Wer ist hier der Dumme?

Man mag dem rot-roten Senat in Berlin, ob seiner asozialen Kürzungspolitik, allerhand vorwerfen. Zugute halten muss man ihm (bzw. dem verantwortlichen Senator), dass er die Intendanz des Berliner Ensembles dem neuen Eigner verweigerte. Das Theater am Schiffbauer Damm gehört nämlich seit kurzem Rolf Hochhuth. Am 13. Februar 2004 wurde dessen neues Stück „McKinsey kommt“ am Theater Brandenburg/Havel uraufgeführt (Regie: O. Munk). Und es zeugt – zumindest in gedruckter Form (dtv, Dezember 2003) – nicht vom Können Hochhuths, der sich sonst gern als „Dramatiker“ und Vertreter „engagierter Literatur“ bezeichnen läßt.

Dabei ist Hochhuth ebenso langweilig wie borniert. Seine Ansatzpunkte, ob in gesellschaftlicher oder in ökonomischer Hinsicht, sind oberflächlich. Das „Theaterstück“ um das Problem der Arbeitslosigkeit spielt im Zug, in Büros und Umkleidekabinen, Vorstandsetagen und im Gericht. Die Orte sind allerdings so belanglos wie die Figuren. Anders als das, was man gemeinhin Drama nennt, sei es tragisch oder komisch, kennt „McKinsey kommt“ keine Handlung, keinen Spannungsbogen. Die Dialoge der Figuren sind der Monolog Hochhuths – die einzige Verbindung zwischen den fünf Akten und Orten. Nirgends werden die Figuren zu Charakteren, sie sprudeln nur die gesammelten Fakten, Zeitungsschnipsel des Autors hervor … keine Stromschnellen finden sich im Erzählfluß. Hochhuth wiederholt sich unaufhörlich, versucht dies hinter schier endlos aneinander gereihten Fakten zu verstecken, die nur spärlich mit Moral verputzt, aber immer auf Skandal angelegt sind. So findet sich in dem Theaterstück nicht das, was Literatur ausmacht: der besondere Umgang mit dem Alltagsmaterial Sprache.

Nicht nur in dieser Hinsicht entbehrt es jeder Grundlage, Hochhuths Namen mit Dichtern wie Miller, Shakespeare und Goethe, mit Philosophen wie Hegel und Voltaire zu assoziieren wie Verlag und Autor selbst es tun. Wenn über einen Artikel in der Basler Zeitung auch die Forderung nach Demokratie nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft, ins Stück kommt – sie steht allein. Hochhuth konzentriert sich auf den Arbeitsplatz, das „Recht auf Arbeit“. Nur darum dreht es sich in den Wortwechseln der Figuren: Wenn sie denn zwischen den Regieanweisungen zu Wort kommen und von Zeiten schwärmen, als „die Geldsäcke noch Schiß“ hatten, und schlussfolgern, man müsse mal ‘nen „Molli schmeißen“. Wenn der Autor pausiert von seiner nationalen Elendsklage über: die vielen „Musikkonsumenten“ und die wenigen Leser; über das Schweizer Bekenntnis zum „Heimatidiom“, „wie kein Deutscher das wagte“; über den „für uns Deutsche“ leider unmöglichen „Nationalstolz“, seit „die Engländer 1945 die Nazi-Schinderhütte Bergen-Belsen […] fotografiert haben“; und über „feindliche Übernahmen … wenn Ausländer einheimische Arbeitsplätze killen“. „Im Affekt wird jeder Mensch rassistisch,“ meint Hochhuth, und beklagt bitter die moderne „Treulosigkeit des Herrn gegen den Knecht.“

Nach derart national-sozialistischer Weinerlichkeit verwundert es kaum, dass Hochhuth im Interview (mdr, Kulturcafé, 22.2.) betont: „die Dinge müssen geregelt sein, sonst gibt es eine Revolution.“ Der Präsident des Bundes der Deutschen Industrie, Rogowski, zeiht ihn also zu Unrecht des „Klassenkampf[es]“. Was ist es schon im Vergleich, einen der „Geldsäcke … platt[zu]machen“, wenn es gilt sich gegenseitig Hilfe zu leisten und gleich und frei miteinander umzugehen, weder Knecht noch Meister sein! Was bringt es, in „Banken und Konzerne“ einen „Molli [zu] schmeißen“, statt zu streiken: statt was die „Hydra“ braucht, ihr zu verweigern? Aber Hochhuth – der nach eigenem Bekunden „von Haus aus gar nicht sozialrevolutionär“ (1) ist, und es also auch in dem Stück „McKinsey kommt“ nicht wird – ist nicht am Problem interessiert, nicht an dessen Lösung, sondern nur am Thema. So geht er denn, mitsamt Nationalismus und Chauvinismus, Bismarck und 1000 deutschen Jahren und sozial verbrämten Antiamerikanismus im seichten Wasser eines in der Verfassung garantierten „Recht[s] auf Arbeit“ vor Anker. Absurd geradezu, und zynisch, seine Argumentation, wenn der Staat Erwerbslose schon jetzt finanziell aushalte, solle er ihnen doch gleich ‘ne Arbeit verpassen. Da ist sich der Autor mit Schröder, den er als „Jenosse der Bosse“ bloßzustellen sucht, einig: „jede Arbeit ist besser als keine“.

Nochmal Brecht studieren, Herr Hochhuth; „das Volk ist nicht dümmlich“!

A.E.

(1) www.3sat.de/kulturzeit/themen/62389/

Rezension

Schreibe einen Kommentar