Worten folgen Taten

Ganz was neues!

Am 18.09.02 beschloss der Leipziger Stadtrat die Ergänzung der Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung. Darin heißt es nun, daß "Jedes Anbringen von Beschriftungen […] oder Plakaten, die weder eine Ankündigung noch eine Anpreisung oder einen Hinweis auf Gewerbe oder Beruf zum Inhalt haben" (Leipziger Amtsblatt, 05.10.02) verboten ist.

Damit ist also von vorneherein schon mal jeder in den illegalen Raum gedrängt, der den öffentlichen Raum zur öffentlichen Kommunikation nutzen will. "Das Verbot gilt nicht für das Beschriften […] bzw. das Plakatieren auf den dafür zugelassenen Plakatträgern […]." der zweite Satz sagt im Grunde auch nicht bedeutend mehr aus, als der erste: wer zahlt, oder von anderen Geld will, darf plakatieren, "Nicht(ver)käufer" werden bestraft. Diese wenigen Zeilen machen eines deutlich: es genügt heute nicht mehr nur Einwohner dieses Landes zu sein, damit mensch sein sog. Bürgerrecht der Meinungsfreiheit auch öffentlich wahrnehmen kann, sondern mensch muß schon Konsument/Verkäufer sein und: mensch ist nicht unbedingt auf das noch nicht ratifizierte GATS (Allgemeines Abkommen über Handel und Dienstleistungen) angewiesen, um wirtschaftliches Engagement gegenüber sozialem, politischem oder künstlerischem zu privilegieren.

Die direkten Folgen daraus: 1) die teils sexistischen Papierfetzen eines "Getränkemarktes" können weiterhin legal "wild plakatiert" werden, da sie einen "Hinweis auf Gewerbe" beinhalten; 2) wer nicht eine Geldstrafe zwischen 5 und 1.000 Euro riskieren will, soll wohl auf Werbetafeln und Litfaßsäulen plakatieren … und begeht eine Sachbeschädigung. Aber der Gesetzgeber – hier der Stadtrat – läßt ja keine Wahl, die war nämlich am 22. September. Hier zeigt sich eine schon bekannte Systematik: die Verordnung richtet sich zwar nicht explizit gegen politisches Engagement an sich (das widerspräche ja dem GG ;), untersagt aber die de facto einzige Möglichkeit öffentlicher Kommunikation. Denn wer kann und will – in dieser Richtung aktiv – das Geld aufbringen, sich einen Platz im öffentlichen Raum zu erkaufen? Vielleicht sollte mensch sich auf die Suche nach Sponsoren machen … Ganz einfach also ist es, progressive politische Aktivität und nonkonformen Ausdruck zu kriminalisieren. Und dafür stehen auch in Zeiten, da "alle" den Gürtel enger schnallen müßten, glatt 70.000 Euro zu Verfügung.

A.E.

Lokales

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