – zusammen mit Tony Wakeford und Gary Smith – Gründungsmitglied der Band Sol Invictus. Wakeford (der zuvor bei der ebenfalls rechtslastigen Band Death In June mitgewirkt hatte) war zu dieser Zeit Mitglied der National Front, Smith spielte Bass bei der Naziskin-Band No Remorse und war Mitglied von Combat 18, dem terroristischen Arm des Nazinetzwerkes Blood & Honour (3). Read und Smith waren nicht nur Bandkollegen, sondern wohnten einige Zeit auch zusammen. Und Read war kein bloßer Mitläufer: 1990 wurde er bei einer Konferenz in London gesichtet, bei der sich diverse Größen der rechten Szene trafen – er leitete bei diesem Event den Sicherheitsdienst (4).

Neben solchen Aktivitäten in der Neonazi­szene war Read auch in verschiedenen satanistischen und heidnischen Gruppen aktiv. Auch wenn er sich mittlerweile eher als „Großmagier“ denn als Straßenkämpfer inszeniert, macht er keinen Hehl aus seiner sozialdarwinistischen Weltsicht, die er in Statements wie dem folgenden kundtut: „Sowohl Boyd Rice (5), vor dem ich großen Respekt habe, als auch ich sind elitär und haben wenig mit dem ´kleinen Mann´ zu tun, der die Erde bevölkert…“ Fragt sich nur, was Read ohne den „kleinen Mann“ täte – wenn er keinen mehr hätte, auf den er verächtlich herabschauen könnte, würde er womöglich merken, was für ein armes Würstchen er selber ist.

Das Zitat ist übrigens dem „Gothic- und Dark Wave-Lexikons“ entnommen (6), herausgegeben u.a. von Peter Matzke (seines Zeichens WGT-Pressesprecher). Reads hirnrissige Aussage wird dort so kommentiert: „Sätze, die verwirren in der bürgerlichen Wohlstands- und Spaßgesell­schaft…“ Kritik sieht anders aus. Die Vermutung liegt nahe, dass Peter Matzke selbst den zitierten Lexikon-Artikel zu Fire & Ice verfasst hat. Der Fakt, dass Matzke sich 2003 für ein Interview mit dem neurechten Käseblatt Junge Freiheit bereit fand (7), lässt sich bestenfalls als Zeichen politischer Ignoranz bewerten. Dort machte er in ganz ähnlichem Stil „die Ablehnung des Wertesystems der europäischen und amerikanischen Wohlstandsgesellschaft“ als „geistige Basis der Szene“ aus und erklärte: „Diese Szene rekurriert auf dezidiert europäische Kulturtraditio­nen, sie lebt etwas, das vor allem der nordeuropäischen (…) Denkart entgegenkommt. Unter den fast 20.000 Besuchern des Treffens habe ich bislang erst einen einzigen farbigen Gast ausmachen können.“ Das hören die völkischen Nationalisten von der JF sicher gern.

Es ist also vielleicht kein Zufall, dass regelmäßig rechte bis neonazistische Bands im Festivalprogramm auftauchen, wie z.B. 2001 Von Thronstahl, deren Frontmann Josef Klumb sich damals längst als antisemitischer Verschwörungstheoretiker geoutet hatte, oder dass der VAWS (Verlag und Agentur Werner Symanek, u.a. für Druck und Vertrieb der Nazipostille Unabhängige Nachrichten zuständig) mit seinem Stand auf dem Festivalgelände präsent sein kann, während dies antifaschistischen Gruppen mit Hinweis auf den „unpolitischen“ Charakter des Treffens verweigert wird. Womöglich sind vor allem kommerzielle Interessen dabei ausschlaggebend – einem Esel, der Gold scheißt, schaut man lieber nicht ins Maul. Einfach hinnehmen muss mensch das aber nicht.

Ein gewisses Augenmaß ist bei der Gegenwehr allerdings nötig – ein Beispiel, wie man es besser nicht macht, lieferte das WGT 2007. Da versammelten sich auf das Gerücht hin, die im UT Connewitz spielende Gruppe Stormfagel sei eine Naziband, ca. 50 AntifaschistInnen vor dem Gebäude. Konzertbesucher wurden aufgehalten, auf rechte Symbole gefilzt und teilweise tätlich angegangen. Später am selben Abend wurde eine mit „Grufties“ gefüllte Straßenbahn mit Pflastersteinen beworfen, ein Festivalbesucher wurde dabei am Kopf getroffen – ein Zusammenhang mit der vorhergehenden Antifa-Aktion ist nicht belegt, lässt sich aber vermuten. Mit der Antifa ist es eben wie mit der „schwarzen Szene“: Hier wie dort lassen sich ein paar Idioten finden. Pauschalurteile helfen in jedem Fall nicht weiter, und auf schlampiger Recherche (8) beruhende Haudrauf-Aktionen sind eher kontraproduktiv, wenn sie sich gegen einige in einer Masse politisch eher desinteressierter FestivalbesucherInnen versteckte Neonazis richten. Überhaupt sollte mensch sich dabei nicht nach Äußerlichkeiten richten: Hinter Rüschenhemden verbergen sich schließlich nicht gleich reaktionäre Ideologien, ebensowenig wie vom „nazimäßigen“ Stil mancher Elec­tro­nic­BodyMusic-Fans mit Militärhosen und Kurzhaarschnitt auf deren politische Einstellung geschlossen werden kann – und auch Menschen mit Death-In-June-Buttons sind nicht unbedingt Nazis. Anti­faschistInnen sollten also eher auf Aufklärung setzen, um den Festival-Be­sucher­Innen ihr Anliegen zu vermitteln. Denn wenn man Neonazis aus der „schwarzen Szene“ raushaben will, dann ist es in erster Linie die Szene selbst, die dafür sorgen muss.

(justus)

 

(1) siehe z.B. www.geister-bremen.de/brosch4.htm.

(2) siehe de.indymedia.org/2009/03/243865.shtml?c=on#c560282. Die Band hält sich zwar mit eindeutigen Statements zurück, hat aber gute Kontakte zum neonazistischen Black-Metal-Bands wie Totenburg oder Absurd.

(3) Tony Wakeford versucht heute, seine Kontakte zur Neonaziszene zu vertuschen. In einem unter www.fluxeuropa.com/tw_int_brownbook.htm zu findenden Interview gibt er immerhin zu, dass Gary Smith Gründungsmitglied bei Sol Invictus war. Zu Combat 18 siehe z.B. www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,19322,00.html.

(4) www.stewarthomesociety.org/wake-ford.html

(5) seit Anfang der 80er mit dem Industrial-Projekt NON aktiver Musiker, Mitglied der Church Of Satan und wie Read bekennender Sozialdarwinist mit Kontakten zur rechten Szene.

(6) Peter Matzke & Tobias Seeliger (Hrsg.), „Das Gothic- und Dark Wave-Lexikon – Die Schwarze Szene von A-Z“, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Neuauflage 2003, S. 216.

(7) zu finden unter www.jf-archiv.de/archiv03/253yy24.htm.

(8) siehe z.B. de.indymedia.org/2007/05/178817.shtml. Der betreffende Artikel ist zwar mit „Grufties gegen rechts“ unterzeichnet, mir ist allerdings keine „Grufties gegen rechts“-Gruppe in Leipzig bekannt.

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