2. Erich-Mielke-Gedächtnispreis in Leipzig verliehen
Pünktlich zum 56. Geburtstag der DDR fand am 7. Oktober die zweite Verleihung des Erich-Mielke-Gedächtnispreises (1) statt. Initiiert worden war die Veranstaltung von der Initiative Leipziger Kamera, einer überwachungskritischen Gruppe (siehe auch FA! #11), die bisher vor allem durch den von ihr erstellten Kamerastadtplan und ihre von Zeit zu Zeit stattfindenden Kamerastadtrundgänge auf sich aufmerksam machte. Wie schon 2003 bei der ersten Verleihung dieses Negativpreises waren wieder eine Reihe von Personen und Institutionen nominiert, die sich bei der Förderung von Überwachung und sozialer Ausgrenzung in Leipzig und Umgebung besonders hervorgetan haben. Startpunkt war, passend zum Anlass, das Stasimuseum am Runden Eck. Anwesend waren neben den Aktivisten der Leipziger Kamera und den Leuten von Presse und Radio auch Vertreter diverser anderer überwachungskritischer Gruppen. So z.B. Torsten Michaelsen von der Hamburger LIGNA-Gruppe (2) und Thomas Brunst von safercity.de.
Ehe es aber gegen 11.00 Uhr losgehen konnte, tauchte erst mal die Polizei auf, die wissen wollte, wer für die Aktion verantwortlich sei, schließlich handele es sich dabei um eine nicht genehmigte Versammlung. Wenig später war das aber geklärt und die Herren Polizisten zogen wieder ab. Was sie jedoch nicht davon abhielt, kurz darauf noch einmal auf dem Handy eines Teilnehmers der Aktion anzurufen, um anzufragen, wer den Preis denn nun bekommen würde, vielleicht in der Annahme, auch ein Besuch bei ihrem Chef Rolf Müller sei geplant. Nachdem einer der Initiatoren der Aktion die Anwesenden begrüßt und den weiteren Ablauf grob erläutert hatte, schritt man zur Tat und zog den ersten Gewinner. Dies war in der Kategorie „Schöner unsere Städte und Dörfer“ Dr. Norbert Beital in seiner Funktion als Vorsitzender des Aktionsbündnisses Stattbild e.V.. Dieses Bündnis aus Vertretern der Stadt und Immobilien- und Werbefirmen hat sich den Kampf gegen Graffiti auf die Fahnen geschrieben. Erfolge dieses Einsatzes waren dabei u. a. die Schließung der „Wall Of Fame“ im Oktober 2003 in Plagwitz, der einzigen legalen Wand zum Sprühen in Leipzig. Damit machte man sich auf den Weg zum Büro des Vereins, wo dann die Laudatio verlesen wurde. Leider fand sich kein Mitarbeiter des Aktionsbündnisses bereit, der Preisverleihung beizuwohnen.
Davon ließ man sich aber nicht beirren und schritt zur Ziehung des nächsten Gewinners in der Kategorie „Herausragende politisch-ideologische Standfestigkeit“. Dies war Robert Clemen, CDU-Kandidat bei der letzten Leipziger OBM-Wahl. Der hatte bei diesem Anlass mit seinen Null Toleranz Parolen gegen „Chaoten“, „Graffiti-Schmierer“ und sonstige Störenfriede auf sich aufmerksam gemacht und auf Plakaten „Weniger Schlaglöcher! Mehr Videoüberwachung!“ gefordert. Ein würdiger Sieger also, der nur leider grad nicht vor Ort war und somit den Preis nicht selbst entgegennehmen konnte. So ging es zügig weiter.
In der letzten Kategorie „Schild und Schwert der Partei“ gab es gleich drei Gewinner: Polizeichef Robert Müller, Holger Tschense (ehemaliger Ordnungsbeigeordneter der Stadt) sowie Norbert Beital, Chef des Leipziger Ordnungsamtes. Anlass war hier die Novellierung des Leipziger Polizeigesetzes im Juni letzten Jahres. Dieses umfasst eine Reihe neuer, gegen Randgruppen wie Bettler und Drogenabhängige gerichteter Verordnungen (etwa das Verbot, in öffentlichen Grünanlagen zu übernachten), aber auch Bestimmungen gegen „wildes“ Plakatieren, welches nicht zu Werbezwecken dient. Die Preisverleihung sollte in der Außenstelle des Ordnungsamtes in der Prager Straße vor sich gehen, aber auch hier wollte diesen keiner haben. So wurde im Flur des Amtes noch die letzte Laudatio verlesen und die Aktion damit würdig zu Ende geführt.
justus