„Ich denke, Menschen sind eher dafür gemacht in Gemeinschaft zu leben, als alleine.“
Immer mehr Menschen träumen von einem Leben in Gemeinschaft mit gegenseitiger solidarischer Unterstützung. Einige davon leben diesen Traum, bspw. in Haus- oder Kommuneprojekten. Allerdings hat selbst dort die gegenseitige Hilfe oftmals ihre Grenzen im finanziellen Bereich – nur wenige betreiben auch gemeinsame Einkommens- und Vermögensökonomie. Ein Leipziger Beispiel dafür ist die Luftschlosserei, eine Kommune die zwar noch keinen gemeinsamen Hof besitzt, dennoch seit März 2014 gemeinsam wirtschaftet und ihre gesamten Einnahmen solidarisch miteinander teilt. Aktuell besteht sie aus sieben Kommunard_innen, die zum Teil in einer WG zusammenleben. Welche Erfahrungen sie bisher mit gemeinsamer Ökonomie gemacht haben und wie sie mit dem Spannungsfeld von individuellen Bedürfnissen und Gruppenverantwortung umgehen, ist Gegenstand des folgenden Interviews mit zwei der Kommunard_innen.
FA!: Ihr teilt euer Einkommen, wie funktioniert das in der Praxis?
A: Also einige von uns verdienen Geld, das landet erst mal auf den Konten von den Leuten und wir haben eine gemeinsame Kasse im Haushalt, wo man sich Geld rausnehmen kann. Wir führen darüber Buch: Wieviel hab ich mir rausgenommen und was hab ich verdient diesen Monat und was ist so von Konten abgegangen? Wir versuchen uns einmal im Monat gemeinsam einen Überblick zu verschaffen und fangen jetzt auch an, uns monatlich zusammenzusetzen, um über unsere finanzielle Situation zu sprechen und zu gucken, wo wir Prioritäten setzen müssen. Es gibt bei uns Leute, die weniger arbeiten aber dafür ihre Arbeitszeit der Gruppe zur Verfügung stellen, weil wir gerade dadurch, dass wir einen Hof kaufen wollen, ganz viel Organisationsarbeit haben. Eine Person haben wir dafür sogar freigestellt, d.h. sie muss nicht mehr lohnarbeiten gehen. Das bin ich. Und parallel unterstützen wir mit unserer Arbeitskraft auch noch das KGB-Getränkekollektiv (1).
Wir haben uns quasi noch mal ein soziales Sicherungsnetz geschaffen, was nicht auf die soziale Sicherung Hartz4 angewiesen ist. Das muss dir aber auch erst mal bewusst sein. Diese Existenzangst ist ja nicht einfach weg, du musst dir immer wieder selbst sagen: Es gibt diese Gruppe und wir stehen füreinander finanziell ein im Alltag und du fällst nicht ins Bodenlose, wenn jetzt mal ein Auftrag wegbricht als Freiberufler. Oder bei einem der befristete Job zu Ende geht.
FA!: Plant ihr die Gesamtarbeitszeiten für Gruppe und Lohnarbeit oder funktioniert das eher spontan und organisch?
A: Wir rechnen die Arbeitsstunden nicht gegeneinander auf, sondern gucken, wie sich jeder wohlfühlt mit den Vereinbarungen, die getroffen wurden. In letzter Zeit hatten wir einige längere Treffen, die sich aber spontan aus der aktuellen Situation heraus ergeben haben, als sich die berufliche Situation geändert hat. Da haben wir auch die Entscheidung getroffen zu sagen: Du machst jetzt mehr Arbeit für die Gruppe und versuchst jetzt nicht noch, dir einen neuen Job zu suchen. In Zukunft wollen wir das verstetigen, uns 1x im Monat zusammenzusetzen. Wir haben ja auch Leute in der Gruppe, die in Ausbildung sind, die weder groß Geld einbringen, noch Kapazitäten haben, viel nebenbei zu machen. Und es gibt eine Person, die jetzt vor einer beruflichen Umbruchphase steht und überlegt, eine Ausbildung anzufangen. Das ist sehr stark mit den Zielen der Gruppe verknüpft, so dass wir sagen: Du kannst noch eine Lehre als Elektriker machen, das können wir später mal auf dem Hof sehr gut gebrauchen.
Auf jeden Fall stehen wir noch am Anfang und sind eine sehr kleine Gruppe, was finanziell aktuell herausfordernd ist. Wir versuchen gerade krampfhaft 10% dessen, was wir einnehmen, zu sparen, um den Hofkauf zu ermöglichen. Das ist schwierig im Vergleich zu anderen Kommunen, die es schon länger gibt und die auch Gelder für sechs Monate vorrätig haben. Die wirft so schnell nichts aus der Bahn.
FA!: Kann sich jeder aus eurer Kasse so viel rausnehmen, wie er oder sie will, oder gibt es da finanzielle Grenzen, wo die Gruppe gefragt werden muss?
A: Erstmal kannst du dir nach Selbsteinschätzung Geld rausnehmen und gibst einen allgemeinen Zweck an, wofür es ausgegeben wird, z.B. Lebensmittel oder Mobilität oder Kultur. So, dass wir uns einen Überblick verschaffen können, für was wir Geld ausgeben. Da sehen wir aktuell, dass über die Hälfte für diese klassischen Sachen wie Miete, Strom, GEZ, Krankenkassenbeiträge rausgeht. Und vom anderen Teil geht mindestens die Hälfte für Lebensmittel drauf und der Rest für kleinere Sachen. Und wenn du jetzt eine Einzelausgabe machen willst, also für eine einzelne Sache, die über 150 € kostet, dann haben wir die Regel, dass du das 7 Tage vorher ankündigst, so dass die anderen dich in der Zeit darauf ansprechen können. Da geht es nicht darum, das zu verbieten, sondern in Dialog zu treten. Also wenn du dir jetzt z.B. überlegst, ein Fahrrad zu kaufen, kann man dann überlegen: Hat noch wer ein Fahrrad, was er gerade nicht braucht, oder kennt jemand jemanden, der das preisgünstiger hat. Oder kann man gleich eine größere Gruppenlösung finden, wie z.B. eine Monatskarte. Haben wir relativ selten, diese Einzelausgaben über 150 €. Aber wenn es dann vorkommt, sprechen wir es gemeinsam ab.
Unser Konzept, was wir uns damals erarbeitet haben, haben wir auch nicht einfach übernommen, sondern selbst geschaffen, haben uns die Regeln von anderen angeguckt und überdacht.
FA!: Und habt ihr ein Veto-Recht, also wenn jemand beharrt und sagt: Nee ich möchte aber dieses eine Mountainbike für 500 € und da lass ich mich jetzt nicht abbringen?
A: Jein. Also natürlich kann die Gruppe eine Entscheidung treffen und sagen: das können wir jetzt so nicht machen. Das ist aber bei uns kein Veto, sondern wir haben ein Konsens-System ohne Veto. Wir versuchen eher festzustellen, welcher Vorschlag den größtmöglichen Zustimmungsgrad in der Gruppe hat. Und das kann auch ein Vorschlag sein, der bedeutet, diese Ausgabe nicht zu machen. Ist ein bisschen differenzierter, als ein einzelnes Veto.
FA!: Ich nehme mal an, das Reden über Geld nimmt viel Raum bei euch aufgrund des Konzepts ein, oder? Wie empfindet ihr das?
A: Ja und Nein. Ich kann jetzt auch nicht sagen, ob es mehr ist, als normalerweise. Also diese Debatten um die Idee der gemeinsamen Ökonomie, die führen wir natürlich regelmäßig. Was vielleicht so zentrale Erkenntnisse für mich sind, ist, dass es oft weniger die Auseinandersetzung ist: Bringst du genug Geld ein oder nicht, sondern eher diese: Sehe ich insgesamt, wenn ich alles zusammenrechne, deinen Beitrag gleichwertig mit meinem Beitrag? Das kann auch anderes sein, Arbeit im Haushalt oder so. Und was hast du überhaupt für einen Anspruch, wie viel Arbeit du am Tag erledigst? Wo wir auch sehr viele Debatten geführt haben, ist die Situation, dauerhaft eher Nehmer oder Geber zu sein. Es ist beides nicht leicht. Wir machen ja auch regelmäßig bei unserem Treffen Sozialplenum und da war das schon oft Thema. Wenn du dauerhaft in dieser Nehmerrolle bist, fühlen sich die Leute oft schlecht und trauen sich nicht mehr, etwas rauszunehmen, obwohl das ja eigentlich keine Rolle spielen soll. Und andersherum, derjenige der mehr reingibt, muss auch lernen, dass dieses eine dauerhafte Geberrolle ist, die jetzt nicht irgendwas Gönnerhaftes hat oder eine besondere Position bringt, sondern einfach normal ist irgendwann. Ich hab dann nicht mehr zu sagen oder mir steht dann kein größeres Stück Pizza zu oder so was. Davon wegzukommen, ist schon nicht einfach.
Als ich eingestiegen bin in die Gruppe, war ich z.B. in einer guten Geberposition – bis mein guter Auftrag zu Ende war. Mir fällt das auch nicht leicht vom Selbstbild her, nicht in so einer gönnerhaften Geberposition zu sein. Und manchen fällt das ganz schwer jetzt in einer Ausbildung zu sein und auf lange Sicht auf die Gruppe angewiesen zu sein. Damit musst du dich dann auseinandersetzen. Aber durch unsere Gespräche ist viel geklärt und jeder weiß, wo der andere steht. Wenn keine Hirngespinste mehr da sind, es könnte jetzt jemand Neid haben oder komisch finden, z.B. dass ich jetzt nicht mehr extern, sondern für die Gruppe arbeite, dann stellt sich auch ein ganz großes Gefühl von Freiheit ein. Denn ich mache was Sinnvolles, ohne mir um Essen und Wohnen Gedanken machen zu müssen. Aber man muss es sich halt immer wieder sagen, es ist nichts, was sich von alleine so anfühlt. Und es hat sich erst eingestellt, als es mit der Gruppe besprochen war.
B: Das eigentliche Ziel der gemeinsamen Ökonomie ist ja, dass das Thema Geld möglichst weniger Stellenwert im Leben bekommt. Das ist der Grund, warum ich das mache. So dass diese Determination der eigenen Persönlichkeit durch Geld aufhört, diese Ungleichheit, die von Geburt mitgegeben wird. Zur Zeit sind wir noch an einem Schritt, wo wir uns eher ein bisschen mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen, als es mir lieb ist. Hoffentlich nur vorübergehend. Und es soll ja nicht dauerhaft aufgerechnet werden, wie viel Geld oder Zeit man in das Projekt steckt oder wie viel man im Haushalt hilft. Auch andere Sachen sollen eine Rolle spielen, z.B. wie viel man die Gemeinschaft bereichert, wie viel Lebensfreude man reingibt. Da gibt es auch viele gar nicht so berechenbare Sachen. Das wäre auch so ein Ideal.
A: Das ist auch interessant, auch ein Spannungsfeld: Für den einen ist die monatliche Abrechnung ein Mehr an Bürokratie zu dem, was wir vorher gelebt haben. Und für andere ist die Beschäftigung mit dem eigenen Konsumverhalten ganz neu und ein Erkenntnisgewinn, der Spaß machen kann.
FA!: Was hat denn dieses eine Jahr Erfahrung mit gemeinsamer Ökonomie mit euch gemacht, in eurem persönlichen Umgang mit Geld? Hat sich da im Lebensstil und im Bewusstsein was verändert?
A: Es gibt zum einen ganz schöne Erfahrungen, z.B. war es am Anfang für uns immer wieder ganz spannend zu entdecken, dass es egal ist, wer was bezahlt wenn du in der Gruppe unterwegs bist. Dann gibt es so einige Themen, mit denen wir sonst anders umgehen würden z.B. sorgfältiger Umgang mit Sachen. Also wenn ich jetzt bei dir zu Besuch bin und deine Stereoanlage runterschmeiße, dann wirst du sagen: Bezahl mir das. Wenn jetzt aber jemand von uns die Lieblingsstereoanlage runterschmeißt, dann zahlen wir das alle. Und das macht schon eine andere Verantwortlichkeit, wenn es diesen individuellen Sanktionsmechanismus nicht gibt.
An einem Nachmittag haben wir mal eine Frage bearbeitet: Wie kann ich es ertragen, dass andere Leute Geld für Scheiß ausgeben? Und da geht es um ganz kleine Sachen. Also wenn du abends zum Späti gehst und dir für 1,80€ eine Limo holst. Wenn ein Teil der Gruppe sich jeden Abend 3-4 Limos holt, dann ist das ein ganz schöner Posten. Und dann zu gucken: Ist diese Limo wirklich wichtig? Für andere ist das totaler Scheiß. Da war eben festzustellen: du kannst da kein Maßband anlegen, was gut und was schlecht ist. Aber du bist schon selber stärker am Überlegen,: Ist das jetzt sinnvoll, brauch ich das? Bis hin, dass manche Anschaffungen auch nachhaltiger sind.
Eine andere Sache ist, dass wir zwischendurch auch einen harten Ausstieg hatten, mit jemandem, wo wir dachten, auch eine gute Freundschaft zu haben. Diese Person war nicht bereit, Transparenz über ihre Zahlen herzustellen und hat auch falsche Angaben gemacht. Das war schon ziemlich hart und auch nicht reibungsfrei.
B: Dass die Anfangszeit sehr schön war, mit dem sich gegenseitig einladen, da kann ich beipflichten. Und diese Haltung, anderen bei Engpässen weiterzuhelfen, hat sich weitergetragen und verstärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Schwierig ist aber, dass man eben nicht mehr für sich selber was sparen kann. Neben Kommune gibt es vielleicht noch ein paar andere Ziele, die man so im Leben hat, vielleicht Auslandsaufenthalte machen oder beruflich weiterkommen oder was anderes. Und das ist gerade jetzt in dieser Zeit, wo der Hof gekauft werden soll, schwierig mit den Gemeinschaftsinteressen zu vereinbaren.
FA!: Heißt das du steckst dann deine persönlichen Ziele für die gemeinsamen Ziele zurück? Oder wie gehst du damit um?
B: Ich glaube es kommt drauf an, an welchem Punkt man im Leben steht. Und wie wichtig es einem gerade ist, diesen Hof zu kaufen. Ich persönlich möchte gerade die persönliche Seite nicht zu kurz kommen lassen, weil da so viele Fragezeichen sind, die für mich geklärt werden müssen, unabhängig von der Tatsache, dass ich in einer Kommune leben will. Da stehen noch ein paar andere Sachen im Leben an. Denn irgendwie habe ich mich selbst in den letzten Jahren voller WG-Leben völlig vergessen und gar nicht gecheckt, wie sehr ich andere Stränge, wie z.B. meine berufliche Selbstfindung komplett schleifen gelassen habe.
FA!: Und wie gehst du oder ihr als Gruppe damit um, in dem Spannungsfeld zwischen individuellen Zielen, Plänen und Wünschen und der Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber?
B: Zur Zeit ist es eben so, dass ich eine Pause mache von der gemeinsamen Ökonomie, weil ein paar persönliche Sachen jetzt Priorität bei mir haben. Danach entscheide ich, ob ich wieder einsteige. Aber das ist jetzt eine individuelle Lösung, da gibt es sicher auch noch eine ganze Palette an anderen Sachen, die man machen kann.
A: Ich denke, dass in der Gründungsgeneration in der Kommune, wo der Hof noch nicht da ist, von uns sehr viel abverlangt wird, Zeit oder Geld in die Gruppe zu stecken, und da wenig Ressourcen für andere Sachen sind. Solche individuellen Geschichten, wie ein Jahr ins Ausland gehen und Geld dafür zurücklegen, ist dann schon schwierig. Natürlich müssen wir da auch gucken, ist das für uns stimmig, was wir auch machen.
Speziell bei B war das finanziell ziemlich herausfordernd. Wir haben dann gemeinsam beschlossen, dass es einfacher ist, wenn B erst einmal aus der gemeinsamen Ökonomie aussteigt. Unsere Lösung ist aber aus meiner Sicht sehr am Solidargedanken orientiert, weil wir gesagt haben: Du steigst jetzt sofort aus dieser gemeinsamen Ökonomie aus, aber wir bezahlen dir noch für drei Monate das Zimmer in der Wohnung und die Verpflegung, wenn du hier mit isst. So dass du diese Auszeit hast, aber wir besser rechnen können als Gruppe.
Es ist schon so, dass wir durch die gemeinsame Ökonomie eine Einstehensgemeinschaft sind. Und ich kann jetzt nicht einfach sagen: Ich nehm mich zurück und arbeite mal ein Jahr nicht. Denn andere Leute haben dann die Konsequenzen zu tragen. Verantwortung bedeutet halt schon, dass du immer dran denkst, dass der andere mit dranhängt. Für mich fühlt sich das relativ selbstverständlich an, deswegen will ich in einer Kommune sein, weil mir das guttut und ich das gern mache. Und für Andere ist das was, wo sie sagen: Das würde ich nur in einer Beziehung mit Kind geben, oder wo ich mich jetzt noch nicht so weit fühle.
B: Ich bin da wahrscheinlich eher in der anderen Position, und würde sagen, dass es leichter ist, das in einer überschaubareren Beziehung zu machen, also in einer Partnerschaft mit Kind oder so. Wenn man selber noch auf der Suche ist, was man eigentlich im Leben will und dann aber Leute hat, die auf einen angewiesen sind, obwohl man selbst noch gar nicht seinen Platz endgültig gefunden hat, ist es natürlich schwierig. Insofern verlangt es von allen ab, dass sie irgendwie wissen, wo sie hinwollen.
Und grundsätzlich ist es schwierig, wenn jemand mit besonderen Bedürfnissen in der Gemeinschaft ist und vielleicht angeschlagen ist und man viel geben muss. Denn gleichzeitig hat man ja selbst auch ganz viele Ideen, was man selber machen will. Zumindest geht es mir so. Und das kann einem schon ziemlich schnell über den Kopf wachsen. Deswegen fühlt es sich für mich jetzt ganz befreiend an, diese Ruhepause zu haben. Und danach zu gucken, was passiert.
Aber grundsätzlich finde ich es total richtig, füreinander da zu sein. Aber man muss auch irgendwo eine Grenze setzen, man kann nicht alle Menschen retten oder für alle immer da sein. Klar, die Gruppe ist mir insofern wichtig, weil es eine ähnliche politische Grundeinstellung gibt, eine ähnliche Sozialisierung und gemeinsame Anknüpfungspunkte durch Politerfahrungen oder andere Lebenserfahrungen, und irgendwie ein bisschen die Verknüpfung von anarchistischen Idealen und dem Streben nach einem besseren Leben, sowohl materiell als auch ideell, was die Verwirklichung von Idealen angeht, als auch kulturell oder vielleicht auch spirituell im weitesten Sinne. So was zu verknüpfen eben, dieses Anarchistische mit dem Wunsch nach etwas Aufstrebendem. Und ein bisschen die Ordnung ohne Herrschaft zu realisieren, das kann die Gruppe auch ganz gut. Das ist so einer der großen Pluspunkte, Sachen die dafür sprechen hier meine Kraft zu investieren.
FA!: Ganz ehrlich, ich stell es mir schwieriger vor als kleine Gruppe in gemeinsamer Ökonomie zu leben, als in einer großen Gruppe wie z.B. der Kommune Niederkaufungen, wo 60 Erwachsene leben, weil im kleinen Kreis vielleicht auch dieser soziale Druck stärker ist und die Verantwortung im Kopf präsenter, so dass vielleicht individuelle Wünsche zeitweise auf der Strecke bleiben, aber dann als Konfliktthema zurückkehren. Oder andere zwischenmenschliche Konflikte über die gemeinsame Ökonomie ausgetragen werden, indem man z.B. dem anderen den Klamottenkauf für 80€ missgönnt. Seht ihr denn die Anzahl der Leute als Faktor für das Funktionieren des Konzeptes?
A: Über die Anzahl der Leute haben wir uns schon viele Gedanken gemacht und sind der Meinung, dass so 12 Leute eine Mindestanzahl ist. Da hast du eine Stabilität, wo auch mal 1-2 Leute wegbrechen können und es immer noch funktioniert. Die haben wir noch nicht erreicht. Aktuell ist es so, dass wir, wenn eine Person wegbricht, gucken müssen, wie es funktioniert. Bisher klappt es und ich habe den Eindruck, dass es uns auch mehr zusammengeschweißt hat. Unsere Optimalzahl liegt so zwischen 12 und 24 Leuten plus Kinder.
Ich habe es aber noch nicht erlebt, dass Konflikte über die gemeinsame Ökonomie ausgetragen werden. Alle Leute haben klar, dass sie anderen keine Basalbedürfnisse verweigern, nur weil sie gerade mit einem nicht können. Wir haben vielleicht aus der gemeinsamen Ökonomie heraus Konflikte miteinander gehabt, aber nicht, dass wir andere Konflikte über die gemeinsame Ökonomie ausgetragen haben. Das würde auch gar nicht funktionieren, wie will man dem anderen verwehren, dass er sich Geld herausnimmt?
Wir kriegen uns halt sehr intensiv mit, aber ich habe nicht erlebt, dass das besonders spannungsreich ist.Wenn mir was nicht passt, sprech ich das auch an, statt Bilder im Kopf zu haben oder es einfach laufen zu lassen. Das hat aber nichts mit Bewertungen zu tun, sondern auch mit positiver Anerkennung dem gegenüber, was der andere macht.
Ich denke auch, wenn du eine Kommune machen willst, dann ist es eine Voraussetzung, eine Mitte zwischen gelebter solidarischer Gemeinschaft und individueller Selbstverwirklichung zu finden. Du kannst weder dich komplett für eine Gruppe aufopfern und dich dabei vergessen. Das tut dir nicht gut, das hältst du nicht lang durch. Noch kannst du in so einer Gruppe sein und nur an dich denken und dich selbst verwirklichen, dann wird dir die Gruppe ziemlich schnell auf den Sack gehen.
Aber es ist nicht eine endliche Menge, wo du was wegnimmst, also Gruppe oder Individualität. Sondern du kannst schon, wenn du das selber gut in Einklang bringen kannst, bei beiden Sachen mehr haben. Du kannst ganz viel mehr Gruppe und Gemeinschaft haben und ganz viel mehr individuelle Selbstverwirklichung in der Kommune. Aber du musst selbst die Kompetenz mitbringen, dir das zu schaffen. Und dann ist das ganze übersummativ, also die Summe mehr als die Teile.
FA!: Was müssen denn eurer Meinung nach Leute an Grundverständnis und Idealen mitbringen, um in so einem Projekt wie eurem glücklich zu werden?
A: Das ist ganz schwierig zu beantworten. Es gibt so einen Spruch zum Thema: Wenn du in eine Gemeinschaft gehst, solltest du eher jemand sein, der geben kann, als darauf angewiesen sein zu nehmen. Du solltest Verantwortung übernehmen können für andere. Und du brauchst eine gewisse Affinität mit Gruppen umzugehen. Also dich selber zu vertreten, dich selber auch klar zu haben, zu wissen was du möchtest, es artikulieren zu können. Ich sag mal diese ganzen sozialen Fähigkeiten. Wir haben auch öfter Diskussionen darüber, wir wollen ja so offen wie möglich sein, trotzdem sind das Sachen, die du brauchst, wie sich immer wieder zeigt.
B: Ja und so eine Art Freude am Lernen durch die Interaktion mit den konkreten Menschen in der Gruppe. Was ein ganz anderes Lernen ist, als aus Büchern.
A: Ja, das ist auch persönliches Wachstum, eines unserer gemeinsamen Ziele. Und das passiert auf jeden Fall. Du wirst herausgefordert durch so eine Gruppe und du entwickelst dich auch weiter.
Und was sich immer wieder zeigt, bei allen von uns: Egal wieviel du reingibst, dass du dir mehr rausnimmst, als du reingegeben hast, das fällt allen unheimlich schwer. Geld für irgendwas ausgeben ist wesentlich herausfordernder in einer gemeinsamen Ökonomie, als wenn du da alleine für verantwortlich bist.
Was wir auf jeden Fall irgendwann auch haben wollen, so 5 Jahre nachdem wir einen Hof gekauft haben, ist für Rentenansprüche zu sorgen. Sodass, wenn du mal rausgehst, die Lebenszeit nicht „verloren“ ist, weil ja in der Kommune auch für dich gesorgt worden wäre. Aber gerade jetzt in der ersten Zeit ist es schon ein Projekt, wo du auch Lust haben musst, Zeit und Geld reinzustecken, was aufzubauen. Und das ist schon so die Frage, ob das gut ist oder nicht, wenn es wirklich die produktivsten Jahre deines Lebens sind. Das sollte man sich gut überlegen. Das ist auch was, was uns immer wieder beschäftigt, gerade wenn wir Kennnenlernentreffen machen.
FA!: Was ist so euer Fazit nach einem Jahr gelebter gemeinsamer Ökonomie?
B: Ich bin da eher der Falsche der quakt, eigentlich sollte ich zuhören. Also mein Fazit ist, eher noch mal ein Stück zurück rudern und überlegen, mit wem und wie vielen Leuten so was gehen kann. Und v.a., wie kann es auch gehen, ohne dass es organisatorisch sehr viel Zeit und Gedankenkapazität wegnimmt, die man auch für was anderes gebrauchen kann. Weil, Muße ist auch ein Wert, der auch zu kurz kommt, wenn man als Kommune sehr viel Wert auf das Ökonomische legt. Auf der anderen Seite sind mir aber viele spirituelle Kommunen auch zu diffus. Muße wäre aber auch für mich was Wichtiges, wo ich bisher noch keinen Weg gefunden habe, wie es sich vereinbaren lässt. Aber grundsätzlich im Leben ist es natürlich ganz wichtig zu teilen. Da will ich auch hin.
A: Wir haben gemeinsame Ökonomie ja gestartet auf dem Weg zur Kommune. Und ich musste irgendwann realisieren: Eigentlich sind wir ja schon eine Kommune. Wir entscheiden basisdemokratisch und teilen unser Geld. Wir sind ja jetzt auch Mitglied im kommuja-Netzwerk, dem Netzwerk der politischen Kommunen in Deutschland. Aber für mich ist es gefühlt immer noch ein „auf dem Weg sein“. Deshalb ist es auch schwierig ein Fazit zu ziehen. Was ich merke: es erfüllen sich immer mehr Aspekte und ich begreife immer mehr. Aber was mir natürlich noch fehlt, ist dieses Bleibende zu schaffen, der Hofkauf wäre so ein Schritt. Das gemeinsame Arbeiten und die gemeinsame Ökonomie bringt eine Pflanze hervor, die wächst. Das ist was, was mir Spaß macht. Ziel ist es, irgendwann Kollektivbetriebe aufbauen und einen Hof haben, den wir ausbauen, so dass das Gemeinsame etwas hervorbringt, was größer ist als die Gruppe. Wenn wir irgendwann mal aufhören Miete zu bezahlen, sondern einen Kredit abbezahlen und mit der gemeinsamen Anstrengung jeden Monat was schaffen, das würde sich noch besser anfühlen. Insofern fühlt es sich für mich immer noch wie eine Übergangsphase an, zu dem, was wir eigentlich wollen. Obwohl wir schon eine Kommune sind.
FA!: Danke für das Interview!
[momo]
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(1) KGB-Getränkekollektiv: http://kgb-leipzig.blogspot.de