Kauf der Gieszer 16 wieder mal gescheitert
Am 23. Juli 2009 sollte es endlich so weit sein: Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt Leipzig, aufwendigen Sanierungen und etlichen Finanzierungskonzepten war der Kaufvertrag für die Betreiber_innen des kulturellen zentrums zur foerderung emanzipatorischer gesellschaftskritik und lebensart in der Gießerstr. 16 (G16) aufgesetzt und die Kulis gezückt. 1999 hatte die Stadt Leipzig als Eigentümerin die damaligen Ruinen des alten Fabrikgeländes dem gemeinnützigen Verein Stadtteilförderung, Wohnen und Kultur e.V. kostenlos zur Verfügung gestellt und dies 2001 sogar vertraglich festgeschrieben („unentgeltlicher Besitzüberlassungsvertrag“). Doch politische Zugeständnisse, rechtliche Verträge und erst recht linke, selbstorganisierte und unkommerzielle Projekte sind offensichtlich kaum was wert, wenn in ordentlicher kapitalorientierter Manier wirtschaftlich nichts dabei rum kommt.
Anfang Juni’09 haben die Stadträte im Grundstücksverkehrsausschuss schlussendlich den Verkauf der G16 an deren Nutzer_innen einstimmig beschlossen. Doch in letzter Sekunde wurde der Notartermin Ende Juli mit der Begründung einer „unzulässigen Subventionierung und Ungleichbehandlung“ abgesagt, Verhandlungen und Gespräche auf Eis gelegt, ja sogar die Konzert- und Veranstaltungsräume in der G16 kurzerhand und bis auf Weiteres durch das Bauordnungsamt geschlossen. Und wenn dann noch das Rechnungsprüfungsamt, welches im Stadtrat nur eine beratende Funktion ohne direkte Entscheidungskompetenzen hat, die Situation nutzt, um an die leeren Kassen der Stadt zu erinnern und die angeblich nicht gezahlten Mieten von den Bewohner_innen der G16 einzufordern (wobei es einen Mietvertrag nie gegeben hat!), wird klar worum es hier geht: es stinkt gewaltig nach Abzocke und Wahlkampfpropaganda.
Nein, das ist kein Zufall. Nicht nur die G16 wird von einer immer restriktiver werdenden Stadtpolitik getroffen, die linksalternative Ansätze in Politik und Kultur immer stärker kontrolliert, einschränkt und immer weitere finanzielle Forderungen erhebt. Auch das Lichtspieltheater UT Connewitz ist von Schließung bedroht, da über 20.000 Euro notwendig sind, um die neuen Auflagen der Stadt bis zum Herbst zu erfüllen. Kreative Aktionen wie das die Critical-Mass-Fahrraddemos werden von den Bullen mit Maschinengewehren begleitet. (1) Doch ein Höhepunkt repressiver Ordnungsmacht gegenüber der Freien Szene in Leipzig war das Veranstaltungsverbot für die Aftershowparties der kulturpolitischen Demonstration Global Space Odyssey am 25. Juli, die in der G16, sowie Damenhandschuhfabrik und Superkronik stattfinden sollten. Die Stadt hat noch immer keine Begründung dafür geliefert, warum dies gerade und explizit nur für diesen Tag galt. Doch der politische Kurs der Stadt, sich zukünftig stärker gegen alternative politische Projekte und die freie Kulturszene zu wenden, zeichnet sich immer klarer ab und darf nicht unbeantwortet bleiben.
Im Fall des gestoppten Verkaufs der G16, ist Mensch versucht, kopfschüttelnd die Situation als lächerlich und peinlich abzutun. Doch das Lachen bleibt im Halse stecken und hinterlässt einen ekligen Nachgeschmack. Seit Jahren wird im Stadtteil Plagwitz investiert, modernisiert und spekuliert, um damit den sogenannten Standort Leipzig-West „attraktiver“ für Privateigentümer und Wirtschaftsunternehmen zu machen. Händeringend wurde auch für das Gelände der G16 auf dem Immobilienmarkt nach dem meistbietenden Investor gesucht, der im Interesse der Stadt die alten Gebäude schnell, ordentlich und ohne Probleme zu machen in sterile Kleinfamilienwohnungen verwandelt oder wahlweise neue glänzende Fassaden eines weiteren konsumanregenden Ladens hochzieht. Warum auch immer, es gab und gibt keine anderen Interessenten als den gemeinnützigen Verein der G16, der bereit ist der Stadt das Gelände abzukaufen. Doch es geht nicht nur um’s Geld. Der zukünftige FDP-Stadtrat Hobusch bekennt Farbe, wenn er den Abbruch der Verkaufsverhandlungen damit begründet, dass das alternative Zentrum G16 wie auch das Connewitzer Kreuz eine „Hochburg linksextremer Gewalt“ sei und sich dann noch weiter echauffiert über das „Verschleudern von Immobilien und Grundstücken zum Spottpreis an die Linken“ (2). An Oberflächlichkeit, Pauschalisierung und Meinungsmache ist dies schwer zu übertreffen. Anscheinend beleidigt, bei der Verkaufsentscheidung nicht gefragt worden zu sein, und nach Wählerstimmenkreuzchen am rechten Rand schielend, erlaubt sich Herr Hobusch gar, gegen die Parteilinie zu agitieren (3).
Was die Nutzer_innen der G16 betrifft, wird es am 15.8 um 15:08Uhr eine Vollversammlung geben, auf der gemeinsam das weitere Vorgehen koordiniert wird. Es bleibt zu wünschen, dass sich der Verkaufsstop als schlechter Scherz entpuppt und der Verein als zukünftig neuer Hausbesitzer nicht an der steuerzahlenden Realität zerbrechen wird. Häuser zu kaufen, ist aber kein Ersatz für den Kampf um neue Freiräume. Denn weiterhin gilt: Besetzen statt Besitzen!
(droff)
(1) www.rad-le.de/artikel/159-Critical-Mass-Maschinenpistolen-gegen-Radfahrer.html
(2) www.fdp-leipzig.de/2009/07/28/stillhalteabkommen-mit-linker-szene-keinen-cent-wert-%E2%80%93-auch-nicht-fur-gieserstrase-16/
(3) Auszug aus dem FDP-Parteiprogram: Wir müssen Leipzigs Kulturschaffenden und Kreativen mit großer Wertschätzung, besserer Ausstattung und jeder Art von Unterstützung die Freiräume ermöglichen, die sie für ihre Arbeit brauchen. (www.fdp-leipzig.de/programm/)
Ein Gedanke zu „Von Besetzern zu Besitzern“