Mit dem „ Gesundheitskompromiss“ eröffnet sich neben Hartz & Agenda 2010 eine weitere Bedrohung für Kreislauf, Herz und Seele
„Wir werden auch Belastungen vorschlagen. Aber wer sich vorsorgend und bewusst verhält, kann seine Belastungen reduzieren. Denn die Über-, Unter-, Fehlversorgung im deutschen Gesundheitswesen bedeutet, dass sich jeder und jede bewegen muss.“
(Drohung von Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit)
Bringen wir jedoch erst mal ein wenig Licht in den ideologischen Märchenwald von „Kostenexplosionen“ und humaner Zukunft: Als Ausgangsbasis ist festzustellen, dass die Gesundheitsausgaben in den letzten Jahren nicht schneller gestiegen sind als die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (1). Vielmehr stiegen die Löhne und Gehälter langsamer, die die Grundlage für die Bemessung der Krankenkassenbeiträge bilden. Interessant, dass die „Kostenexplosion" eigentlich ein Einnahmeproblem ist, weshalb die Beiträge angehoben bzw. durch andere Einnahmen kofinanziert werden müssen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist in eine Schieflage geraten, die durch Zuführen von Geldmitteln ausgeglichen werden soll, auf dem Rücken von „Arbeitnehmern“ und vor allem Kranken. Interessant auch, dass sich hierin das Absenken der Löhne feststellen lässt.
Die Beiträge, wurden ursprünglich paritätisch, also zu gleichen Teilen, von „Arbeitgebern“ und „Arbeitnehmern“ (2) bezahlt. Seit 1983 wurden diverse „Selbstbeteiligungen“ eingeführt, d.h. zu dem Geld was die Krankenkassen von den „Arbeitgebern“ und „-nehmern“ bekommen, muss der Patient, der als Arbeitnehmer sowieso die Hälfte berappt, noch dazuzahlen. Dieses Lösungsmodell um Geld ins System zu schaufeln, soll weiter ausgebaut werden.
Inzwischen wurde ein Kompromiss zwischen allen Parteien im Bundestag, außer der PDS, ausgehandelt. Darin sollen die „Arbeitgeber“ durch sinkende Beiträge entlastet und die Versicherten, vor allem wenn sie krank sind, weiter belastet werden.
Dies bedeutet Zuzahlungen von 10%, mindestens aber 5 Euro und höchstens 10 Euro, bei weiterhin geltender gesetzlichen Höchstgrenze von 2 % des Bruttoeinkommens. Arzt- oder Zahnarztbesuche laufen dann nicht mehr ohne 10 Euro Eintrittsgeld (Ausnahmen sind Überweisungen) und auch die tägliche Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalten bis 28 Tagen liegt dann beim gleichen Betrag. Im St.-Elisabeth-Krankenhaus im Leipziger Süden liegt die „Eigenbeteiligung“ allerdings jetzt schon bei 9 Euro . Für Zahnersätze gibt’s bald gar keinen Cent mehr, ab 2005 müssen die Arbeitnehmer eine private Zusatzversicherung abschließen. Auch das Krankengeld soll ab 2007 aus der paritätischen Finanzierung herausgenommen werden, dann zahlen auch dafür nur noch die „Arbeitnehmer“ einen pauschalen Betrag von 0,5%. Leistungen wie Taxifahrten zur ambulanten Behandlung, Sterbegeld oder Sterilisation werden nicht mehr gewährt.
Zusammen mit der Grusel-Agenda 2010 bedeutet das für viele Menschen, sich jeden Arztbesuch dreimal zu überlegen. Da wirkt das Geschwafel von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt á la „Gesundheit geht vor“ und „mehr Effizienz durch bessere Qualität“, wie Hohn. Aber was soll man auch von einer Reform halten, die unter dem Motto läuft „Damit Deutschland gesund bleibt." Was interessiert mich ein „gesundes Deutschland", wenn ich krank bin und nicht zum Arzt kann, weil die Sozialhilfe erst in zehn Tagen oder gar nicht mehr kommt? Deshalb: Gesundheit? Umsonst!
kater francis murr
(1) Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
(2) mehr zu Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der FA! #2
(3) die Details der Gesundheitsreform wurden weitestgehend dem Telepolis-Artikel „Gesundheitspolitik 2003" von Marita Wagner entnommen; siehe auch: www.telepolis.de/ deutsch/inhalt/co/ 15380/ 1. html
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