Krieg und der Alkohol

Im Rahmen umfassender Studien geht ein Feierabend!-Redakteur der Frage nach, was Krieg und Alkohol gemeinsam haben.

Kriege waren in der Geschichte eher die Regel als die Ausnahme. Frieden wurde als „Nicht-Krieg“ erklärt. Das ist noch heute so. Oft am Rande eines dritten Weltkrieges, führte die Atomwaffenrüstung der NATO und des Warschauer Vertrages zu einem Abschreckungsfrieden und dazu, dass die meisten Leser/innen dieses Artikels nie einen Krieg erlebt haben. Dieser Frieden bestand aber keineswegs überall. Im Gegenteil. Auch in der „Nachkriegsperiode“ (des zweiten Weltkrieges) wurden zahlreiche Kriege geführt. In der Regel hat man gar keinen Überblick wo derzeit überall Krieg herrscht. Derzeit erleben wir die Vorbereitungsphase der Invasion des Irak durch die USA und Verbündete.

Das zumindest eine Bedingung für die derzeitige Weltpolitik das Erdöl ist, kann heute niemand ernsthaft in Frage stellen. Aufschlussreich ist etwa die Prognose der „Wirtschaftsweisen“ für das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik. Die besagt etwa 1% Wirtschaftswachstum für das Jahr 2003, falls es keinen Krieg im Irak gibt. Denn ein Irakkrieg würde den Ölpreis weiter hochtreiben und das Wachstum weiter verringern. Dabei ist schon 1% Wachstum im Grunde Stagnation. Im übrigen neigen sich die Ölreserven merklich zur Neige. 40 Jahre soll das Erdöl bei derzeitigen Verbrauch noch reichen. Die zehn umsatzstärksten Unternehmen der Welt sind, mal abgesehen von Wal-Mart, Auto- und Ölproduzenten. In der Bundesrepublik stehen DaimlerChrysler und Volkswagen auf den ersten beiden Plätzen. Die Erschöpfung der Ölreserven wird zwangsläufig zu – vorsichtig ausgedrückt – ernsthaften Problemen führen.

Eine weitere Bedingung ist eine allgemeine Krise. Warum die Wirtschaft ständig weiter wachsen muss, fragt niemand. Dass dies so sein muss scheint so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche. Andererseits führt dies nicht dazu, dass mit wachsender Produktmenge das Elend weniger wird. Gerade die nicht mehr zu verkaufende Warenmasse führt zu Stagnation und zu sinkendem Anteil der Arbeiter/ innen an dieser Masse (ihren eigenem Produkt!) aufgrund von Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeiten, prekären Jobs, etc.

Wenn die Wirtschaft nicht weiter wächst, gerät das Kapitalverhältnis und mit ihm die auf dem Kapitalverhältnis beruhende Gesellschaft in die Krise. Das Kapitalverhältnis fußt auf der ständigen Ausweitung der Produktion und damit der Produktmasse. Es müssen also auch ständig neue Quellen und Märkte erschlossen werden. Das führte unter anderem im letzten Jahrhundert (dem 20.) zu einer Demokratisierung für Weltbankkreditpolitik. Mit Demokratisierung war aber nur gemeint, dass sich das jeweilige Land der Weltwirtschaft anschließen soll. Also Märkte öffnen, Im- und Export ermöglichen, Ressourcen dem Weltmarkt zugänglich machen. Das führte in der Regel zu einer Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen.

Das Kapital tritt nur im Abstrakten als allgemeines Weltkapital zutage. Wirtschaftswachstum (= Kapitalwachstum) ist eine regionale, nationale Sache. Es gibt eine ständige Konkurrenz zwischen den verschiedenen Einzelkapitalen. Der Nationalstaat schafft für den in seinem Einflussbereich stattfindenden Kapitalprozess relativ einheitliche Bedingungen. Das sind z.B. Schulausbildung, Straßen / Schienen / Leitungen, also Infrastruktur, Gesetze die die jeweiligen Aktivitäten regeln, eine einheitliche Sprache (die Amtssprache), Festlegungen über Arbeitszeiten / Ladenöffnungszeiten / Feiertage / Rente, Steuern und Subventionen, Handelsabkommen, Beherrschung anderer Länder und Regionen etc. Neben den Interessen als Weltkapital oder Interessen innerhalb der Branche etc., hat Kapital auch immer ein Interesse als nationales Kapital. Dieses beruht auf der polizeilichen/militärischen Gewalt, mit der der jeweilige Staat günstige Bedingungen für das eigene Kapital (und damit für das Wirtschaftswachstum) schafft und sichert.

Die USA wollen die Regierung Hussein stürzen. Das ist ihr erklärtes Ziel. Wenn die USA im Irak eine ihr wohlgesonnene Regierung etabliert, verbessert sich ihre Kontrolle über das Öl der Region zu Ungunsten etwa der EU. Wenn sich G. Schröder hinstellt und sagt, die Bundesrepublik beteilige sich nicht an einer Invasion im Irak, so bewährt er sich auch als europäischer Politiker. Der Umstand, dass er dies gerade im Wahlkampf geäußert hat, ändert daran nichts grundsätzlich. Es kommt dadurch hinzu, dass er bei Kriegsgegner/innen und Leuten mit antiamerikanischen Positionen auf Stimmenfang gegangen ist. Es ist falsch die USA einseitig als Kriegstreiber anzusehen. Die USA unterscheidet sich derzeit von allen anderen Ländern dadurch, dass sie die größte Kapitalmasse beherbergt, deshalb technologisch mit führend ist und die größte militärische Stärke hat und die Fähigkeit weltweit militärisch agieren zu können. Der Versuch, diese Führungsrolle in der derzeitigen Krise auszunutzen, zu sichern und auszuspielen, macht die (Regierung der) USA derzeit so aggressiv.

Die Bundesrepublik und die anderen EU-Staaten versuchen nichts anderes, nur sind insbesondere ihre militärischen Fähigkeiten bei weitem nicht so groß wie die der USA. Die Einführung des Euro ist gleichzeitig ein Versuch die Bedingungen für das Kapital innerhalb von Europa zu verbessern, als auch eine Attacke gegen die Vorherrschaft des Dollars als Weltwährung. Dies sind zwei Momente ein- und desselben Vorgangs. In dem Kampf um die Kontrolle der Ölreserven und dem Doppelcharakter der Euroeinführung zeigt sich exemplarisch die Konkurrenz zwischen den „nationalen“ Kapitalen, hier dem europäischen und US-amerikanischen.

Die offizielle Begründung, die für die Notwendigkeit einer Invasion angegeben wird, lautet, dass Hussein mit Massenvernichtungswaffen die Welt bedroht. Das Ziel sei somit Sturz des Regimes Hussein und die Errichtung einer demokratischen Regierung im Irak. Doch wie sieht es denn mit der Entwicklung der Demokratie aus, seit der ,,Krieg gegen den Terror“ begonnen hat? Der 11.09.01 markiert den Anfang vom Ende, von dem, was gemeinhin unter Demokratie verstanden wird. Ein Mittel dazu ist die offizielle Einführung einer Art „Untermensch“, genannt Terrorist oder manchmal auch Barbar. Dieser „Untermensch“ verkörpert das Böse schlechthin, für dessen Bekämpfung jedes Mittel Recht ist. Es gibt dabei keinerlei Halt: weder vor Folter, noch vor Massenexekutionen oder vor Bombardierung von Wohngebieten und auch nicht vor dem offenen Drohen mit Atomwaffen. Es wird Giftgas eingesetzt und keinerlei Rücksicht auf Zivilisten oder Unbeteiligte genommen. Sicherheitsgesetze spülen all das weg, was aus der Erfahrung des zweiten Weltkrieges an Schranken z.B. in das Grundgesetz aufgenommen wurde. Auch in Großbritannien können beispielsweise laut Antiterrorgesetz alle Ausländer, die des Terrorismus verdächtig sind, ohne richterliche Zustimmung unbegrenzt festgehalten werden. Den Beschuldigten muss der konkrete Grund ihrer Festnahme nicht genannt werden. Wie der Sydney Morning Herald vom 18.12.02 berichtet, mussten sich in den USA zehntausende arabische oder muslimische Männer über 16 Jahren (mit Aufenthaltsgenehmigung o.ä.) registrieren lassen und einer Art erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen, also Foto, Fingerabdrücke etc. Ansonsten drohte ihnen der Landesverweis. Überall auf der Welt wird und unter dem Deckmantel Terrorbekämpfung gemordet. Tschetschenien sei hier nur als ein Beispiel genannt.

Nun zieht die „böse“ USA gegen den Irak. Und das „gute“ Deutschland ist nicht dabei? Verbietet das. Grundgesetz nicht Angriffskriege? In der Tat. Das tut es. Doch das Grundgesetz ist im Zweifelsfall nicht das Papier wert auf dem es steht. Es beginnt schon bei Artikel 1. Laut Bundespräsident ist mit Schutz der Menschenwürde ein aktiver gemeint, der für alle Menschen gilt. Doch wer sich je mit der Asylpraxis in der Bundesrepublik befasst hat weiß, dass die Würde von Migrant/innen von staatlicher Seite aktiv mit Füssen getreten wird. Es passiert also das genaue Gegenteil von dem, was in Artikel 1.GG gefordert wird. Begründet wird das damit, dass es Asylsuchende in Deutschland nicht zu bequem haben sollen um nicht noch mehr anzulocken. Damit aus dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien ein (tja was eigentlich?) humanitärer Einsatz wurde, bemühten Fischer und Co. ausgerechnet den systematischen Mord an sechs Millionen Menschen als Juden im Nationalsozialismus (Bild: „Sie treiben sie ins KZ“). Es wäre keinerlei Problem, ein ähnliches Konstrukt für den Irak zurechtzubasteln. Herr Schröder müsste sich dazu nur Bushs Ansicht von der „Achse des Bösen“ anschließen. Oder anders gesagt: Ob die Bundesrepublik Krieg führt oder nicht, hängt mitnichten davon ab, was im Grundgesetz steht. Auch hatte die Bundesrepublik nie Probleme Asylsuchende abzuschieben. Ob das Zielland als „Diktatur“ oder „Demokratie“ gilt, spielte und spielt dabei nie eine vordergründige Rolle. Oft genug führte der Weg der Abgeschobenen vom „Heimatflughafen“ direkt in die Folterkammer. Nein, Demokratie ist kein Kriegsziel. Nicht in Jugoslawien, nicht in Tschetschenien, nicht in Afghanistan, nicht im Irak und auch nicht auf irgendeinem anderen Kriegsschauplatz auf dieser Welt.

Apropos. Die Erfolgsmeldungen aus Afghanistan sind schnell verstummt. Noch Monate nachdem der Eindruck erzeugt worden war, der Krieg sei im großen und ganzen beendet, waren vereinzelt Meldungen zu hören, dass Spezialeinheiten eine neue Offensive in Afghanistan vorbereiten. Die Jubelbilder aus Kabul können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch durch den jüngsten Afghanistan-Krieg die Situation im Land nicht grundlegend geändert hat. Während in Kabul einmal mehr die „Regierung“ gewechselt hat, ist der Rest des Landes weiterhin durch den Konflikt lokaler Gruppen bestimmt. Im Grunde wird in Afghanistan seit 1980 Krieg geführt. In dieser Zeit ist über Kabul mehr Sprengstoff niedergegangen als über Dresden im zweiten Weltkrieg. Die jüngsten Bomben der USA noch gar nicht mitgerechnet. Millionen von Menschen sind auf der Flucht, Millionen von Minen sind über das Land verstreut. Doch all dies lässt sich nur aufzählen und ist für die meisten Menschen hier kaum nachvollziehbar.

Unterdessen bietet sich ein ungeheures Schauspiel an Doppelzüngigkeit in der offiziellen Weltpolitik. Die UN-Waffeninspekteure bilden kaum mehr als ein Feigenblatt um die offene Kriegsabsicht gegen den Irak zu verbergen. Die USA wollen die Invasion, gleichgültig was für Waffen der Irak besitzt. Doch je kleiner das Feigenblatt, desto stärker das Interesse daran. Journalisten und Politiker verweisen mit großer Hingabe auf die Waffeninspektionen und reden davon, dass alles noch offen sei. Aber die Taten sprechen eine ganz andere Sprache. Denn im Grunde hat der Krieg gegen den Irak bereits begonnen. Ein Krieg beginnt nicht mit massiven Luftangriffen, sondern mit dem verdeckten Kampfeinsatz von Diversions- und Aufklärungstruppen. Und der ist bereits im Gange. Die Propaganda gewinnt dadurch Qualität, dass sie von Leuten gemacht wird die offenbar selbst daran glauben. Die Rede ist besonders von den Parlamentariern von B’90/Grünen. Das ist schon Meisterleistung. Man nehme beispielsweise den Einsatz von Urangeschossen im Jugoslawien-Krieg. Die Diskussion darüber endete damit, dass man sich Gedanken über amerikanische Übungsplätze in der BRD machte. Der Kosovo war vergessen. Doch im Ablenken sind Presse und Bundestag Meister. Man denke auch an das elende Gezerre um UN-Mandate, Angriffs- oder Verteidigungswaffen, Kriegs„verbrechen“, Menschenrechte. In dem immer wieder große Aufmerksamkeit auf Dinge gelegt wird, die mit dem wirklichen Geschehen wenig zu tun haben. Dabei wird gerade von jenem Geschehen abgelenkt und jedem/r ein paar Argumente geliefert, mit denen man sich beruhigen kann. Schätzungen gehen von hunderttausenden Toten im Falle einer Irak-Invasion aus. Müßig ist es zu erwähnen, dass es vor allem diejenigen am stärksten treffen wird, die zur „einfachen“ Bevölkerung gehören. Deren Möglichkeiten sich zu schützen, zu fliehen oder was auch immer sind am geringsten. Es handelt sich dabei keinesfalls um Kollateralschäden. Denn dies würde unterstellen, dass die Bombardierung von Wohngebieten gewissermaßen aus versehen geschieht. All denjenigen, die daran glauben, sei gesagt: „Aufwachen! Es gibt keinen Weihnachtsmann!“ Aber mit Krieg scheint es so zu sein, wie mit dem Alkohol. Das „Nie wieder!“ überdauert den Kater danach nicht.

v.sc.d

PolitMix

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