„Our climate is not your business“

Klima- und Energiecamp August 2011: Vorbereitungen laufen

Es ist ein Prozess kollektiver Selbstor­ga­ni­sation und basisdemokratischer Selbstverwaltung, der zum Klima- und Energiecamp 2011 führt. Die Menschen, die an diesem Prozess teilnehmen, kommen z.B. aus Berlin, Potsdam, Cottbus oder Leipzig. Sie gehören Umweltgruppen, lokalen Bürgerinitiativen, Attac, linken Organisationen an oder engagieren sich als Einzelpersonen. In diesem Prozess gewinnt das Camp immer deutlicher an Kontur. Das fünfte Vorbereitungstreffen in diesem Jahr fand Mitte Mai in Cottbus statt; ihm gingen vier Treffen in Berlin, Cottbus und Leipzig voraus. Bisherige Ergebnisse sind u.a. ein Aktionskonsens, der zivilen Un­ge­horsam mit einschließt und klar auf Ge­walt­losigkeit setzt, ein politisch ausformu­lier­tes Selbstverständnis, aber auch Beschlüsse praktischer Natur, wie ein Termin und ein Ort: Das Camp wird im Lausitzer Braun­kohlerevier stattfinden, in Jänsch­wal­de, einige Kilometer nordöstlich von Cottbus, und zwar vom 7. bis 14. August.

Der Aufruf

Der Aufruf des Camps richtet sich eindeutig gegen die zer­stör­eri­sche Ener­giepolitik, d.h. zu­nächst konkret gegen die von der rot-roten Regierung geplante CO2-„Endlagerung“ in der Region, die ebenso wie die Atomkraft eine teure Risi­ko­tech­no­logie darstellt, die noch dazu als „umweltfreundlich“ verkauft wird. Darüber hinaus geht es aber v.a. auch darum, grundsätzliche Fragen zu stellen, die auf der Bühne etablierter Politik keinen Platz haben. „Das Klimachaos scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein“ heißt es in dem Auf­ruf. Und weiter: „Mit extremen Wetterverhältnissen, der Versteppung ganzer Regionen, dem Anstieg des Meeresspiegels und der Bedrohung der Lebensgrundlagen vieler Menschen schreitet der Klimawandel voran. Dass die Antwort nicht Atomkraft heißen kann, ist spätestens seit Fukushima klar. […] Effektiver Klimaschutz hat nichts mit der Schaffung neuer Märkte zu tun. Die Fokus­sie­rung auf Wirtschaftswachstum ist keine Lö­sung, sondern Teil des Problems.“ Und die Schlussfolgerung hieraus lautet: „Wir neh­men das nicht hin! Wir wollen an Auseinandersetzungen um Klimage­rechtig­keit und Energiesouveränität anknüpfen und mit einem Camp Alternativen zum ‚business as usual‘ denken, leben und erstreiten.“

Von einiger Bedeutung für das Camp ist bisher die politische Initiativkraft der Berliner Gruppe gegenstrom. In einem auf dem Berliner Treffen diskutierten politischen Thesenpapier der Gruppe heißt es: „Wir dürfen als Bewegungen dieses Jahr nicht nur Anti-Atom-Aktionen durchführen – es gibt auch noch andere Schweinereien, die verhindert werden müssen: Seien es neue Kohlekraftwerke, oder deren Legitimationstechnologie, die Kohlenstoffabspaltung und -ver­pressung (CCS).“

Was ist ein Klimacamp?

Die Aktionsform des Klima­camps kommt aus England, wo im August 2006 einige tausend Menschen ein Feld neben dem größten Kohlekraftwerk Europas fried­lich in Besitz nahmen und dort gewalt- und hierarchiefrei lebten, lernten und mit einer positiv überraschten Bevölkerung Kontakt aufnahmen, die unter der größten Luftverschmutzung Europas zu leiden hatte. Bei einer Besetzung des Kraftwerk-Geländes wurde die CO2-Produktion schlies­s­lich für einen Tag aufgehalten. Wichtiger war jedoch vermutlich die Erkenntnis, dass mensch „etwas tun“ kann, statt auf Hilfe „von oben“ zu warten oder zu resignieren.

2008 fand in Hamburg das erste Klimacamp im Bundesgebiet statt. Etwa tausend Menschen erprobten dort eine klimaneutrale Lebensweise, bildeten sich in zahlreichen Workshops und starteten etliche Aktionen zivilen Ungehorsams, um auf ökologische Zerstörung aufmerksam zu machen. Der nachhaltige Effekt des Hamburger Camps war der, dass die damals Beteiligten heute das Selbstbewusstsein und das nötige organisatorische und politische Wissen haben, um selbst klimapolitisch handlungsfähig zu werden. Viele derjenigen, die heute das Klimacamp aktiv vorbereiten, waren 2008 dabei, aber weniger zentral eingebunden. 2011 wird es nun unabhängig voneinander zwei Klimacamps geben: Eines ist das „internationale Klimacamp“ in Nordrhein-Westfalen und das andere das „Klima- und Energiecamp“ in der Lausitz.

Vernetzung & Gegenmacht

Auf den Vorbereitungs-Plena wird bei aller Un­terschiedlichkeit der Standpunkte stets ach­tungsvoll diskutiert, denn es geht weniger darum, diese oder jene Vorstellung durch­zusetzen, als darum, Herausforderungen gemeinsam zu begegnen und dabei offen zu bleiben für andere, die sich in den Pro­zess einbringen wollen. So können ver­schie­dene Bächlein zusammenlaufen und zu Strö­men werden. In Berlin war zu hören, wie das Anti-Atom-Bündnis aus Potsdam Kon­takt zu einer Ucker­marker Bürger-Initi­a­tive aufnahm, welche ihre eigenen Kontakte zu grünen Gruppen jenseits der Grenze in Stettin hatte. Diese standen ihrerseits wie­derum mit polnischen ökologischen, Anti-Atom- und anarchistischen Gruppen in Kontakt, so dass hieraus 2010 ein polnisch-deutsches Anti-Atom-Camp von Basis­aktivist_innen entstand. Dieses Netzwerk will sich nun neben anderen in das Lausitzer Camp mit einbringen. Es handelt sich bei all dem um organisatorische Ansätze „von unten“, die insgesamt etwas anstreben, das völlig verschieden ist von klassischen Repräsentations-Konzepten in der bürgerlich-kapitalistischen Demokratie. Es geht – kurz gesagt – nicht um parlamentarische Teilhabe, sondern um Gegenmacht.

Hierzu bedarf es dann allerdings auch eines ak­tiven Sich-Einbringens anstelle des passiven Politik-Konsums, an den wir täglich gewöhnt werden. Es muss Pressearbeit organisiert, Barrierefreiheit gewährleistet, Geld ein­gesammelt und eine Website erstellt werden. Daneben gilt es Kontakte zu pflegen, ein Programm zu entwerfen, Menschen zu über­zeugen und Komposttoiletten aufzubauen – und all das so zu diskutieren, dass alle damit leben können.

„klimagerechtigkeit leipzig“

Weitere Infos: www.lausitzcamp.info

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