Mein Körper gehört MIR, bis zum letzten Nukleotid!

DNA-Analyse

Europas Innenminister können jubeln, denn das genetische Material des Menschen liefert eindeutige, gerichtlich anerkannte Daten. Seit 2000 verweisen PolitkerInnen verstärkt auf akt­uelle Ereignisse der internationalen Politik, um die innere Sicherheit zu erhöhen und die Macht der herrschenden Klasse zu sichern. 2004 nannten die JustizministerInnen der EU die internationale Vernetzung der na­tionalen DNA-Dateien als eines der wichtigsten Ziele.

Law & Order – Entnahme & Verweigerung

Unterschieden werden muss zwischen der Entnahme einer DNA-Pro­be, die staatsanwaltlich angeordnet werden kann und dem eigentlichen Ana­lyseverfahren, für das ein richterlicher Beschluss notwendig ist! Bei „anonymen Spuren am Tatort“ und „Gefahr im Verzug“ gilt der Richtervorbehalt nicht mehr und eine Staats­anwältIn oder die Po­li­zei darf die Entnahme anordnen. Der richterliche Beschluss kann umgangen werden, wenn die betroffene Person von der Staats­anwaltschaft oder den Bullen angeschrieben wird und freiwillig ihre DNA abgibt, mensch kann aber auch zur DNA-Entnahme ge­zwungen werden! Zwar kann mensch die Entnahme aus einer Körperöffnung ver­weigern, in diesem Falle wird jedoch Blut abgenommen.

Schon vor der WM 2006 gab es Bestrebungen, die DNA von Personen, die zu gewissen Gruppen-Dateien zählen (z.B. Gewalttäter-Sport/ linksmotivierte Gewalttäter-Datei, LiMo) zwangsweise zu ent­nehmen und „vorsorglich“ zu analysieren. Ebenso gibt es schon seit einigen Jahren Vorstöße von PolitikerInnen, den richterlichen Be­schluss komplett aufzuheben und die DNA-Entnahme als Standard in die ED-Behandlung der Polizei zu integrieren. Bei DNA-Massentests, wie etwa im letzten Jahr in Coswig (1), ist die Freiwilligkeit bei der Teilnahme garantiert. Jedoch folgt der freiwilligen Ver­weigerung die unfreiwillige Belästigung durch PolizeibeamtInnen…

Speicherung

Bei laufenden Ermittlungsverfahren können Spuren und DNA-Material von StraftäterInnen vom Bundeskriminalamt (BKA) gespeichert werden. Laut Wikipedia kom­men täglich ca. 200-300 Datensätze hinzu. Aktuell (01‘07) um­fasst die Datei des BKA ca. eine halbe Million Einträge.

Bei Massentests sieht das Gesetz(!) vor, die für laufende Verfahren nicht mehr relevanten DNA-Informationen unverzüglich zu vernichten. Wer dem (Rechts- )Staat traut, braucht sich keine Sorgen zu machen… Die DNA-Entnahme und Speicherung in einer BKA-Analysedatei ist „verfassungsgemäß“, wenn der/die TäterIn wegen Straf­taten erheblicher Schwere verurteilt wurde, also z.B. Mord und schwere Kör­perverletzung. Zudem muss begründeter Verdacht auf Wieder­holungsgefahr bestehen.

Datenaustausch

Das Schengener Informations-System II (2) wandelt sich vom Infor­ma­tions- zum Ermittlungssystem mit derzeit ca. 14 Millionen Da­tensätzen : u.a. Informationen über AsylbewerberInnen, gesuchte Personen und gestohlene Dinge. Geplant ist die Aufnahme von biometrischen Merkmalen, Finger­abdrücken, Lichtbildern und auch ein DNA-Abgleich. Die „Superdatenbank“ wird mit anderen Datenbanken (wie INPOL-Neu (3)) vernetzt und ist für Geheimdienste, EUROPOL (4), EURO­JUST (5). Grenzpolizei und KFZ-Registrierungsstellen zugänglich. Für ei­nen Datenaustausch innerhalb der EU genügt es bereits, verdächtigt zu werden, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu ge­fährden. Ein Richterbeschluss ist nicht erforderlich.

Präventive DNA-Analyse

Eine weitere Möglichkeit der DNA-Entnahme und Analyse ist die prä­ventive DNA-Entnahme. Dabei kann im Rahmen eines Er­mittlungsverfahrens DNA ohne Richterentscheid analysiert werden, wenn dem/der Betroffenen Straftaten erheblicher Schwere vorgeworfen wer­den und „begründete Wiederholungsgefahr“ besteht. Dabei ist letztere meist nur eine willkürliche Be­schuldigung der Polizei.

Mit der Neuregelung der DNA-Analyse im November 2005 wurde die präventive DNA-Analyse und -Speicherung auf die prognostizierte Wiederholung „nicht erheblicher Straf­taten“ ausgeweitet, was im polizeilichen Alltag auch schon Praxis war. Das Bundesjustizministerium führt für solche „nicht er­heb­lichen Straftaten“ mit Wiederholungsgefahr Hausfriedensbrüche und Sachbeschädigungen an. Letztendlich, und das sollte uns bewusst sein, geht es um die Sammlung der DNA-Daten von möglichst vielen Menschen…

Wie verhalte ich mich bei DNA-Entnahme?

* Keine Aussagen, keine Unterschriften!

* Keine Einwilligung zur DNA-Entnahme unterschreiben! Damit bleibt der Richtervorbehalt bestehen und die Entnahme kann später besser angefechtet werden.

* Wahrscheinlich droht die Polizei mit einer zwangsweisen Blutabnahme. Diese muss aktuell NOCH von einer/einem RichterIn angeordnet werden. Besteht darauf, dass dies rechtlich nicht möglich ist. Verlangt nach eurem Anwalt/eurer Anwältin. Immer gilt: Die Blutabnahme muss von einem Arzt/einer Ärztin durchgeführt werden!

* Legt explizit Widerspruch gegen die DNA-Entnahme ein und lasst ihn schriftlich festhalten! Es kann wichtig sein, die Löschung der Daten zu beantragen.

* Es hat sich gezeigt, dass ein/e anwesende/r Rechts­anwältIn fragwürdige Maßnahmen zumindest zu diesem Zeitpunkt verhindern kann. Informiert ein/e AnwältIn eures Vertrauens, eure Rote Hilfe Ortsgruppe oder den EA. Euch steht bei jeder Festnahme ein Anruf bei einer Person eures Vertrauens zu! es kann wichtig sein, die Löschung der Daten zu beantragen und gegen die Entnahme Einspruch einzulegen. Häufig läuft dies auf eine Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht hinaus. Wendet euch an die Rote Hilfe oder den EA.

* Lasst Euch nicht einschüchtern!

KEEP COOL. Bedenkt die Konsequenzen!

(1) Aufgrund von Sexualverbrechen wurden dort Massentests an Männern zwischen 25-45 durchgeführt. Vorgesehen waren 80.000 Freiwillige.
(2) Schengener Informationssystem (SIS) – nichtöffentliche Datenbank, mit Personen und Dingen, nach denen im Schengen-Raum gefahndet wird.
(3) Bundesweit einheitliches polizeiliches Informationssystem.
(4) Europol oder Europäisches Polizeiamt ist die europäische Polizeibehörde in Den Haag.
(5) Eurojust oder Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit ist die europäische Justizbehörde (Den Haag).

Rote Hilfe

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