In Craiova, im Süden Rumäniens, sind derzeit 10 bis 15 Leute dabei, einen Infoladen aufzubauen. Da es erst der zweite Infoladen dieser Art in Rumänien ist und diese Entwicklungen noch sehr jung sind, verdient es besondere Aufmerksamkeit. Wir wollten mehr darüber wissen und haben die Leute vor Ort besucht und ein Interview gemacht.
FA!: Erzählt uns etwas über eure Situation rund um den Infoladen. Habt Ihr Probleme mit Polizei und Behörden?
Wir haben den Raum für den Infoladen seit fünf Monaten und sind sehr glücklich darüber, da wir keine Miete zahlen, sondern nur Wasser und Strom. Es ist außerdem sehr praktisch, weil er im Zentrum der Stadt liegt. Wir hoffen, dass wir viele Leute damit ansprechen und die Idee von einem anderen Leben und Denken rüberbringen können.
Bisher haben wir keine Probleme mit Polizei und Behörden, da es noch kein geöffneter Raum ist und nur wenige Leute davon wissen. Im Moment ist es also o.k.. Nach der Eröffnung könnten wir möglicherweise Probleme mit Polizei und Geheimpolizei bekommen, da schon jetzt Telefone abgehört werden und so zukünftige Aktionen schon im Vorfeld bekannt sind.
Solch ein Projekt wie der Infoladen ist neu in Rumänien. Es gibt nicht viele Aktionen, daher auch nicht viele Probleme. Es ist wichtig zu sagen, dass Anarchisten ein schlechtes Image in Rumänien haben und es werden jede Menge Lügen über uns verbreitet, denn wir werden Stalinisten genannt, Drogendealer, wir würden die Schule schmeißen und nur Lärm auf der Straße machen.
FA!: Tragen auch die lokalen und nationalen Zeitungen zum schlechten Ruf bei?
Ja, wir haben große Probleme mit der Presse. Sie nennt sich unabhängig, holt ihre Informationen aber von Polizei, Regierung und einflussreichen Leuten. Interessant ist, dass die Geheimpolizei letztes Jahr auf ihrer Homepage einen Artikel über Anarchismus in Rumänien veröffentlichte, in dem sie wieder Lügen verbreiteten. Die meisten Zeitungen, lokale und nationale, druckten daraufhin genau denselben Artikel ab.
Generell schreiben die Zeitungen aber Gutes über unsere Aktionen, z.B. über „Food not Bombs" oder Demonstrationen. Aber sobald es um das Wort Anarchismus geht, schreiben sie wieder die schlechtesten Sachen. Dieselben Reporter schreiben also gut über unsere Aktionen und schlecht über unsere Idee. Sie wissen nicht was Anarchismus bedeutet.
FA!: Habt ihr Probleme mit Faschisten und Nationalisten in Craiova und in Rumänien?
Es gibt eine neue Gruppe mit dem Namen Noua Dreapte (N.D.; Neue Rechte), welche stark in Bukarest vertreten ist, aber sie haben Mitglieder in allen größeren Städten. In Craiova ist die Antifaschistische Bewegung bisher immer größer gewesen. Es gibt vielleicht 5 bis 6 junge Faschisten, aber sie tun nichts und leben im Untergrund. N.D. machen viel Propaganda und bekommen große politische Unterstützung von der Partei Romania Mare (Große Rumänische Partei, Anm.: nicht größte!). Sie helfen ihnen mit Geld. Der Präsident ist ein Stalinist und Hitlerist und schon zu Ceausescu-Zeiten aktiv gewesen und heute gut Freund mit Haider, Berlusconi und Le Pen.
FA!: Welche Art von Propaganda macht die N.D.? Gibt es Pogrome gegenüber Roma oder Juden?
Die Nationalisten sind in erster Linie gegen die Roma, aber auch gegen Juden, Homosexuelle und Ungarn (Anm.: Minderheit in Rumänien). Letztes Jahr töteten Nazis in Timisoara einen Straßenjungen. In Bukarest sprühten Nazis an das jüdische Theater „Arbeit macht frei“. Die Zeitungen reagierten auf die Aktionen, verurteilten den Inhalt jedoch nicht.
FA!: Ist die N.D. in der Regierung vertreten?
Nein, sie ist bisher nur eine Organisation, möchte aber in naher Zukunft zu einer Partei werden. Neben N.D. gibt es auch noch Blood and Honour in Rumänien. Sie sind verboten, haben aber seit einem Jahr eine Internetseite mit viel Propaganda. Sie arbeiten aber nicht mit der N.D. zusammen.
FA!: Organisieren sie Konzerte oder andere Veranstaltungen?
Es ist nicht möglich für sie, weil sie keine Plätze und Orte dafür haben. Aber sie haben eine Band namens Comandorul Hoissan.
FA!: Wieviele Mitglieder und Sympathisanten gibt es um die N.D.?
Einige hundert in ganz Rumänien. Ein großer Teil davon ist um das Fußballteam Dynamo Bukarest vertreten und es gibt auch einige Hooligans. Die Clubmanager unterstützen diese Entwicklung, so waren im Fernsehen bei Spielen Keltenkreuze und andere Flaggen zu sehen, obwohl diese illegal sind. Als sie in Craiova spielten, durften wir dagegen mit unseren Flaggen „gegen Rassismus" nicht ins Stadion.
FA!: Gibt es Organisationen, Vereine oder Gruppen mit denen ihr zusammenarbeitet oder von denen ihr Unterstützung erhoffen könnt?
Vor 2-3 Jahren versuchten wir mit anderen Gruppen zusammen zu arbeiten, aber die Geheimpolizei kam uns zuvor und sprach mit den NGO’s (Non Governmental Organisations / Nicht-Regierungs-Organisationen), dass sie nicht mit uns kollaborieren sollten, weil wir Anarchisten wären.
Einige NGO’s, z.B. Frauen- und Menschenrechtsgruppen, bekommen Geld vom Staat aber machen keine Aktionen. Daher kennt sie auch niemand in Rumänien. Als wir am ersten März die Antikriegsdemo veranstalteten, fragten wir bei. einer Menschenrechtsorganisation nach Unterstützung für die Anmeldung, aber sie sagten das wäre weder ihr Aufgabenfeld noch ihr Geschäft. Gute Zusammenarbeit findet mit der Gruppe aactivist aus Timisoara statt. Wir arbeiten sehr eng zusammen. Über Bukarest, die „anarchist aktion", wissen wir nichts. Und dann gibt es noch in kleineren Städten einige Leute zu denen wir Kontakt haben.
FA!: Habt ihr auch Kontakte außerhalb Rumäniens?
Wir haben enge Kontakte in die USA, nach Deutschland, Ungarn, Frankreich, Italien und Österreich. Nach Bulgarien wollten wir Kontakt aufnehmen, bekamen – aber von dort bisher keine Antwort. Timisoara hat auch noch viele Kontakte nach Serbien, da es nahe an der Grenze liegt.
FA!: Was ist in nächster Zeit rund um den Infoladen geplant, wie geht es voran? Welche Hilfe von außerhalb könnt ihr gebrauchen?
Momentan sind wir finanziell bankrott. In einem Monat wollen wir einen Computer auf Raten kaufen, außerdem in Zukunft einen Kopierer und einen Drucker. Wir sind alle arbeitslos oder Studenten und haben wenig Geld. Das Leben ist hart. Alles was wir benötigen müssen wir von unserem eigenen Geld bezahlen, erst kommt das Überleben und dann der Infoladen. Materielle Hilfe ist besser. als Geld. Ansonsten streben wir an, den Infoladen jeden Tag offen zu haben und uns besser als bisher zu organisieren. Außerdem wünschen wir uns, dass neue junge Leute dazu kommen werden.
FA!: Erreicht ihr bei euren Aktionen oder bei Konzerten neue Leute?
Bei Konzerten sind meistens immer dieselben Leute (Anm.: Konzerte sind selten, alle paar Monate).
Zum 1. Mai 2002 haben wir eine Aktion in der Innenstadt gemacht und haben u.a. Bilder ausgestellt, wofür viel Interesse bestand. Dieses Jahr allerdings war es nicht so gut, weil viel Polizei da war, und die Leute sich deshalb nicht zum Stand getraut haben. Sie machen Probleme wegen nichts.
FA!: Danke für das interessante Gespräch!!!
Falls jemand Bücher, Broschüren, Zines oder ähnliches in englischer Sprache über hat, oder nicht mehr braucht, die Craiova-Leute brauchen eine Menge davon. Bisher verfügen sie über ein kleines Regal mit nur wenig Lesestoff
Kontakt:
revolutionshop@hotmail.com