Keine Zukunft für Nazis

Ein „Recht auf Zukunft“ forderten die etwa 1.300 Neonazis, die am 17. Oktober durch den Leipziger Osten marschieren wollten. Natürlich keine Zukunft für sich persönlich, sondern „eine Zukunft für unser Volk (…) eine Zukunft für Deutschland“ (1). Weit kamen sie damit nicht. Genauer gesagt kam die in Koproduktion von „Freien Kräften“ und Jungen Nationaldemokraten organisierte Demonstration keinen Meter vom Fleck. Dies lag nicht nur an den rund 2500 Gegen­de­mons­trant_innen, die den Nazis kein „Recht auf Dummheit“ zugestehen wollten. Auch die Stadt und die Polizei hatten diesmal kein gesteigertes Interesse daran, den Kameraden den Weg freizuprügeln. So gab es erst mal Verzögerungen, weil nicht genügend Ordner für die Nazidemo bereitstanden. Nach vierstündigem Warten riss einigen „Autonomen Nationalisten“ der Geduldsfaden, mit Böllern und Steinen werfend versuchten sie aus dem Polizeikessel auszubrechen. Die Beamten schienen insgeheim darauf gewartet zu haben. Der Polizeibericht meldet: „Durch diese Handlungsweise entzogen die Werfenden die dem Aufzug verfassungsrechtlich gebotene Friedlichkeit, weshalb kurzzeitig der Einsatz der Wasserwerfer notwendig wurde. Letztlich musste der Aufzug durch den Polizeiführer gegen 16.00 Uhr aufgelöst werden.“ Die Gegen­demons­trant_in­nen, die die Marschroute blockierten, brachen in lauten Jubel aus. Ein voller Erfolg also? Nun ja…

Bitte Platz nehmen…

Es liegt nahe, hier den Vergleich zu den Erfahrungen der „Worch-Demos“ (2) zu ziehen, die 2007 unrühmlich endeten. Die Leipziger Neonazis ließen Worch sitzen, so dass dieser mit gerade mal 37 Leuten durch Stötteritz stiefelte. In den folgenden Jahren setzten die örtlichen „Frei­en Kräfte“ vor allem auf kurzfristig an­gemeldete Demonstration in abgelegenen Stadtteilen. Diese Taktik ließ die Zahl der Gegende­monstrant_innen sin­ken und sorgte so für Erfolgserlebnisse. Es ist also schon etwas her, dass es eine ähnlich langfristig angekündigte und groß aufgezogene Nazidemo in Leipzig gab. Bei der Mobilisierung zogen die Kamerad­­_innen alle Register, von Werbevideos auf YouTube bis zu T-Shirts mit dem Demo-Motto „Recht auf Zukunft“. Schon im Juli war der Aufmarsch angemeldet worden, seitdem wurde die Zahl der erwarteten Teil­neh­mer_innen stetig nach oben korrigiert.

Auch die Gegendemonstrant_innen griffen auf Strategien zurück, die sich schon bei den Worch-Aufmärschen bewährt hatten. So rief das Bündnis 17. Oktober, an dem sich Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Kulturinitiativen beteiligten, zu Sitzblockaden auf. Sogar OBM Burk­hard Jung stellte sich hinter den Aufruf des Bündnisses. Auch bei der Blockade selbst wurde er kurzzeitig gesichtet, als er demonstrativ zum Sound einer Trom­mel­gruppe tanzte.

Der Protest gestaltete sich der breiten Mobilisierung entsprechend, mit gleich drei Sambatrommelgruppen, Riesenpuppen usw. – „bunt“, „kreativ“ und „lautstark“ sind die passenden Schlagworte. Und laut war es wirklich: Die Aufforderung der Polizei, den Platz zu räumen, ging im Gejohle und Pfeifen der Menge unter. Der Platzverweis wurde dreimal wiederholt. Zum Glück waren es die Neonazis, die als Erste die Nerven verloren – mit den bereits erwähnten Folgen.

Kein Schulterklopfen

Auf Seiten der Neonazis zog das Debakel in Leipzig heftige verbale Schlammschlachten u.a. auf Altermedia (3) nach sich. „Die ANs [Autonomen Nationalisten] haben unserer Bewegung mal wieder mas­siven Schaden zugefügt (…) Weg mit dem Abschaum!!!“, forderten da die einen, wäh­rend ein Vertreter der „Freien Kräfte“ grammatisch fehlerhaft dagegenhielt: „Wir sind die Elite des Nationalen Wi­der­­standes und weder die Polizei, noch ir­gendwelche selbsternannten Gutmen­schen-Nationalisten-Veranstalter können uns sagen was wir tun und lassen haben.“ Die Debatte zeigt auch die inneren Widersprüche der NPD. Zwar bemüht die­se sich seit Jahren um ein seriöses, bürgerliches Image, zugleich kann sie nicht auf die „Autonomen Na­tionalisten“ verzichten, die gerade durch ihre Militanz für viele junge Neona­zis attraktiv sind und so den Nachwuchs an sich binden, den die NPD dringend braucht.

Demo-Anmelder Tommy Naumann vollzieht diesen Spagat in Personalunion. Als langjähriger Aktivist der „Freien Kräfte Leipzig“ (siehe FA!#29) wurde er im November 2008 Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten und trat als NPD-Kandidat bei den letzten Stadtratswahlen an. Gerade in Leipzig ist die NPD auf die „Freien Kräfte“ angewiesen und suchte darum den Schulterschluss, z.B. indem sie das Parteibüro in der Odermannstraße (siehe FA!#31) als „nationales Jugendzentrum“ zu Verfügung stellte. Es wird sich zeigen, welche Auswirkungen die Ereignisse des 17. Oktober dabei haben.

Und wie sieht´s auf der Gegenseite aus? Die Medienberichte reproduzierten die räumliche Trennlinie, welche die Polizei mit Absperrzäunen und Vorkontrollen zwischen „guten Bür­ger_in­nen“ und bösen Autonomen zu ziehen ver­suchte. So schrieb z.B. die LVZ (4), „zwischen 2500 und 3000 friedliche Gegendemonstran­ten sowie mehrere hundert Linksradikale“ hätten den Aufmarsch verhindert. Als ob Links­radikale per se gewalttätig wären… Auch Oberbürgermeister Jung lobte den fried­lichen Protest. Die Leipzi­gerinnen und Leipziger hätten ein starkes Zeichen ge­gen Rechts gesetzt. Anders gesagt: Das gu­te bürgerliche Leipzig hat gesiegt, nur ein paar unbelehrbare linke Chaoten machten am Rand Randale (wobei u.a. ein Bus entglast wurde, mit dem Dortmunder Neonazis angereist waren).

Der Erfolg hat also einen faden Nachgeschmack, auch weil er weniger den Blockaden als vielmehr dem Vorgehen der Polizei geschuldet war. Und diese agierte ziemlich repressiv. So meldet der Polizeibericht: „Aufgrund der vorangegangen Straftaten erfolgte eine Feststellung der Personalien aller Teilnehmer, weshalb sich der Abgang bis 21.30 Uhr hinzog.“ Gegen alle 1349 Teilneh­mer_innen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Polizeipräsident Horst Wawr­zynski erklärte im Anschluss: „Das Verhalten der rechten Szene während der Demonstration wird die Gewaltprogno­sen, die wir im Vorlauf angemeldeter Demonstrationsereignisse erstellen, beeinflussen“ (5). Der sächsische Innenminister Ulbig setzte noch einen drauf und kündigte eine Null-Toleranz-Politik gegen rechte und linke Extremisten an. In einer Pressemitteilung (6) kritisierte das Bündnis 17. Oktober den Ablauf der Debatte: Durch ordnungspolitische Maß­nahmen wie Verbote und Verschärfungen des Versamm­lungs­rechts würde letztlich die inhaltliche Auseinandersetzung mit neonazistischen Ideologien verhindert. Dem ist nur zuzustimmen. Man muss die Kameraden nicht bemitleiden, um das Vorgehen der Polizei bedenklich zu finden. Denn solche Methoden könnten sich leicht auch gegen linke Demonstrationen richten.

justus

 

(1) www.npd-leipzig.net/demonstrationen/1667-recht-auf-zukunft

(2) Der Hamburger Neonazi Christian Worch meldete zwischen 2004 und 2007 insgesamt sechs in halbjährlichem Abstand stattfindende Demonstrationen an (siehe FA!#15 u. 17).

(3) de.altermedia.info/general/polizei-verhindert-bislang-nationale-leipzig-demo-17-10-09_36464.html

(4) www.lvz-online.de/aktuell/content/114389.html

(5) www.leipzig-nimmt-platz.de/

(6) leipzignimmtplatz.blogsport.de/2009/10/22/pressemitteilung-2210-nach-dem-naziaufmarsch/

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