Propaganda der geistigen Niederkultur

Das exzentrisch schillernde Wesen, einem Großteil der Leipziger Szene bekannt wie ein bunter Hund unter dem Namen „Haschke“, ist nicht nur Musiker bei einem gefühlten Dutzend Bands, Krachklangkünstler, Barmensch, Gelegenheitsmoderator, Plagwitzer Original, Kneipenschreck, Quasi-Lokalpolitiker (Die PARTEI) und Lebenskünstler, sondern auch seit neuestem Herausgeber von MÜeLL. Dies ist ein Heftchen im A5-Format, angefüllt mit, wie es im Untertitel bedrohlich dräut „literatur und klolektüre“. Wir haben dieses formatsprengende Ausnahmetalent in seinem natürlichen Habitat aufgespürt und den glücklichen Umstand genutzt, dass er zwischen zwei Wrestlingkämpfen auf dem Gieszerfest eine kleine Verschnaufpause brauchte, um dem nach Atem ringenden Freizeitlyriker paar Fragen zu stellen.

Feierabend!: Zum Einstieg erstmal was einfaches: Gibt es einen Sinn des Lebens und falls ja, was?

Haschke: Sinn des Lebens findet jeder selber raus … und die andere Sache: Ich bin kein Plagwitzer Original, sondern ich habe in Grünau gewohnt und danach in … (unverständliches sächsiches Gebrabbel). Außerdem, wenn ich mich umgucke – (dramatische Pause) vielleicht ist ja doch gar nicht alles so sinnlos wie es immer scheint.

FA!: Aha. Zweite Frage: Der MÜeLL, was soll das?

H: Das soll eine Profilierungserscheinung sein, die einfach von meiner Person ausgeht. Eine Art Propaganda der geistigen Niederkultur und, solange es sich hundertmal verkauft… ich denke, ich werde eine zweite Nummer machen.

FA!: Wieso weist der MÜeLL so viele Ähnlichkeiten zum upsetter auf?

H: (grinsend) Weil der upsetter geil ist!

FA!: Jetzt mal im Ernst: Was soll der Scheiß? Geht es in Deinen Texten nicht nur um Penisse, Erregung von Ekel und zwanghaftes Kacken auf vermeintliche und tatsächliche Tabuthemen?

H: (sichtlich irritiert ob der entlarvenden Direktheit) Dann übersetze Deine Frage einfach nur mit: Ja, es muss einen Penis geben, der kackt und irgendwas anderes noch macht. Also übersetze die Frage einfach nur mit nem normalen Satz. Junge, das Heft heißt MÜeLL!

FA!: Das heißt, es dient wirklich nur der Befriedigung Deines eigenen Egos?

H: In gewisser Weise schon, in einer anderen nicht. Weil ich ständig gefragt werde: „Kannst Du mir mal einen Text geben oder irgendwas?“ Da gebe ich die Scheiße halt eben heraus. Natürlich freue ich mich, dass ich da meinen Scheiß mehr ´reinbasteln kann.

FA!: In Deiner Nullnummer hast Du auch Texte von zwei Gastautorinnen, Sandra und Johanna, die sind ja richtig gut gelungen. Beabsichtigst Du, in Zukunft weitere externe Autor_innen zu gewinnen oder diesen mehr Platz einzuräumen?

H: Ich versuche, dass das Label „literatur und klolektüre“ zusammen bleibt.

FA!: Aha… wie geht´s weiter? Hast Du schon einen Zeitplan?

H: Vielleicht im Winter… (triumphierend) Vorher ficke ich allen libertären Arschlöchern in den Arsch!

FA!: In den Arsch?

H: Naja, gut, ich fick dran vorbei. Oder ich stecke denen den Besenstiel so ein bisschen rein, dass es sich wenigstens so anfühlt, als ob es echt wäre.

FA!: Großartig. Würdest Du Dich als Fäkalfetischisten bezeichnen?

H: (genervt) Ich bin kein Fäkalfetischist, ich bin KOTPHILOSOPH! Das könnt ihr auch bei wikipedia eingeben. (stolz wie Bolle) Bei „Haschke“ kommt „Kotphilosoph“ raus.

FA!: Hast Du den wikipedia-Artikel selber geschrieben?

H: Halt Deine Fresse und verpiss‘ Dich!

Ich bedanke mich bei Haschke daraufhin noch recht herzlich für dieses Gespräch und entferne mich unauffällig, um nicht der nächste Ringgegner des angriffslustigen Bohemien zu werden. Denn obgleich er bei so ziemlich jedem Kräftemessen an diesem ausgelassen lustigen Sonntagnachmittag den Kürzeren zieht, wird das drahtige Energiebündel trotz zahlreicher Schürfwunden, in denen sich dunkle Batzen von Asphaltstaub, Hundehaar und Asche sammeln, des Kämpfens nicht müde. Dafür kennt und schätzt, ja verehrt mensch ihn hier geradezu: Dass er sich in allem versucht, dabei meistens scheitert und doch stets eine beachtlich gute Figur abgibt und damit andere inspiriert, es ihm nicht gleich zu tun und dennoch niemals aufzugeben. Oder, um es mit den Worten von Chuck Palahniuk in Fight Club zu sagen: Wir sind der singende, tanzende Abschaum der Welt. Als muttitauglicher Schwiegersohn oder gar Chef der Deutschen Bank hat er sich längst selbst ausgebootet, aber als solcher könnte er sich ja auch nicht die Freiheit nehmen, an einem sonnenverwöhnten Nachmittag in die Mitte der Gieszerstraße zu kotzen und dann auch noch die Befriedigung geniessen, dass zwei Punks auf die Knie fallen um den Kotzfleck anzubeten. Vielleicht ist ja doch nicht alles so sinnlos wie es immer scheint.

(Anmerkung: die deutsche wikipedia kennt die Begriffe „Kotphilosoph“ und „Haschke“ nicht.)

(bonz)

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