Vom Schafspelz zur Schlachtplatte

Militärflughafen Halle/Leipzig

Ostern 2007 in Leipzig. Einige dut­zend In­teressierte hatten sich bei einem Work­shop des Bundeskongresses Inter­na­tio­na­lis­­mus BUKO30 (1) versam­melt, als Conor C. Fotos von gewöhn­lichen Pas­sagier­­flug­zeu­gen an die Wand proji­zierte. „Is it a civil or military one?“(„Ist es ein Ziviles oder Mili­tä­risches?“) Wer die Frage des irischen Kriegs­­gegners richtig beant­worten konnte, be­kam einen Button mit schwar­zem Klee­blatt, dem Symbol der irischen Friedens­bewegung (2). Mit dem Quiz wurde eine bisherige Annahme umgestoßen. Denn genau so wenig, wie alle Soldaten sind, die Cargo-Hosen tragen, ist alles zivil, was in reinem Weiß erstrahlt. Egal, ob Bundes­wehr oder US-Armee, die Militärs möch­ten sparen und sich bequem in zivilem Anschein bewegen.

Im Rahmen der Zusammenarbeit von staatlichen Institu­tionen und privat­wirtschaftlichen Unter­neh­men (Public Private Part­ner­ships) beauftragen sie vermehrt private Flugli­nien, um Truppen und Waffen zu transpor­tieren. Das spüren seit der Mobilisierung zum Irak-Krieg unter anderem die Men­schen im west­irischen Shannon. Über diesen Flughafen sind zehntausende US-amerikanische Soldaten geschleust wor­den. Bürger durchschauten die Kriegs­unter­stützung, die durch ihr verfassungs­mäßig militärisch neutrales Land in augen­scheinlichen Zivilmaschinen getätigt wur­de. Wider­stand formierte sich und gipfelte darin, dass die Aktivisten in direkten Ak­tio­nen auf das Flug­hafen­gelände und in Hangars eindrangen, um dort Flugzeuge mit Farbe, Äxten und Steinen flugunfähig zu machen. Drei US-amerikanische Flug­ge­sell­schaf­ten, die für das Pentagon als Militär­dienstleister tätig waren, zogen sich darauf hin aus Shannon zurück.

Nicht ohne Grund kamen die irischen Kriegsgegner nach Leipzig. Die Aktions­gemeinschaft „Flughafen natofrei!“ hatte sie eingeladen, von ihren Erfahrungen zu berichten. Sie versteht sich als offenes Netzwerk aus Einzelpersonen, Vereinen und Organisationen, das sich gegen die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle wendet. Denn auch hier, wo der ein oder andere in den Urlaub startet, ge­schieht, was anderen oft Leid und Tod bringt. „Der zum Kriegs­dreh­kreuz aus­gebaute Flug­hafen ist bereits jetzt das bedeutendste deutsche Logistikzentrum für Ge­walt­operationen der USA und der NATO“, resümiert das Nach­rich­ten­portal german-foreign-policy (3).

Doch was geschieht im Detail?

Der Flughafen wurde als ziviler Flughafen ausgebaut. Verwendet wurden dabei fast 1,3 Milliarden Euro öffentliche Förder­mittel, darunter auch Steuergelder der Bürger.

Seit März 2006 sind aber am Flughafen zwei Groß­raum­flugzeuge vom Typ Anto­nov 124-100 sta­tio­niert, sie wur­­den feierlich von Bun­­des­ver­tei­di­gungsminister Jung begrüßt. Im Sep­tember 2007 stehen be­reits 6 dieser Ma­schinen auf dem Flug­ha­fen­gelände. Diese „fliegenden Güter­züge“ wer­den vom Un­­ter­nehmen Ruslan SALIS GmbH angeboten, das der rus­sischen Volga-Dnepr-Gruppe angehört. Über den SALIS-Vertrag (4) zwischen der Flug­ge­sell­­schaft und der NATO-Agentur NAMSA (5) soll kosteneffektive Logistik­unterstützung ermöglicht werden. Ver­traglich sind die Transportflugzeuge für militärische und humanitäre Zwecke mietbar und fliegen anschließend zu den Verladeflughäfen oder werden in Leipzig/Halle beladen. Sie transportieren alles von Trinkwasser bis zu Panzern, Hub­schrau­bern und anderen schwersten Waffen – bis zu einer Ge­samtlast von 120t. Die BRD hat 2006 ihr jährliches Kontingent von 750 bezahlten Flugstunden ausgeschöpft. Allein durch die deutsche Nutzung spannt sich ein Netz von Zielländern über den halben Globus: Südafrika, Norwegen, Pakistan, Afghanis­tan, Tadschikistan, Gabun, Demokratische Republik Kongo, Kap Verde, Djibouti und Zypern. Über den SALIS-Vertrag im Rahmen der NATO hinaus können zudem bei multinationalen EU-Operationen bis zu vier Antonovs angefordert werden. Von Seiten der Militärdienstleister ist geplant, in den kommenden Jahren bis zu 10 weitere Antonovs neuen Typs in den Dienst der NATO zu stellen, die jeweils 165t tragen können. Mit diesem Ausblick wird sich die Rolle des Flughafens als militärisches Logistikdrehkreuz ver­festigen, denn hier wurde eigens eine Wartungshalle für die Großraumtransporter errichtet. Außerdem möchten EU und NATO zukünftig flink global einsatzfähig sein und bauen dazu „Schnelle Eingreiftruppen“ (battlegroups) auf, die wiederum auf „strategische Lufttransportkapazitäten für die Streit­kräfte“ angewiesen sind.

Neben dieser militärischen Nutzung auf privatrechtlicher Grundlage landen auch Truppen des US-Militärs zwischen. Nach Angaben der Flughafengesellschaft wurden im Jahr 2006 etwa 240.000 US-Soldaten in Kriegsgebiete und zurück transportiert. Die Tendenz ist steigend, denn allein im Zeitraum Juli 2006 bis einschließlich März 2007 sind von den amerikanischen Fluggesellschaften World Airways und North American Airways insgesamt 2050 Flugbewegungen auf dem Flughafen Leipzig/Halle durchgeführt worden. Das entspricht bei 400 Sitzplätzen in den üblichen MD-11-Maschinen bereits 820.000 Soldaten. Mit den lokalen Truppenschleusungen wird die BRD noch mehr zum Rückgrat der US-Kriegspolitik, als sie durch US-Militärbasen (Ramstein, Grafenwoehr, etc.) und andere Um­schlagplätze wie Frankfurt-Hahn schon ist. Auch wenn angeblich zivile Flugzeuge zum Einsatz kommen, die Deutsche Flug­sicherung geht von militärischen Flügen über Leipzig/Halle aus.

Die AG „Flughafen natofrei!“ konnte bei Flug­hafenwachen feststellen, dass ein Ab­fer­tigungsgebäude (Terminal A) aus­schließlich für die US-Soldaten ausgebaut und benutzt wird. Diese Beobachtung ver­dichtet die Kritik auf juristischer Ebene, denn Militärflüge und Ver­sorgungs­auf­enthalt der Truppen am Boden kommen einer Stationierung gleich. Doch durch den so genannten „2+4-Vertrag“ ist es verboten, auf dem Gebiet der neuen Bundesländer ausländische Truppen zu stationieren oder dorthin zu verlegen. In einer Bundes­tags­an­frage (Drucksache 16/4343) windet sich die Regierung mit dem Hinweis auf den Vertragstext heraus, „dass Fragen in Bezug auf die Anwendung des Wortes ‚verlegt’ […] von der Bundes­regierung in einer ‚vernünftigen und ver­ant­wor­tungs­be­wussten Weise’ ent­schieden werden“. Ohnehin, was stellen Truppen- und Waffentransporte anderes dar als Beihilfe zum Krieg? So rügte das Bundes­ver­waltungsgericht: „Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Delikt“ (Irak-Krieg) sei „selber ein völkerrechtswidriges Delikt“.

Hände auf, Augen zu

Was sagt eigentlich Flughafen­ge­schäfts­führer Eric Malitzke zur Behauptung, der Flughafen würde militärisch genutzt? Das sei „völlig absurd“. Wenn bereits durch die vom Pentagon bezahlten Privatairlines ca. 11 Millionen Euro Einnahmen monatlich in die Kassen gespielt werden, verdrängt man gern unangenehme Aspekte. Nun erhält der mit 33 Jahren „jüngste Flug­hafenchef Deutschlands“ den ersten „Leipziger Völker-Schlacht-Preis“ des Vereins Friedensweg e.V. Aus der Be­gründung: „Herr Malitzke erhält den Preis, weil er sich im vergangenen Jahr mit großem Einsatz der Ermöglichung eines weltweiten Völker­schlachtens verschrieb. Über den Flughafen Leipzig/Halle werden amerikanische Soldaten und Kriegsgerät in den Irak und nach Afghanistan trans­portiert. Diese Maßnahme dient nicht nur der Ver­besserung der Geschäftsbilanz, sondern auch der Erhöhung der offiziellen Flug­gast­zahlen des Flughafens. Herr Malitzke be­weist damit eindrucksvoll, wie sich Wirt­schafts­aufschwung in Deutsch­land und das Lei­den ausländischer und deut­scher Kriegsopfer gewinnträchtig verbin­den lassen. Der Völker-Schlacht-Preis wird in Form einer Schlachteplatte verliehen und besteht aus durchweg sym­bol­träch­tigen Begleiterscheinungen kriegerischer Auseinandersetzungen: Hack­fleisch, Blutwurst und Gekröse.“

Symbolträchtiges Flughafenfest 2007

Inzwischen zeigt nämlich der Flughafen ganz offen und scheinbar selbstverständlich seine zunehmend militärische Aus­rich­tung. So konnten am 7./8. Juli Eltern und Kin­der Tornado-Kampfjet und AWACS-Auf­klärungsflieger technikbegeistert be­staunen – bis sich der Tornado blutrot färb­te [siehe Foto]. Indem sie Ket­chup auf das Kriegs­gerät spritzten, wollten die Akti­visten der AG „Flughafen natofrei!“ darauf auf­merksam machen, dass mit Hilfe der­ar­tiger Maschinen Menschen getötet wer­den.

Hinter dem konkret verursachten Leid steht die Logik des Militärischen – die Logik des Sieges und des Besiegens. „In dieser Logik erklären die Mächtigen der Welt andere Menschen zu Feinden. Sie nehmen die Tötung anderer Men­schen für ihre Interessen billigend in Kauf. Mili­tä­rische Logik ist die Logik des Über­wältigens und des Todes.“ So steht es in der Schkeuditzer Erklärung (6), die zum diesjährigen Ostermarsch am Flughafen verlesen wurde. Gegenübergestellt ist die Logik des Friedens, sie „ist die Logik zivilgesellschaftlicher Lösungen. Die Logik des Friedens ist lebensbejahend und lässt neues Leben entstehen, sie geht Kon­flik­te mit aller Kraft und allem Mut an.“

Ein Schritt vom Militärischen weg wird mit so genannten Konversions-Projekten gegangen. Hierbei werden mi­li­tärisch ge­bun­dene Ressourcen zi­vil um­genutzt. Pers­pek­tive für die lo­kale Ent­wick­lung könn­­te es in die­sem Sinne sein, ein hu­ma­ni­täres Zentrum auf­­zu­bauen und dazu kon­kret das ehemalige Mi­li­tär­kran­kenhaus Wie­­deritzsch zur Be­hand­lung von zivilen Kriegs­opfern zu nutzen.

Dies ist sicherlich nur ein Ansatz, der aller­dings verdeutlichen kann: Da wo Men­schen den Blick unter das Schafs­­fell wagen und das System Militär mit seiner hierar­chischen Struktur, gedankenloser Befehls­aus­übung, De­individualisierung und destruktiver Logik ablehnen, muss nicht Hilflosigkeit Raum einnehmen. Die Kritik kann Nährboden sein, auf dem lebens­bejahende Alter­na­tiven sprießen.

(horst-wilfried)

 

Unter www.flughafen-natofrei.de/ gibt es Informationen und Fotos zu den Aktionen der AG „Flughafen natofrei!“.

 

(1) Bundeskongress Internationalismus im Internet unter www.buko.info/

(2) Die Black-Shamrock-Kampagne unter blackshamrock.org/

(3) www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56912

(4) SALIS steht für „Strategic Air Lift Interim Solution“

(5) NAMSA („NATO Maintenance and Supply Agency“) ist eine logistische Dienst­leistungsorganisation

(6) Erklärung der AG „Flughafen natofrei!“ und von Besuchern des BUKO30 www.flughafen-natofrei.de/Dokumente/SchkeuditzerErklaerung.pdf

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