So oder so ähnlich jubilierte die bürgerliche Presse ob der letzten Zuwortmeldung der Gruppe in der aktuellen radikal #161. Konnte man dort doch den Satz lesen: „Wir lösen uns heute und hier mit diesem Beitrag als (mg) auf! Von nun an ist die (mg) in die Widerstandsgeschichte der revolutionären Linke in der BRD eingegangen. Es gibt von nun an nur noch eine ex-(mg).“ Recht einleuchtend für die frohlockende Journaille, die dabei jedoch übersah, dass die Gruppe gleichzeitig von einem „scheinbaren Widerspruch“ schrieb, der sich hinter dieser Formulierung verberge. Die Nichtidentität der Identität der mg ist nämlich: die ex-mg!
Im Rückspiegel: 2001 war die militante gruppe erstmalig in Erscheinung getreten. Im Zusammenhang mit der Debatte um die NS-Zwangsarbeiterentschädigungen hatte sie scharfe Patronen per Post an die führenden Vertreter (Gibowski, Gentz und Lamsdorff) der Stiftungsinitiative Erinnerung, Verantwortung, Zukunft der deutschen Wirtschaft verschickt, die sich für einen Klagestopp und finanziellen Schlußstrich einsetzte. Das dazugehörige Bekennungs- und Erläuterungsschreiben wurde in der interim #529 veröffentlicht. Darin heißt es: „Unsere Aufgabe als linksradikale AktivistInnen ist es, den Akteuren dieser perfiden Politik ihre Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit zu nehmen.“, und weiter unten: „Wir müssen die Ebene der reinen Proklamation von ‚revolutionären Ansprüchen‘ verlassen, wenn unsere militante Politik zu einem wirkungsvollen Faktor in der Konfrontation bspw. mit der Stiftungsinitiative werden soll.“ (1)
Seitdem gingen bis zum 26.02.2009 zwischen 30 und 40 „militante Angriffe“ auf das Konto der mg. Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge und Polizeikraftwagen, Sozial-, Arbeits- und Finanzämter, auf eine LIDL-Geschäftsstelle, auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und einiges mehr. Die Aktionen waren immer gut geplant und richteten sich nach aktuellen politischen Themen, nie kam ein Mensch zu Schaden und immer veröffentlichte die mg ausführliche Erklärungen zu den Aktionen. Doch auch die Gegenseite schlief nicht. Schon 2001 leitete die Generalbundesanwaltschaft ein BKA-Ermittlungsverfahren gegen die Gruppe ein, das sich bis zuletzt zu einer fieberhaften bundesweiten Fahndung nach Mitgliedern des klandestinen Zusammenhangs um die mg ausweitete. Der Vorwurf: „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ nach §129a StGB. Bisher konnte jedoch kein Mitglied der mg beweiskräftig überführt werden. Von den insgesamt mindestens vier Verfahren läuft derzeit offiziell nur noch eines. Die drei festgenommenen Personen, die 2007 in Brandenburg (Havel) beim Brandsatzlegen unter einen Bundeswehr-LKW beobachtet worden sein sollen und aktuell vor Gericht stehen (2), gehören aber nach Angaben der mg nicht zu ihrem Organisationszusammenhang. Dort frotzelt man eher über die verkrampften Bemühungen der Bundesbehörden, den drei Aktivisten der antimilitaristischen Szene die Mitgliedschaft in der militanten gruppe unterschieben zu wollen, denn „… dann wäre unser Verständnis (der mg) von politischer Gefangenschaft und einer offensiven politischen Prozessführung als revolutionäre KommunistInnen für alle Interessierten unverkennbar und unüberhörbar zum Ausdruck gekommen.“
Solche Drohungen klingen dann doch etwas hohl, zumal sie aus dem oben erwähnten Auflösungspapier stammen. Scheinbar ein weiterer Widerspruch? Nicht unbedingt, denn das Ende der mg, bedeutet ja den Anfang der ex-mg, wie wir von den dialektikelnden GenossInnen lernen. Diese jedoch wollen in Zukunft weniger militant auftreten. Die Gruppe begründet diese Abkehr mit einem langen Prozeß der Selbstkritik und internen Spannungen. Das Ziel des Aufbaues eines Netzwerkes militanter Kerne hätte man verfehlt. Außerdem ist wohl auch die mangelnde Basis in der sozialen Klasse, für deren Interessen man ja kämpferisch antreten wollte, augenscheinlich geworden. Zwar könne man militante Aktionen aus der Spontanität und einer gewissen revolutionären Ungeduld begründen, als politische Mittel würden solche Aktionen aber nur dann wirkungsvoll sein, wenn sie mit den Interessen einer breiteren politischen Bewegung auch organisatorisch zusammentreffen. Demnach wolle die ex-mg ihr Gewicht nach dem Vorbild der italienischen Kommunistischen Partei politisch-militärisch (PC p-m) stärker auf Fragen des Politisch-Organisatorischen verschieben, also versuchen „… aus der Enge der Fragestellung um Militanz herauszukommen, d.h. die Ebene eines ‚militanten Reformismus‘ bzw. ‚Militantismus‘ zu verlassen und eine Debatte um eine klassenspezifisch-proletarische Organisierung und eine daraus resultierende Organisation aufzunehmen.“
Fast ist mensch versucht zu spotten: Willkommen im 21. Jahrhundert! Aber so modern fallen die Einlassungen der mg/ex-mg zur Organsationsfrage dann doch nicht aus. Es wird über die Notwendigkeiten der „Partei-Form“ fabuliert, eine Menge Marx, Marcuse, Lukacs, Lenin und auch Mao zitiert. Und am Ende stellt man fest, die ex-mg steht wirklich am Anfang. Zwar „… ausgestattet mit einem umfangreichen inhaltlich-ideologischem Rüstzeug (inklusive aller Widersprüche und Leerstellen), einer langen Kette von militanten Aktionserfahrungen und verschiedenen organisatorischen Versuchen des Strukturaufbaus und der entsprechenden reproduktiven Absicherung“, aber inhaltlich zu deutlich verstrickt in die theoretisch-abstrakten Fragestellungen eines untergegangenen Jahrhunderts und zu wenig konkret hinsichtlich erfolgsversprechenden emanzipatorischen Organisationsmodellen. Das Gerede von der Parteiform, die den innersten Kern einer Bewegung zusammenhalten soll, verkleistert dabei nur den klaren Blick auf ihre aktuellen Organisationsprobleme. Es ist ein ideologischer Anachronismus, um die enorme Spannung und Entfernung zur Blütezeit der kommunistischen Bewegung vor 90 Jahren überhaupt auszuhalten. Ein Blick auf die politische Kultur und Geschichte der „Partei“ jedoch genügt, um eine „Partei-Form“ prinzipiell in Frage zu stellen. Dies ist ein verteidigenswertes Erbe schon des frühen Anarchismus. Wenn die ex-mg sich nach eigenen Worten also zwischen Kommunismus und Anarchismus ernsthaft positionieren will, ist den Genoss_innen nach der vorgezogenen Lektion in Sachen Aktionismus nun dringend auch eine Portion Organisations- und Herrschaftskritik anzuraten.
Zum Schluss: Dass mensch als militante gruppe zu einseitig auf militante Aktionen setzte, war unüberlegt, voreilig, aber verständlich bei der Wut, dem Unmut und der Resignation, die mensch zuweilen verspürt. Sich selbstkritisch zu besinnen, aus den Erfahrungen zu lernen und „quicklebendig“ weitermachen zu wollen, ist gut und das Bemühen um Fragen der Organisation richtig. Denn inwieweit gelangt mensch über eine offene und transparente, partizipatorische und dezentrale Organisierung zu subversiven und im letzten Schritt auch militanten Aktionen, um effektiv gemeinsame Ziele zu erreichen? Die Perspektive einer gesellschaftlichen Veränderung im besten anarcho-kommunistischen Sinne hängt von dieser Frage ab. Bleibt also zu hoffen, dass sich die Genoss_innen der ex-mg auf diesem neuen Terrain ebenso hartnäckig schlagen werden, wie die Genoss_innen der mg es auf dem Terrain der Militanz taten. Die mg ist tot, es lebe die ex-mg!
(clov)
(1) Die gesamte Stellungnahme unter: mirror.so36.net/home.arcor.de/dokumentationX/
(2) siehe hierzu auch FA!#27, Wie bilde ich eine terroristische Vereinigung?, Seite 1/22-24)
Alle anderen Zitate aus dem in der radikal #161 veröffentlichten Interview mit der mg. U.a. hier nachzulesen: www.einstellung.so36.net