Streik in Israel

Ja, das gibt es auch noch. Nachrichten die man aus Israel erhält, bewegen sich fast immer im Dunstkreis der Begriffe Selbstmordattentat, Intifada, Armeeeinmarsch in Stadt xy, Schuld, Lösungsversuche des Konflikts.

Doch Anfang Oktober hätte man einem weiteren Problem, und zwar einem weltweiten, seine Aufmerksamkeit schenken können: Städtische und staatliche Angestellte streikten für mehr Lohn, und es sind nicht wenige – mehr als 100 Tausend. Auslöser war eine erwartete Jahresteuerung von ca. 8%, die vor allen Dingen diejenigen Grundnahrungsmittel betrifft, die von den unteren Einkommensklassen konsumiert werden. Da die Kaufkraft der Angestellten und Arbeiter spürbar von Woche zu Woche (!) sank, erscheinen Forderungen wohl nur zu verständlich. Zudem steigt die Erwerbslosigkeit rapide an, allein im Juli 2002 verloren zehntausend Menschen ihren Job – das sind etwa 0,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung und hieße auf die BRD übertragen, 200 Tausend.

Ganz besonders sichtbar wurden die Auswirkungen des Streiks durch den sich ansammelnden Müll auf den Straßen. Es wurde sogar von einer Seuchengefahr gesprochen. Der Arbeitgeberverband warnte außerdem vor einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftslage in Folge des Streiks. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Histadrut und Mitglied des Parlaments, Amir Peretz, entschuldigte sich über das Radio: „Indem wir eine Woche alle im Müll stecken, helfen wir vielleicht Hunderttausenden, die ihr ganzes Leben im Mist steckten, sich zu befreien.“

Um es anschaulicher zu gestalten: fast die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung (43,1 Prozent) zahlen keine Einkommenssteuer, weil ihr Lohn zu niedrig ist!

Der Streik beschränkte sich aber nicht nur auf die Müllabfuhr, auch in den Ämtern, beim Zoll, im Transportwesen und in Kindergärten ging kaum noch etwas. Positiv ist, daß sich die Forderungen der Gewerkschaft Histadrut, die größte des Landes, im Laufe des Streiks ausweiteten. So wird etwa gefordert, den Einstellungsstop aufzuheben und Überstunden zu verbieten. Außerdem sollen auch Rentner in den Genuß einer Kaufkraftangleichung kommen.

Und der staatsnahen Gewerkschaft, die mit ihren eigenen Angestellten (!) immerhin 20 Prozent des israelischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, bleibt angesichts der desaströsen Lage, der harten Lebens- und Arbeitsbedingungen in permanentem Kriegszustand und der geplanten EU-europäischen Boykottmaßnahmen schlicht keine andere Wahl, als in den Streik zu treten. Der Arbeitskampf erwirkte (im privaten Sektor) denn auch nur eine an die Inflation gekoppelte Lohnerhöhung von drei bis fünf Prozent ab Dezember diesen Jahres. In Israel selbst dürfte somit deutlich geworden sein, dass es sich nicht um eine monolithische Gesellschaft handelt – wie’s ja in hiesigen Nachrichten und Kommentaren so oft scheint.

kao & A.E.

www.labourisrael.org bzw. www.iww.org (search: histadrut)

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