Status Quo Vadis

Der Streit um die Studiengebühren geht weiter. Zeit zu schauen, wo er eigentlich steht.

Denn in der Debatte, die für viele gar keine mehr ist, sondern längst beschlossene Sache, stecken ihre Protagonisten fest. Da sind die kategorischen Neinsager auf der einen, die bedingungslosen Gebührenverteidiger auf der anderen Seite und irgendwo dazwischen die „konstruktiven“ Studiengebührenbefürworter (unter bestimmten Voraussetzungen). Die Vertreter der goldenen Mitte beziehen ihre Argumente aus beiden Positionen und verweisen auf alternative Studiengebührenmodelle. Eine solche Alternative hat die Tageszeitung (TAZ) formuliert. Das „TAZ-Modell“ von Christian Füller bezieht sich auf die Idee der „studentischen Selbstverwaltung“ und lässt sich wie folgt beschreiben: Die Höhe der pro Semester abzuführenden Studiengebühren soll von der Studierendenschaft (wer das sein soll, wird nicht genauer spezifiziert) und der Hochschule ausgehandelt werden. Anschließend wird eine Gebührenordnung verabschiedet, nach welcher der Einzug der Gebühren organisiert werden soll. Banken übernehmen die Erhebung der Gebühren, eine „professionelle Organisation“ verwaltet diese und ein „studentisches Gebüh­renmanage­ment“ (auch nicht näher spezifiziert) übt die Kontrolle über die Verteilung der Gelder aus. Dabei sollen Studierende, die sich die Gebühr nicht leisten können, von dieser befreit bleiben. Ziel ist es, die „negativen Effekte“ von Studiengebühren kon­troll­ierbar zu machen. Soweit so gut. Füller verweist bei seiner Argumentation auf den Umstand, dass sich die Studierenden in Hochschulen hauptsächlich aus Aka­demiker­sprößlingen zusammensetzen, und dass diese immer noch „kostenlos“ studieren dürfen, auf den Rücken der Nichtakademiker, die das auch noch über ihre Steuern bezahlen. Dahinter verbirgt sich der Populismus, dass die arme ALDI-Kassiererin den karrieregeilen Advokatensohn finanziert, ohne irgendwie davon zu profitieren. Dabei werden aber Dinge vermengt, die zunächst nichts miteinander zu tun haben. Steuern muß schließlich jeder zahlen und eine gerechte Verteilung stellt sich auch über Studiengebühren nicht her. Über Steuern werden auch kulturelle Einrichtungen subventioniert bis hin zu Großbetrieben, und nicht nur der Bil­dungss­ektor. Um eine steuerliche Gerechtigkeit herstellen zu wollen, müsste man hingegen die stärkeren Kapitalinhaber höher belasten.

Im nächsten Zug verteidigt Füller sein Modell vor den Studiengebührengegnern als „konstruktive“ Herangehensweise. Diese würden sich, so Füller, mit ihrem kategorischen Nein ins politische Off befördern und damit den derzeitigen Status Quo in der Universität zwangsweise beibehalten wollen. Damit versucht Füller, Studiengebühren als unaufhaltsame Entwicklung zu kennzeichnen, jegliche Gegnerschaft bleibt best­en­falls weltfremd. Nur wer sich Gebühren selber aufbürdet, dürfe in der Diskussion noch mitmachen, sei politisch tragbar und realistisch. Füller vergisst dabei, dass es gute Gründe gibt, Studiengebühren kategorisch abzulehnen, denn Studiengebühren und Gerechtigkeit schließen einander aus. Darüber kann auch das glorreiche TAZ-Modell nicht hinwegtäuschen. Es ist einfach keine Lösung, das Problem der Hochschulfinanzierung auf die Studierenden abzuschieben, damit diese sich selbst ausnehmen. Die studentische Selbstbestimmung des Modells ist dabei zwar ein idealistischer Gedanke, vergisst aber, dass mit Studiengebühren, welcher Art auch immer, die Ökonomisierung der Hochschulen, auch im Zuge der Bologna-Reform, noch mehr zementiert wird. Damit sind die nach dem TAZ-Modell ach so selbstbestimmten Studenten plötzlich fremdbestimmt von der unsichtbaren Hand des Marktes. Wer letztlich entscheidet, welche Arbeiten, Forschungen und Studiengänge ökonomisch rentabel sind, ist unerheblich. Im nächsten Zug werden die Hochschulen unterschiedlich hohe Studiengebühren erheben, um damit spezielle Zielgruppen anzulocken. Hochschulen mit höheren Gebühren werden von entsprechenden Studenten besucht, die sich diese auch leisten können. Es besteht die Gefahr, dass sich eine Hochschullandschaft entwickelt, in der die Qualität des Studiums von den finanziellen Möglichkeiten der Studierenden abhängt. Diejenigen mit mehr Barem im Handgepäck besuchen dann eine Hochschule, die für das Mehr an Gebühr auch mehr Bil­dungs­qualität bietet. Die so oft geforderte Eliteuniversität wäre dann – für die entsprechende Oberschicht – nicht mehr weit.

Studiengebühren werden immer den Weg zum Studium blockieren, die Wahl des Faches sowie des ausführenden Berufes beeinflussen und die Freiräume für nicht Kapital bringende Forschung und Studiengänge einschränken. Die Losung, wenn man für Kindertagesstätten zahlt, muss man auch für die Universität zahlen, ist falsch. Kitas sollten genauso kostenfrei sein.

Den Status Quo beizubehalten, ist gerade nicht das Ziel beim Protest gegen die Studiengebühren. Aber eine Bildung, die zur Ware Ausbildung mutiert, ist niemals der bessere Weg. Auch wenn Füller sein Modell als „sozial gerecht“ preist, ist es keine Alternative, sondern das Problem, nur anders aufgerollt.

Aber gerade bei den verschiedenen Standpunkten im Streit um die Studiengebühren muss die Gegnerschaft ihre Kritik erörtern und sich nicht auf platte Parolen und Phrasen reduzieren (siehe jüngst die Leipziger Blutsauger-Rhetorik zur Antigebührendemonstration), um ein gesellschaftliches Bewusstsein bis hinein in die Familie zu schaffen. Aufgabe muss es daher sein, Populismen wie die Gleichsetzung von sozialer Gerechtigkeit mit Studienge­büh­ren, argumentativ zu entlarven und breite Kampagnen für Kritik anzulegen.

Der Protest muss sich verstärken und breiter werden. Alternative Studiengebühren jedenfalls schaffen das Problem nicht aus der Welt.

Karotte

Was bisher geschah – was noch kommt

Am 26.1. 2005 fällte das Bundesverfassungsgericht sein historisches Urteil gegen das Studiengebührenverbot fürs Erststudium. (1) Daraufhin fanden bundesweit Vollversammlungen, Demos und Aktionen statt. Am 27.1. folgte an der Uni Leipzig eine nicht gerade kämpferische Vollversammlung von 1000 Studierenden statt. Aufgerufen wurde auch zur Demonstration gegen Stu­dien­gebühren in fünf Städten, an der bundesweit 20.000 und in Leipzig selbst 8000 Leute teilnahmen. In den Semesterferien selbst blieb es weitgehend ruhig. In München kam es am 18.3. zu einem Schulstreik und einer gemeinsamen Demonstration von SchülerInnen und Studierenden gegen Büchergeld und Studiengebühren. (2) Von einigen Studierenden­vertreterInnen wurde ein heißer Sommer propagiert, so z.B. Aktionstage vom 2. bis 13.5. angekündigt. Am 2.4. trafen sich die Bildungssyndikate der FAU (3) um die bundesweite Zusammenarbeit zu verstärken. Vom 22. bis 24.4. wird an der Universität Leipzig das zweite bundesweite Koor­dinierungs­­treffen gegen Studiengebühren stattfinden. (4) Der heiße Sommer muß sich jedoch erst noch zeigen!

KFM

(1) www.fau.org/artikel/art_050126-141511
(2) www.kostenlose-bildung.de
(3) www.fau.org/syndikate/bsy2
(4)www.stura.uni-leipzig.de

Bildung

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