Sinnstiftende Personal-Service-Agenturen

Neuen Schwung am Arbeitsmarkt sollen Personal-Service-Agenturen (PSA) bringen. Nach dem Willen der Hartz-Kommission sollen Arbeitslose, die sechs Monate arbeitslos sind, durch die neuen Agenturen als Zeitpersonal in Betriebe (zwangs)vermittelt werden. Die Argenturen stellen dann die Arbeitslosen ungefragt ein und verleihen sie an interessierte Unternehmen für einen verhandelbaren Lohn.

Die Entliehenen bekommen anfangs „Lohn“ in Höhe des Arbeitslosengeldes und später Niedriglohn. Unternehmer können „Mitarbeiter“ auch auf Probe entleihen, und sind in keiner Weise ihren Mitarbeitern verantwortlich, da der Arbeitsvertrag ja mit der PSA abgeschlossen wurde. Bis Mitte 2003 soll es in jedem Arbeitsamtsbezirk mindestens eine Agentur geben, wobei es nur dort staatliche Personal-Service-Agenturen geben wird, wo sich keine privaten Leiharbeitsfirmen wie randstad oder adecco finden lassen.

Die Folgen dieser Erfindung für Erwerbslose zeigen sich schon jetzt in Frankfurt. Im Arbeitsamt Fischerfeldstraße in Frankfurt gibt es bereits so etwas Ähnliches wie eine Personal-Service-Agentur. Doch sie ist noch recht schüchtern: Wer zur Agentur will, muss danach suchen, Hinweise dazu gibt es nicht. Nur ausgewählte Arbeitslose „dürfen“ zur PSA. Offenbar will das Arbeitsamt die Kontrolle darüber ausüben, wer zur Agentur kommt. Am liebsten Erwerbslose mit guten Vermittlungschancen. Nur so wird die Agentur zur Erfolgsstory. Wie simpel die Sache sich reell gestaltet, erklärt Sabine Schultheiss, Arbeitsamt Frankfurt: „Diesem Personenkreis biete ich bzw. meine Kollegen in der Vermittlung dieses Projekt ‚vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung‘ an und stelle den Kontakt zu dem Träger her, indem ich einfach die Leute mittels eines Formschreibens zuweise und auch noch persönlich im Regelfall Kontakt mit dem Träger, der Firma Consult aufnehme.“

Fassen wir mal zusammen: Das Arbeitsamt schickt ausgesuchte Bewerber zu einem Personaldienstleister, der eine Personal-Service-Agentur betreibt. Der stellt die Arbeitslosen ein, statt Arbeitslosengeld bekommen sie etwas Geld – in diesem Jahr noch nach den Zeitarbeit-Tarifen. Der Personaldienstleister verleiht sie dann an Betriebe weiter.

Consult ist einer der Personaldienstleister, der Arbeitslose einstellt. Und zwar für eine „Kopfgeld-Prämie“ vom Arbeitsamt. Mehrere Hundert Euro pro Monat, Geld, das die Arbeitsämter aus ihrem Weiterbildungstopf abzweigen.

Für die Arbeitsverwaltung ist klar: Das wirtschaftliche Risiko, ob die Entleihe funktioniert oder nicht, sprich ob der Verliehene (nun nicht mehr Arbeiter, sondern Produktionsmittel) einen Job findet, trägt der Personaldienstleister. Der entliehene Mensch ähnelt einer Maschine, die (wenn sie funktioniert) Arbeit hat und falls nicht „repariert“ werden muss. Dazu W. Schickler, Landesarbeitsamt Hessen: „Sie sehen, wenn er in seiner PSA häufiger verliehen wird als der Kalkulation zu Grunde liegt, dann macht er ein Defizit. Das wird zu erheblichen Aktivitäten innerhalb der PSA führen. Denn wir sind der Auffassung, das jede PSA ein wirtschaftliches Risiko tragen muss.“

Als Beschäftigte der Service-Agenturen fallen die Erwerbslosen zwar aus der Arbeitslosen-Statistik raus, stehen aber, da auch Personal-Service-Agenturen nur begrenzt Jobs aus der Tasche zaubern können, mitunter ohne Job da. Die Beschäftigungschancen sind im sog. Niedriglohnsektor (wen wunderes) am größten. Hiermit ist gesagt, worum es geht: Die die Statistik beschmutzenden Arbeitslosen sollen mit irgendwas beschäftigt werden, möglichst wenig bezahlt werden und so davon abgehalten werden ein „Sicherheitsrisiko“ zu werden. Doch die Rechnung ist schief . Die „arbeitenden Erwerbslosen“, die beträchtlich mehr sein dürften, als die jetzigen offiziellen vier Millionen ohne Lohnarbeit, sind als Entliehene zwar beschäftigt, aber zufriedengestellt? Vera Reimann, Consult GmbH: „Acht Euro bekommen die Menschen dann, wenn sie einen Arbeitseinsatz haben. Wenn sie nicht arbeiten, liegt es auch darunter.“

Peter Haller, All-Service GmbH: „Unser Problem ist eigentlich, dass wir im Niedriglohnsektor tätig sind. Wir haben also extrem niedrige Löhne, so dass die Eintrittshemmnisse für die Bewerber also doch sehr hoch sind.“ Doch das Hartz-Konzept macht den Weg frei „zum Arbeitsmarkt, insbesondere in diesen Niedriglohnsektor rein.“

Wer das Job-Angebot der Service-Agentur ablehnt, riskiert Sperrzeiten. Wilhelm Schickler, Landesarbeitsamt Hessen: „Wer unberechtigt eine Arbeit nicht antritt oder eine Arbeit beendet, der hat die gesetzlichen Sanktionen zu befürchten, das heißt: Einschränkungen beim Arbeitslosengeld.“ (1) Wer dann auch noch undankbarer Weise einen Job ablehnt, muss beweisen, dass er dazu berechtigt war. Damit wird das generell gesetzlich geltende Prinzip der Unschuldsvermutung umgekehrt. Die Beweislast liegt beim Angeklagten.

Trotz aller Vorschusslorbeeren für die PSA wurden bisher etwa die Hälfte der Arbeitslosen, die Consult angeboten hatte, wieder zurückgeschickt. Sie sind zum Teil dann wieder beim Arbeitsamt und damit auch in der Statistik gelandet. Und dennoch meint Wilhelm Schickler vom Landesarbeitsamt Hessen unerschütterlich: „Es wird kein Flopp, es wird ein Erfolg. Ich glaube, wir werden in diesem Jahr mindestens 50.000 Arbeitslose integrieren.“

Desertieren – Sabotieren – Boykottieren statt funktionieren!

hannah r.

(1) Dieses Reglement erinnert an den Arbeitsdienst zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise 1929 ff.

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