„Versagen mit System“

Ein Interview mit dem Forum für kritische Rechtsextremismusforschung

Vom 23. Februar bis 13. März 2015 war die Ausstellung „Versagen mit System – Geschichte und Wirken des Verfassungsschutzes“ in Leipzig zu sehen. Wir haben mit dem Forum für kritische Rechtsextremismusforschung gesprochen, von dem diese Ausstellung erarbeitet wurde.

FA!: Könnt ihr euch kurz vorstellen? Wer seid ihr und womit befasst ihr euch?

FKR: Wir sind eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftler_innen und Menschen, die in der politischen Bildungsarbeit tätig sind. Wir haben uns als studentische Initiative 2005 nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag zusammengefunden, weil wir das Gefühl hatten, dass die Forschung zu Themen wie Rassismus, Neue Rechte und Neonazismus an den sächsischen Hochschulen nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die es angesichts der politischen Lage verdient hätte.

Über die Beschäftigung mit dem Thema „Rechtsextremismus“ und auch den kritischen Implikationen dieser Kategorie, haben wir uns auch näher angeschaut, wie Gesellschaft und Politik vermeintliche „Extremisten“ identifizieren und von der demokratischen Teilhabe ausschließen. Von dort ist der Weg zur Beobachtung des Verfassungsschutzes und seiner Aktivitäten nicht mehr weit.

FA!: Dazu gibt es ja derzeit in Leipzig die Ausstellung „Versagen mit System“. Was war eure Motivation dabei?

FKR: Der NSU-Skandal hat seit November 2011 das völlige Versagen des Inlandsgeheimdienstes, der ja eigentlich ein Frühwarnsystem für die Demokratie in Deutschland sein will, offenbart. Doch trotz der schrecklichen Verstrickungen von V-Leuten in den Skandal, dem Unvermögen des Dienstes das rechte Terrornetzwerk zu enttarnen und der Behinderung der Aufklärung durch Öffentlichkeit und Justiz, scheint es, als würden die VS-Ämter gestärkt aus der Affäre hervorgehen.

Gleichzeitig ging der VS in den letzten Jahren verstärkt gegen linke Strukturen vor, die in den jährlichen Berichten unter Extremismusverdacht und damit ins politische Abseits gestellt wurden. Viele Initiativen und Einzelpersonen mussten sich vor Gericht erstreiten, nicht mehr vom VS heimlich beobachtet und öffentlich diffamiert zu werden.

Als wir Ende des Jahres 2012 auf eine Podiumsdiskussion eingeladen wurden, auf der der sächsische VS-Präsident seine Ideen von Einsätzen seiner Behörde in der politischen Bildungsarbeit erläutern wollte, hatten wir das Gefühl, dass wir ein Zeichen setzen wollen, dass auch außerhalb akademischer Diskurse wahrgenommen wird. Ein Geheimdienst hat in der politischen Bildungsarbeit nichts zu suchen. Damit war die Idee für eine Ausstellung geboren.

FA!: Und was erfährt man in der Ausstellung?

FKR: Die Ausstellung beleuchtet auf 20 Tafeln in sechs thematischen Abschnitten die Ursachen und Hintergründe für Versagen des Verfassungsschutzes, nicht nur im Fall NSU. Wir zeigen anhand einer Vielzahl weiterer Skandalfälle, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen, dass der deutsche Inlandsgeheimdienst für die Demokratie sehr viel Schaden angerichtet hat. Zusätzlich zur Entstehungsgeschichte erläutern wir die problematischen Aspekte an der Verquickung von Geheimdienst und politischer Bildungsarbeit und dem V-Leute-System.

FA!: Die Ausstellung ist in Leipzig ja nur noch bis zum 13. März zu sehen. Wie geht es jetzt damit weiter?

FKR: Die Ausstellung ist als Wanderausstellung konzipiert. Sie war vor Leipzig bereits in Hamburg und Berlin zu sehen. Als nächstes stehen Orte in Sachsen-Anhalt, Bielefeld und Lüneburg auf dem Plan.

Wir werden im Laufe des Jahres auch noch mehr Begleitmaterial zur Ausstellung erarbeiten. Das kann dann auch auf unserer Webseite zur Ausstellung herunter geladen werden: vs-ausstellung.tumblr.com

FA!: Danke für das Interview.

Schreibe einen Kommentar