Live vom Tatort Stadion!

Wanderausstellung über Rassismus im Fußball kommt nach Leipzig

 

Natürlich könnte man das „Bündnis aktiver Fußballfans“ (Baff) auch anders kennenlernen als durch eine Vorstellung im Feierabend!. So finden sich zum Beispiel im Fanzine des Roten Stern Leipzig (RSL), Prasses Erben Nr. 16, einige Informationen darüber, wer und was sich hinter Baff verbirgt. Da ich aber davon ausgehe, dass sich nicht die ganze Welt für den RSL interessiert, regelmäßig Prasses Erben liest, oder sich eventuell auch nichts aus Fußball macht, soll hier ein kleiner Einstieg geboten werden. Gerade rechtzeitig zum zehnjährigen Geburtstag sowie der Ankunft der Wanderausstellung „Tatort Stadion“ in Leipzig – dazu später noch mehr.

Zur Geschichte

Im August 1993 von interessierten Fans aus 15 verschiedenen Vereinen gegründet, stand vorerst ein Schwerpunkt im Zentrum der Arbeit und Diskussion der BAFF-Mitglieder: Die schleichende und doch manchmal schon massive Übernahme der Fußball-Fankultur durch Neonazis, welche in den 80ern deutlich war und nach der Wiedervereinigung noch zunahm. So wurden also begleitend zu faschistischen Morden auf den Straßen auch in den Stadien fremdenfeindliche Spruchbänder sichtbar und rassistische Chöre hörbar. Außerdem nutz(t)en rechtsradikale Fans immer wieder Spiele, um sich danach als Mob zu formieren. Das Fass zum überlaufen brachte 1993 ein A-Jugend-Länderspiel gegen England, das just zu Hitlers Geburtstag angesetzt war. Dagegen formierte sich breiter, teilweise militanter Widerstand, der schließlich von Erfolg gekrönt war, zwei Wochen vor dem Termin sagte der englische Fußballverband das Spiel ab. Nicht genug für viele, die begonnen hatten, sich zu engagieren: Im August des selben Jahres wurde beschlossen, dem Rassismus im Stadion fortan mit kontinuierlicher Arbeit zu begegnen. Das „Bündnis antifaschistischer Fanklubs und Faninitiativen“ wurde ins Leben gerufen, wobei das „antifaschistische“ 1995 dem „aktiven“ weichen sollte.

Nach einem Fankongress 1994, auf dem von 130 teilnehmenden Fans kontrovers über weitere Themen diskutiert wurde, etablierte sich Baff langsam. Es wurden Demonstrationen veranstaltet, das Amt eines Pressesprechers kam hinzu, und im Januar 1998 wurde Baff zum Verein. Nach der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich arbeitete Baff verstärkt mit dem DFB zusammen, das Thema „Rassismus im Fußball“ wurde nämlich auch von den Funktionärscliquen als imageschädigend erkannt. Ende gut, alles gut?

Zur Situation

Das Thema „Rassismus“ sollte natürlich nicht das einzige bleiben. In Arbeitsgruppen wurden auf dem ersten Fankongress schon weitere mögliche Schwerpunkte der Arbeit von Baff sichtbar. In einer Grundsatzerklärung (Jahreswende 95/96) werden Ziele von Baff benannt: „Baff tritt Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Diskriminierung und Sexismus im Zusammenhang mit Fußballspielen aktiv entgegen.“ (1) Das zweite Thema ist »die zunehmende Kommerzialisierung des Profifußballs“, dazu gehören die Umwandlung von Stehplätzen in Sitzplätze und die mediengerechte Ansetzung von Ligaspielen zu ungünstigen Zeiten für die Fans, womit sich die ganze Fankultur immer mehr ändert. Die Einnahmequellen der Bundesligaclubs sind eben schon lange nicht mehr die zahlenden Fans, sondern Werbeeinnahmen und der Verkauf von Fernsehübertragungsrechten… Und noch durch einen dritten Punkt sieht sich die Fangemeinde stigmatisiert. In den Sicherheitskonzepten für die Stadien(Absperrungen, Videoüberwachung, hochgerüstete Polizeieinheiten im Stadion) kommen die klassischen Besucher von Fußballspielen nur noch als Bedrohung vor. Zur Zeit sind ca. 50 Gruppen und 200 Einzelpersonen im Baff organisiert. Also, es gibt viel zu tun!

Tatort Stadion

Der Anlass dieser Vorstellung von Baff im Feierabend! ist, wie schon oben angedeutet, die von diesem Bündnis erarbeitete Ausstellung „Tatort Stadion“. Auf das oftmals gespannte Verhältnis zum Roten Stern Leipzig möchte ich hier nicht eingehen, daran interessierten Lesern sei aber wärmstens das Heft Prasses Erben Nr. 16 empfohlen, dort wird diese Angelegenheit ausreichend beleuchtet. Die Ausstellung wird in Leipzig von verschiedenen Gruppen und auch Einzelpersonen, getragen. Worum geht es genau? „Tatort Stadion ist ein erster Versuch, Diskriminierung und. Rassismus im deutschen Fußball in seiner Kontinuität und Militanz nachzuzeichnen. Tatort Stadion ist ein Beginn sozialhistorischer Aufarbeitung, die eine ständige Fortschreibung erfordert. Wie in der Gesamtgesellschaft sind ausländerfeindliche oder rassistische Parolen und Transparente in den Stadien aktuell, genauso wie Antisemitismus oder Sexismus. Es wird aufgezeigt, dass aus den genannten Problemen immer wieder gewalttätige Übergriffe erwachsen. Rassismus und Diskriminierung sind europäische Probleme, die nicht auf einzelne Länder, Verbände und Vereine beschränkt werden können. Darüber hinaus gibt es einen Einblick in die Verbindungen von Hooligan-Szene und rechten Fangruppierungen zur neonazistischen Ideologie und politischen Gruppierungen. Tatort Stadion greift aber auch Gegenbewegungen in den Fanszenen, bei Vereinen und Verbänden auf. Faninitiativen und Fanzeitungen zeigen kreative Alternativen auf, wie antirassistisches Engagement in Stadien aussieht und gerade der Fußball unterschiedliche Menschen zusammenführen kann. Ziel von Tatort Stadion ist es, eine Grundlage dafür zu schaffen, dass für rassistische und neonazistische Strömungen in den Fankurven sensibilisiert wird, um sie effektiv bekämpfen zu können.“

„Tatort Stadion“ ist also ein Versuch, die rassistische Seite des Fußballs zu dokumentieren und eine Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren. Nach Einschätzung von Baff war dieses Anliegen bislang auch schon erfolgreich. Nach dem Besuch von 12 Städten und mehr als 25000 Gästen ist man mit der Resonanz zufrieden. Natürlich ist die Ausstellung im Verlaufe ihres einjährigen Bestehens mehrfach überarbeitet worden, da leider ständig neue Vorfälle zu dokumentieren sind.

Das Rahmenprogramm von Vorträgen und kulturellen Angeboten, welches die Ausstellung in Leipzig abrundet, kann sich sehen lassen. Am 20. 3. 2003 etwa referiert Dietrich Schulze-Marmeling über „Jüdische Fußballer und Antisemitismus in Deutschland und Österreich“, er beschäftigt sich sowohl mit der Geschichte jüdischer Vereine als auch den Biographien einiger Fußballer vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung.

Zwei Beiträge beleuchten kritisch die „Männerdomäne“ Fußball. So ist am 23. 3. das Thema „Fußball und Homophobie – Schwule im Stadion“ sicher für eine breite Öffentlichkeit völlig neu. Am darauffolgenden Tag stehen die beim „Männerkult Fußball“ nicht ausbleibenden Diskriminierungen von Frauen, ob als Spielerinnen oder Fans, sowie die teilweise mit diesem „Kult“ einhergehenden Ideale und unappetitlichen Verhaltensweisen von Fans auf dem Programm.

Ein guter Anknüpfungspunkt für den Komplex Olympia, denn am 26. 3. fragt Dr. Petra Tzschoppe: „Olympische Spiele – Spielen Frauen gleichberechtigt mit?“ Wie wird der Anspruch der olympischen Charta bezüglich der Frauen in der Realität umgesetzt? Am 30. 3. heißt es „2012 – Spiele ohne uns“, das „Anti-Olympische Komitee“ lädt zur Diskussion über die Olympiabegeisterung Leipzigs und erklärt, warum und wie man etwas dagegen unternehmen könnte (2). Ein weiterer Themenkomplex behandelt, um es vorsichtig zu verlieren, übersteigertes Fanverhalten, bzw. deren Lebenseinstellung. Am 27. 3. findet eine Diskussion über die Kultur der „Ultras“ statt und am nächsten Tag lässt der Titel „Fußball und Gewalt – Hooligans, die Linke und staatliche Gewalt“ einen interessanten Vortrag über eine ganz andere Gesellschaftsrelevanz des Fußballs erwarten.

Man muss nicht unbedingt fußballvernarrt sein – ein Besuch lohnt sich bestimmt.

kao

(1) Ganz lustig ist es, dass im folgenden Satz nachgeschoben wird, Beleidigungen seien nicht per se verdammenswert. Ganz ohne scheinen Fans halt die 90 Minuten nicht zu überstehen.

(2) Mehr dazu auf den Seiten 6 und 7.

Schreibe einen Kommentar