Khanyisa erhellt die Townships

Die Situation in Südafrika bleibt gespannt – Apartheid-Gesetze sollen deckeln

Am 23. März meldet Anarchist Black Cross (ABC) South Africa, dass am Sonntag (21.3.) in Johannesburg 52 Demon­stran­tIn­nen verhaftet wurden, darunter sechs Kinder, als sie gegen die Privatisierung der Wasserversorgung protestierten. Die Polizei hatte die Demo des Anti-Privati­sie­rungs-Forums (APF) im Vorfeld ver­boten und war mit Schockgranaten gegen die Versammlung vorgegangen. Die Inhaftierten – denen auch Fingerabdrücke abgenommen wurden – kamen nach 14 Stunden wieder auf freien Fuß, hatten sich aber tags darauf vor einem Gericht zu verantworten. Es drohten ihnen, bzw. dem APF, je 5.000 Rand (655 Euro) Geldstrafe und die Anwaltskosten. Dabei liegt das durchschnittliche monatliche Einkommen in Soweto/Johannesburg bei 1.500 Rand (196 Euro). Deshalb wurde die Demon­stration durchgeführt, weil das Geld oft nicht für Nahrungsmittel, Wasser und Strom reicht. Anfang Mai wurden die Anklagen gegen die 52 dann fallen gelassen. Sie erfüllten aber ihren Zweck als Teil der Einschüchterung seitens der Regierung und des ANC.

Die Privatisierung der Versorgung führt – durch die rigide Trockenlegung derer, die ihre Rechnung nicht bezahlen können – zu erhöhter Seuchengefahr in den schwar­zen Armenvierteln, Townships. Cholera bedroht die, die ohne Wasser sind. Die Privatisierung aller öffentlichen Unter­nehmen in Südafrika aber ist zentraler Punkt des ANC-Regierungsprogramms von 1996, „Growth, Employment and Redistribution“. Sie geht einher mit Lohnsenkungen, Kürzung öffentlicher Ausgaben, etc.

Gegen diese Politik regt sich seit Jahren Widerstand. Das Soweto Electricity Crisis Committee (SECC) organisiert Nachbar­schafts­­komitees, die im oft nächtlichen Notfall das Abstellen des Stroms ver­hindern. Denn die staatseigene Strom­ver­sorgung Eskom hatte 2001 angekündigt, „mindestens 75 Prozent der Einwohner von Soweto (Johannesburg) abzuklemmen“, um die Schuldnerliste zu verkleinern und so attraktiver zu werden für potentielle Käufer. 2001 wurden monatlich 20.000 Haushalte vom Netz genommen, weil sie nicht zahlen konnten – das sind mehr als neue hinzu kamen, während die ANC-Regierung sich brüstet, in Millionen schwarzer Haushalte Strom gebracht zu haben. Das SECC antwortet mit einem Aufruf zum Zah­lungs­boykott, dem 80 Prozent der Ein­wohnerInnen folgen. Außerdem führten die Militanten die Operation Khanyisa („Licht“) durch, d.h. sie stellen den Strom selbst wieder an und unterrichten Interessierte in dieser Tätig­keit. So kamen in Soweto binnen sechs Monaten 3.000 Haushalte wieder ans Netz. Und Eskom musste schließlich nachgeben: Zahlungsunfähigen wird der Strom nicht mehr gekappt. Dieser Erfolg ist das beste Argument für direkte Aktion, zu der man nun auch in Sachen Wohnung greift.

Probleme mit der Kredittilgung rufen immer wieder Räumkommandos auf den Plan. So kündigte Servcon, eine Partner­schaft zwischen der Regierung und dem Bankenrat, Mitte Mai an, binnen vier Wochen 6.000 Haushalte zu räumen – direkt vor dem Winter! Wenn es der Nachbarschaft nicht gelingt, insbesondere die Räumung Älterer zu verhindern, erwartet diese oft ein elender Tod – die staatlich zugewiesenen Unterkünfte werden als Hundehüten bezeichnet, kalt und ohne Sanitäranlagen. Daher fand am 13. Mai eine Demo zum Parlament und zur neuen Wohnungsministerin Sisulu statt, um sie auf die Krise in Khayelitsha (Kapstadt) aufmerksam zu machen. Es beteiligten sich auch Mitglieder der Zabalaza Anarchist Com­munist Federation. Und die Position ist klar: die Häuser sind bereits mehr als abgezahlt! Durch Verhaftungen, haben einige ihren Job verloren! Alte starben in zugewiesenen Hundehütten! Die De­mon­­stration forderte ein Ende der Repression und der Prozesse. Bisher verweigert aber auch die neue Regierung jeden Dialog. Vielmehr werden weiterhin legale und „illegale“ Demos zerschlagen, Teil­neh­merIn­nen verhaftet und zu Geldstrafen verurteilt … und weiterhin werden Häuser unter Polizeischutz geräumt oder gar planiert! Regie­rungs­funktionäre und Intellektuelle faseln derweil davon, die Einstellung der Menschen zu Rechnungen zu ändern – die selben Worte wie vor hundert Jahren, als die UreinwohnerInnen die koloniale Hüttensteuer nicht bezahlen wollten.

Als sich die Politik des ANC also direkt auswirkte, begannen sich neue, lokal verwurzelte Bewegungen – freilich defensiv – mit konkreten, aber partikularen Forderungen zu konstituieren. Anders als etwa bei Parteien oder Gewerkschaften ist die Massenmobilisierung die Stärke dieser Bewegungen, die nicht natürliches Ergeb­nis der Armut oder der Marginalisierung, sondern eine direkte Antwort auf die Politik des Staates sind. Bemerkenswert ist, dass nicht der einzelne Arbeiter, sondern die Familie die soziale Mobilisierung trägt. Das bedeutet allerdings auch, dass viele AktivistInnen schlechteste Arbeits­bedin­gungen hinnehmen – sie suchen ja den Ausgleich zumindest des Lohns in kosten­loser Grundversorgung. So ist von einer radikalen Gewerkschaftsbewegung in Südafrika noch nichts zu vernehmen.

A.E.

Nachbarn

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