Soldaten sind Gärtner?

Eines morgens erreichte die bestürzte Feierabend!-Redax eine wütende Postkarte: Abo-Kündigung! Und alles wegen einer ‘harmlosen’ Überschrift: „Mörder zum Anfassen“, FA!#13, S.1.

Gemeint waren wahrscheinlich die uniformierten Damen und Herren der Bundeswehr-Show „Heer on tour“, die in dem Artikel auch sonst nicht besonders gut wegkommen. Die Begründung der Kündigung klingt genial: „Nicht alle Soldaten werden zum Töten ausgebildet, schon garnicht in unserem Land.“ Gut zu wissen, dachte sich die Redaktion, dann gibt es also doch keinen qualitativen Unterschied zwischen Soldaten und, sagen wir, Gärtnern? Beide machen ja nur ihren Job für die Gemeinschaft. Aber muss mensch denn wegen einer philosophischen Kontroverse gleich zum finalen Mittel (Kündigung) greifen?? Es ist wohl am besten, an dieser Stelle noch­mal laut über einen der einfachsten und gleichzeitig umstrittensten Vergleiche nachzudenken.

Als Kurt Tucholsky 1919 sein populäres Zitat „Soldaten sind Mörder“ auf einer Antikriegs-Kundgebung in die Welt setzte, war es eine Antwort. Eine Antwort auf die Frage, wie das millionenfache Morden der Jahre 1914-18 denn zustandekommen konnte. Schuld war nicht ein „Volk“, ein Kaiser, ein Generalstab. Schuld war das System der kapitalistisch-nationalen Kriegsmaschinerie, soviel stand für damalige Antimilitaristen fest. Und doch braucht ein Mord immer einen Mörder. Was liegt also näher, als die Schuldigen in den ausführenden Organen der „Maschine“, also in den Soldaten, vom General zur Rekrutin, zu suchen? Massenhaftes Sterben von Menschen im Krieg entsteht ja nicht nebenbei durch ein System, sondern durch Menschen, die Waffen zum Töten anderer Menschen bedienen. Und dazu werden Soldaten zielgerichtet ausgebildet.

Was Soldaten von Mördern unterscheidet, ist ihr fehlendes, individuelles Motiv, diesen oder jenen Menschen umzulegen. „Sorry, war nicht persönlich…“ Soldaten handeln grundsätzlich unter „Befehlsnotstand“. Ein Begriff, der Prozesse gegen Kriegverbrecher aller Art nahezu unmöglich macht. Gesetz ist Gesetz, Befehl ist Befehl. Da kann man nix machen. Menschen die während der Ausführung einer staatlichen Maßnahme (Krieg) ums Leben kommen, fallen unter die Vollstreckung des staatlichen Gewaltmonopols, das die Vernichtung menschlichen Lebens in Kauf nimmt oder bewusst plant. Innerhalb einer solchen Maßnahme als Soldat zu töten, kann juristisch also kein Mord sein.

Bleibt jedoch der Unterschied zwischen individueller und kollektiver Motivation. Bei ersteren entscheiden Juristen zwischen Gründen wie Notwehr oder wechselseitigen Gewalttätigkeiten, die irgendwann zur Tötung führen, und „niederen Beweggründen“, wie Habgier, Eifersucht, Sexualmorden. Anders beim Soldaten, in dessen Rücken ein autoritäres Kollektiv („Staat“) steht, in dessen ideologischem Auftrag er handelt und das seine Gemetzel an der „Front“ legitimiert. Hier ist das Gewaltmonopol des Staates Grund genug, das systematische Töten nicht mehr zu hinterfragen. Mörder und Soldaten zu trennen liegt also in der Logik von Institutionen, die eben dieses Monopol an Gewalt verteidigen.

Wie immer mensch aber zum Gewaltmonopol steht – genügend Studien belegen den Zusammenhang von berufsmäßigem Töten von „Feinden“ und der anschließenden Tendenz der Soldaten, Morde (diesmal illegal) aus „niederen Beweggründen“ zu begehen. Die Grenze zwischen Mörder und Soldat lässt sich auch für MilitaristInnen im Krieg immer schwieriger ziehen. Übrig bleibt am Ende nur Gewalt.

Dass in diesem Kontext die Behauptung, „Nicht alle Soldaten werden zum Töten aus­gebildet, schon gar nicht in unserem Land“ ein Feigenblatt ist, scheint klar zu sein. Sie folgt der Tendenz, Morden im Namen des eigenen Kollektivs als nicht weiter schlimm zu betrachten. Letztlich ist das delegiertes Töten mit dem Vorsatz, dafür nicht die Verantwortung übernehmen zu wollen. Und den Dreck räumen die Soldaten weg. Deren physische wie psy­chische Verstümmelung wird da­­bei noch billigend in Kauf genommen. Nach dem Motto: „Die kriegen ja fette Pensionen!“ Doch die Wirklichkeit im Arbeitsleben eines Soldaten sieht anders aus: Drill, Erniedrigung und geringer und ausbleibender Sold gehören fast überall auf der Welt zu den Machtinstrumenten der Offiziere. Die Existenz einer moralisch überlegenen „Nation“ und die Eingliederung in eine militärische Befehlskette scheinen für den Menschen hinter der Waffe also ein guter Grund zum Töten zu sein. Und wem das nicht reicht, der spürt den Stiefel!

Unserer Meinung nach genug Argumente, sich gegen eine wie auch immer getünchte Kriegsmaschine zu wenden. Der Satz „Soldaten sind Mörder“ appelliert an den autonomen Verstand der Uniformierten, sich nicht länger das Gehirn vernebeln zu lassen. Nur, wenn Mörder nicht glauben, Mörder zu sein, ist morden für sie einfach. In diesem Sinne: Tucholsky hat recht! – Soldaten sind keine Gärtner!

soja, clov, A.E.

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