Vom 20.-25. Januar 2007 trafen sich in Nairobi, Kenia, circa 50.000 (1) GlobalisierungskritikerInnen und GraswurzelaktivistInnen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Hilfswerke, kirchliche Vereinigungen und Stiftungen aus allen Kontinenten unter dem Motto: „Eine gerechtere Welt ist möglich“ zum siebten Weltsozialforum (WSF). Der Gipfel sollte vor allem den sozialen Bewegungen Afrikas die Gelegenheit bieten, auf ihre Kämpfe aufmerksam zu machen. Auf über 1.200 Workshops, Seminaren und Kundgebungen wurden Themen wie Hunger, Aids, die Schuldenproblematik der Entwicklungsländer und gewaltsame Konflikte behandelt.
Eröffnet wurde das Forum von mehreren bunten Demonstrationen, die zur Auftaktveranstaltung zogen. Eine startete am Rande des Mega-Slums Kibera, ein weiterer ökumenischer Zug vereinte verschiedene kirchliche Organisationen und Hilfswerke. Es sprachen AktivistInnen sozialer Bewegungen aus dem Nahen Osten, aus Afrika, Lateinamerika, Asien und Europa sowie der ehemalige Präsident von Sambia, Kenneth Kaunda, die mehrmals an die UnabhängigkeitskämpferInnen gegen 500 Jahre (Neu)-Kolonialismus erinnerten.
Viel Raum nahmen Themen wie EPAs („bilaterale wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen“), Landverteilung, der Kampf gegen die Obdachlosigkeit und Migration ein.
Das Weltsozialforum entstand 2001 als Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, welches den Triumph des neoliberalen Kapitalismus festschreiben will. Das WSF steht in der Nachfolge der Proteste in Seattle 1999 gegen das Treffen der Welthandelsorganisation (WTO), das daraufhin abgebrochen werden musste. Die Konzeption des WSF als „Anti-Davos“ sollte dafür sorgen, den KritikerInnen der Zumutungen der ökonomischen Weltordnung eine deutlich vernehmbare Stimme zu verleihen. Der Umfang des Treffens hat seit 2001 beständig zugenommen. Anders als reine Protestveranstaltungen sind diese Treffen auf konstruktiven Protest, Selbstermächtigung und die solidarische Vernetzung der Kämpfe der Armen ausgerichtet.
Doch solche Erwartungen wurden dieses Jahr im Kasarani Moi International Sports Centre, einem großen Fußballstadion, das für das WSF gemietet worden war, enttäuscht: Die größten Schlagzeilen machte der Protest der Armen aus dem nahe gelegenen (Mega-Slum) Kibera, die die Umzäunung des Stadions durchbrachen und niedrigere Eintritts- und Verpflegungspreise forderten.
Aus Protest gegen die Kommerzialisierung (die Handy-Firma Celtel trat überall sichtbar als Hauptsponsor auf und übernahm die Registrierung der TeilnehmerInnen) und die hohen Kosten, die den TeilnehmerInnen entstanden und für viele unbezahlbar waren, bildete sich in einem Park in der Nähe des Stadtzentrums ein Peoples’ Parliament. Hier diskutierten SlumbewohnerInnen, Studierende, Erwerbslose, und Beschäftigte verschiedenster Herkunft miteinander. Auf einer der Versammlungen wurde eine Delegation gewählt, die mit der Organisationsleitung des WSF die strittigen Punkte verhandeln sollte. Da jene sich aber uneinsichtig zeigte, wurden am nächsten Morgen die Einlässe kurzzeitig gestürmt, wodurch etwa 200 Personen kostenlos Zutritt erhielten. Ein erneutes Treffen mit dem Organisationsleiter, Professor Oyugi endete ergebnislos und am anderen Tag wurde die nochmalige Besetzung der Einlässe durch Polizei- und Armeeeinheiten vereitelt. In Reaktion darauf blockierten Einige die Hauptzufahrtsstraße, bis die Tore nach rund 30 Minuten wieder geöffnet wurden. Ein Protestzug begab sich anschließend zum Organisationskomitee, um eine dauerhafte Lösung, kostenloses Wasser und günstigeres Essen durchzusetzen. Dies gelang teilweise, nachdem eine Pressekonferenz gestürmt worden war und die KenianerInnen freien Zugang zu den Diskussionen und Workshops erhielten. Als dann eine bekannte Tageszeitung meldete, dass dem unbeliebten kenianischen Minister für innere Sicherheit das teuerste Restaurant der Stadt gehört (noch dazu das einzig zentral gelegene auf dem WSF), wurde erneut eine Demonstration organisiert. Die Protestierenden besetzten anschließend das Hotel und verteilten reihenweise kostenloses Essen an Kinder.
Bemängelt wurden neben der Kommerzialisierung auch die mangelnde Thematisierung des Klimawandels und des rasanten Wirtschaftswachstums von Staaten wie China, Indien und der Türkei.
An der Frage, ob Frauen ausreichend Raum auf dem Treffen in Nairobi eingeräumt wurde, schieden sich die Geister: So sprechen (z.B. Organisationen wie WEED und attac) von einem sehr erfolgreichen Treffen und sind der Ansicht, dass die Fraueninitiativen besonders erfolgreich dabei gewesen seien „Gender-Themen mit den übrigen Schwerpunkten des Treffens in Nairobi zu verbinden und hierfür Gehör zu finden.“ (2) Andere sahen eine massive Unterrepräsentanz von Frauen, sowohl unter den TeilnehmerInnen als auch unter den Vorbereitenden. Der Prozess der Konferenz wird als männlich dominiert und zentralisiert beschrieben, was die Bevölkerungsstruktur in Kenia widerspiegele. Insgesamt seien Frauenbelange innerhalb der Tagung, wie auch in Ostafrika allgemein am Rande geblieben.
Hoffnung in der „Frauenfrage“ weckt das zunehmende Bewußtsein der TeilnehmerInnen der Veranstaltung bezüglich dieser Problematik. In den vergangenen Jahren bildeten sich vor allem dank emanzipierter Frauen Sozialforen in Uganda, Tansania, Kenia, Äthiopien und Somalia. Auch innerhalb des diesjährigen Treffens musste mann sich hin und wieder Fragen gefallen lassen, wobei es durchaus Männer gibt, die die Notwendigkeit des gemeinsamen gleichberechtigten Kampfes erkennen. (3)
Positiv hervorgehoben wurde von mehreren TeilnehmerInnen trotz aller Kritik vor allem die Funktion des WSF als „Marktplatz“ für Erfahrungsaustausch und Vernetzung. Wer wollte, konnte seine Kontakte international erweitern und ausbauen. Dies gelang insbesondere den Netzwerken gegen Wasserprivatisierung, Krieg und Militärbasen.
Die künftige Herausforderung für das Weltsozialforum wird es sein, seinen Platz in der Realität zu finden, sich klar zur Klasse der Armen und Arbeitenden zu positionieren und dabei die chaotische Verschiedenheit der Debatten zu bündeln und zu koordinieren.
In kompakter Form liest sich dies in der Charta des WSF so: „Das Weltsozialforum ist ein Prozess, der seine Teilnehmerorganisationen und -bewegungen anregt, ihre Tätigkeiten in die Zusammenhänge von lokalen bis nationalen Ebenen hinein zu stellen, und aktive Teilnahme im internationalen Kontext zu suchen, als Anliegen einer planetarischen Staatsbürgerschaft, und in die globale Agenda ihre Veränderung hervorbringenden Praktiken, mit denen sie experimentieren, eine neue Welt in Solidarität aufzubauen, einzubringen.“ (4)
hana
* „The World Social Forum is about three things (…) about protesting, networking and ptroposing“. www.weltsozialforum.org/2007/2007.wsf.1/2007.wsf.meldungen/news.wsf.2007.163/
(1) Die Quellen nennen Teilnehmerzahlen zwischen 20 -50.000.
(2) Frank Kürschner-Pelkmann, WEED, www.weltsozialforum.org/2007/2007.wsf.1/2007.wsf.meldungen/news.wsf.2007.197/
(3) www.germany.indymedia.org/2007/01/166550.shtml
(4) www.weltsozialforum.org/prinzipien/index.html
Quellen:
www.taz.de/pt/2007/01/20/a0191.1/text, www.germany.indymedia.org/2007/01/166550.shtml
www.weltsozialforum.org/2007/2007.wsf.1/2007.wsf.meldungen/index.html?Partition=1
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