Vorfreude auf Olympia?

Am 18. Mai 2004 entscheidet das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne, welche der neun Bewerberstädte sich offiziell um die Ausrichtung der Spiele 2012 bekämpfen dürfen. Es ist zu hoffen, dass die Stadt „der friedlichen Revolution“ das bleibt, was sie ist, ein Dorf, ein Dorf ohne Olympia.

Aus rein wirtschaftlichen Aspekten lässt sich konstatieren, dass es sich bei den Olympischen Spielen um eine sehr riskante Investition handelt. Denn ob sich der Wunsch nach Rentierung erfüllt, ist offen.

Eines der Totschlagargumente ist das der „geilen“ Arbeitsplätze. Doch dieses steht nur auf sehr dünnem Eis. Zwar ist davon auszugehen, dass vor den Spielen z.B. der Sektor der Bauwirtschaft temporären Zulauf bekommt. Jedoch ist dies einer der Bereiche, der für schlechte Arbeitsbedingungen, Dumpinglöhne und unsichere Arbeitsverhältnisse steht. Andere durch die Spiele wachsenden Wirtschaftszweige wie Tourismus und Sicherheitsdienste stehen diesem in nichts nach. Selbst die in Sachen Olympia überaus optimistische LVZ kann nicht mehr als 3500 Dauerarbeitsplätze (2005-2015) ausmachen.

Ähnliche Großereignisse wie frühere Olympische Spiele und die Expo zeigen deutlich die Infernalität (1) solcher Ereignisse. Gerade die Expoplaner und Stadtväter von Hannover können nach der Pleiteparty auf ihren immensen Schuldenberg anstoßen. Prost Birgit!

Durch die Darstellung Leipzigs als „junge, dynamische und aufstrebende Boom-Region“ des Ostens verschwinden die Probleme der Schrumpfung durch den ökonomischen Niedergang und der damit verbundenen Verelendung völlig aus dem Blickfeld.

Die mediale Wahrnehmung ist scheinbar wichtiger als der nachhaltige Erfolg. Nur so lässt sich der massive Realitäts­verlust und Größen­wahn von „Wolle“ & Co erklären. Jahrelange Miss­er­folge und Probleme der Stadt­verwaltung sind somit auf ein­mal nichtig. Bei einer Zustimmung von 104,2 % der Leipziger zu Olympia kann auch kein noch so kleiner Zweifel am Erfolg ent­stehen. Auch die geplante nachhaltige Nutzung der erforderlichen teuren Bauten ist mehr als fragwürdig.

Ob sich Olympische Spiele aus materieller Sicht für eine Stadt lohnen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren und deren Zusammenwirken ab.

Eine nicht unerhebliche Rolle spielt das mediale Erscheinungsbild vor und vor allem während der Spiele. Kommen diese gelangweilt und provinziell über die Flimmerkiste, oder ist während der Zeit der Spiele gar eine internationale Krise, so dürften kaum die zu erwartenden Touristenzahlen nach dem Event aufgehen. Dann fällt Leipzig sehr schnell wieder in seinen Dornröschenschlaf. Genauso zweifelhaft ist, ob die erhofften ausländischen Kapitalinvestitionen nach Leipzig fließen.

Bei den ständig ungeklärten Einnahmen durch Fernseh- und Übertragungsrechte lässt sich diese Finanzierung nur schwer kalkulieren. Denn ohne genug Moneten aus dem Medienrummel, rechnet sich der ganze Spaß doppelt nicht.

Zusätzlich zu all den Zuschüssen und Investitionen muss der Steuerzahler für den Olympiatraum tief in die Tasche greifen. Leipzig sammelt außerdem im Umland von 50 Kilometern Olympiageld, ein Euro pro EinwohnerIn.

Zwar könnte die Region Leipzig vorübergehend von Olympia profitieren, doch steht dieses Geld dann nicht mehr für andere Ausgaben zur Verfügung.

Die ersten Unternehmen in Leipzig wittern schon das große Geschäft. So verschickt die LWB derzeit schon einmal Mieterhöhungsbescheide an MieterInnen, die in Gebieten wohnen, in denen die Nachfrage größer wird, als das Angebot.

Durch die Sportspiele werden mit einem umfassenden Sicherheitskonzept die jetzt schon massiven Kontroll- und Überwachungsmechanismen gigantisch ausgebaut. Es ist davon auszugehen, dass einmal installierte und mit der modernsten Software ausgerüstete Kameras auch nach dem Massenevent weiter wachen dürfen. Das Beispiel der Schließung der einzigen legalen Graffitiwand in Leipzig (2) zeigt deutlich, den zu erwartenden Umgang mit nonkonformen Gesellschaftsgruppen.

So genannte „Schandflecke“ und Orte, die nicht in die Welt der sterilen Shoppingmeilenkultur passen, werden dem Image der sauberen, sicheren und Service bietenden Stadt zum Opfer fallen. Ein paar bunte, alternativ anmutende Vorzeigeprojekte zur Selbstdarstellung als Weltmetropole werden daran nichts ändern.

Linke politische Kulturprojekte, die sich auch noch die Frechheit herausnehmen, nicht dem heiligen Orakel Olympia zu huldigen, werden den Druck schon verstärkt im Vorfeld zu spüren bekommen.

Schon heute gibt die aktuelle Austragungsstadt der diesjährigen Spiele, die griechische Hauptstadt Athen, knapp anderthalb Milliarden Euro für Sicherheitsvorkehrungen aus. Dies ist mehr als die Hälfte der veranschlagten Gesamtkosten.

Aber nicht nur Zitate in der LVZ wie „Außerdem sind politische Meinungsäußerungen in der Olympiastadt verboten“ [W. Tröger, Mitglied im IOC und Ehrenpräsident des NOK] weisen in diese Richtung. Auch Kampagnen wie STATTBild, die offiziell zur Denunziation von SprayerInnen aufrufen oder die stark gestiegene Anzahl der Gefängnisinsassen in Leipzig aufgrund von Schwarzfahrern lassen so manches erahnen.

Es gilt zu zeigen, dass Olympia nicht das Allheilmittel ist. Schluss mit den olympischen Träumereien!

Heinz

(1) Inferno: schreckliches, unheilvolles Geschehen von dem viele Menschen gleich-zeitig betroffen sind.
(2) Die „Wall of Fame“ wurde am 20. Oktober 2003 vom Leipziger Bürgermeister Holger Tschense in Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis“STATTBild“ sowie mit dem OPEL-Autohaus ersatzlos geschlossen.

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