Oury Jalloh – DAS WAR MORD

Brandgutachten bringt nach neun Jahren endlich Gewissheit

Mittlerweile ist die von der Justiz seit Anbeginn vertretene Behauptung der Selbstanzündung nicht mehr haltbar. Das belegt ein von der „Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh“ finanziertes Brandgutachten.

Am 7. Januar 2005 verbrennt in Dessau der an Händen und Füßen gefesselte Oury Jalloh bei lebendigem Leib. Auf einer feuer­festen Kunstledermatratze, in einem voll gefliesten Raum. Und das innerhalb kürzester Zeit und bis zur Unkenntlichkeit. Alles was danach beginnt ist geprägt von „verschwunden“ Beweisen, Falschaussagen und einseitigen Ermittlungen in Richtung Selbstmord.

Es ist aber auch geprägt vom Engagement der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“, die seit neun Jahren Gerechtigkeit und Aufklärung fordert – was nicht selten als Kon­sequen­z die juristische Ver­folgung durch den Rechtsstaat nach sich zog. Insbesondere für Mouctar Bah, einen ehe­mals en­gen Freund und Mit­begründer der Initiative, dem die Genehmigung für sein Telecafe in Dessau entzogen wurde.

Dem Einsatz der Initiative ist es überhaupt erst zu verdanken, dass die wesentlichsten Fakten zum Fall recherchiert wurden. Zuletzt hatten sie 30.000 € gesammelt, um ein unabhängiges Brandgutachten erstellen zu lassen.

Der Fall Oury Jalloh (1)

Der erste Prozess vor dem Dessauer Landgericht dauerte 59 Tage, statt der ursprünglich terminierten sechs Prozesstage. (2) Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte zuständige Dienstgruppenleiter Andreas S. und sein wegen fahrlässiger Tötung angeklagter Kollege wurden im Dezember 2008 freigesprochen. Allerdings ließ der zuständige Richter keinen Zweifel daran, dass durch Schlamperei und Falschaussagen der Polizei ein rechtsstaatliches Verfahren zur Aufklärung der Todesumstände nicht möglich war. Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof den Freispruch wegen lückenhafter Beweisführung auf.

Der zweite Prozess, nicht minder Aufsehen erregend, begann im Januar 2011 vor dem Landgericht in Magdeburg. Auch in diesem Verfahren blieben Fragen zum Hergang offen und die Umstände des Feuers konnten nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Andreas S. wurde im Dezember 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 € verurteilt. Das Urteil ging über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die auf 6.300 € plädiert hatte.

Mittlerweile haben die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und sechs Einzelpersonen eine Strafanzeige gegen Unbekannt beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe gestellt, wegen Mordes oder Totschlag. Grundlage dafür ist ein neues Brandgutachten, das die Selbstmordthese widerlegt, mit der Begründung, dass das Ausmaß der Verbrennungen nur durch den Einsatz von Brandbeschleuniger möglich war. Zudem warf die Initiative der Justiz vor, dass es trotz verschiedener Verfahren und Gutachten nie eine Rekonstruktion von Brandentstehung und -verlauf gegeben hat.

Das Brandgutachten

Bisherige Brandgutachten wurden unter Vorgaben von Gericht und Staatsanwaltschaft erstellt und gingen jeweils von der bisherigen Annahme und einseitigen Ermittlungsrichtung des Selbstmordes aus. Vor einem dritten Prozess gab die Initiative selbst ein Brandgutachten in Auftrag, dessen Ergebnisse am 12.11.2013 im Berliner Haus der Demokratie präsentiert wurden und nun endgültig die Selbstmordthese widerlegen. Dieses wurde erstellt vom irischen Brandgutachter Maksim Smirnou, nachdem in Deutschland alle angefragten Gutachter_innen, die von Aufträgen der Gerichte abhängig sind, ablehnten.

Mit dem aktuellen Gutachten widerlegt der unabhängige Experte Smirnou nun, dass Jalloh seine Matratze selbst entzündet (3) haben kann. Er simulierte in mehreren Brandversuchen mittels eines Schweinekadavers den menschlichen Körper, auf Matratzen aus demselben Material wie in der Dessauer Zelle. Die Versuche beweisen, dass eine so starke Verbrennung des Körpers, bis in tiefe Hautschichten, und eine fast vollständige Zerstörung der Matratze nur dadurch erzeugt werden konnte, dass fünf Liter Brandbeschleuniger, wie Benzin, von Dritten eingesetzt wurden.

Zudem belegt der Gutachter, dass der Ausbruchsort des Feuers und die Stellung, in der die Leiche lag, nicht zusammen zu bringen sind. Er widerlegt darüber hinaus auch, dass anhand von fehlenden DNA-Spuren am Feuerzeugrest, dieses jemals in Kontakt mit dem Opfer oder der Matratze war. (4)

Was folgt und was bleibt…

Was nun folgt wird ein neues Brandgutachten sein, dass die Ermittlungsbehörden in Auftrag geben sowie eine nochmalige Verhandlung. Offen bleibt die Frage, warum die langjährige Arbeit einer Initiative, das Geld vieler Unterstützer_innen und ein aufwendig finanziertes und unabhängiges Brandgutachten notwendig sind, damit ein Todesfall in einem deutschen Polizeirevier aufgeklärt wird.

(mona d.)

(1) eine umfangreiche Darstellung der Ereignisse und eine Chronologie der Prozesstage findet sich auf der Webseite der Initiative www.prozessouryjalloh.de

(2) de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

(3) Bereits seit dem ersten Prozesstag sorgt das Feuerzeug für Ungereimtheiten: Obwohl Jalloh vorschriftsmäßig durchsucht worden war, war er in seiner Zelle im Besitz eines Feuerzeuges, das auf ominöse Weise auch erst in der Asservatenliste nachträglich am 11.1.2005 auftauchte. Am Tag davor war es nicht verzeichnet worden.

(4) Bereits 2005 hatte die Initiative eine zweite Obduktion der Leiche erwirkt, die sie selbst bezahlte. Die dabei festgestellten Schädelbrüche und ein Nasenbeinbruch hatten bereits Fragen aufgeworfen, die in den Verfahren nicht beantwortet wurden. Genausowenig konnte erklärt werden, dass bei der Obduktion der Leiche, das Stresshormon Noradrenalin nicht im Urin nachgewiesen wurde, dass bei Panik auf jeden Fall ausgeschüttet würde – ein Umstand der nur damit erklärbar ist, dass Jalloh bei Ausbruch des Brandes nicht mehr bei Bewusstsein war.

 

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