Archiv der Kategorie: Feierabend! #15

Wilder Streik bei Opel in Bochum

Sieben Tage lang, vom 14. bis zum 20. Oktober, haben die ArbeiterInnen der Bochumer Opel-Werke die Produktion lahmgelegt. Mit ihren Aktionen haben sie auch die Teileauslieferung für vier weitere europäische Opel-Werke verhindert und damit die Produktionsketten völlig durcheinander gebracht. Im größten „wilden Streik“ seit dreißig Jahren haben die ArbeiterInnen tagelang dem Dauerfeuer und den Einschüchterungen von Bossen, Politik, IG Metall und Betriebsrat widerstanden, die sie mit allen Tricks unbedingt dazu bringen wollten, die Produktion wieder aufzunehmen. Letztlich haben sich die erfahrenen und professionellen Ab­wiegeler und Abwickler aus den Reihen des DGB mit ihren Manipulationen erst einmal durchgesetzt. Trotzdem aber haben die ArbeiterInnen in Bochum mit ihren Aktionen gezeigt: es geht was und es geht so, dass es richtig weh tut!

Die Stimmung am Wochenende

Leute aus mehreren Gruppen der FAU waren in den letzten Tagen bei Opel in Bochum vor Ort, um Solidarität zu zeigen, mit den ArbeiterInnen zu diskutieren und zu erfahren, wie wir den Kampf unterstützen können. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass bei vielen ArbeiterInnen ein tiefes Mißtrauen nicht nur gegen die Politiker sondern auch gegen die Gewerkschaft und den Betriebsrat besteht, die zwar vordergründig den dicken Heinz markieren aber gleichzeitig versuchen, mit allen Mitteln auf ein Ende des Produktionsstopps hinzuwirken. Gerüchte und offensichtlich ganz gezielt gestreuten Falschinformationen von Seiten der Meister und der Funktionäre gaben sich die Hand.

Trotzdem war die Entschlossenheit groß, sich nicht auf irgendwelche nichtssagenden Versprechungen einzulassen und stattdessen das einzige Druckmittel, die De-Facto-Blockade der Teileauslieferung u.a. für Antwerpen und Rüsselsheim, in der Hand zu behalten. Auf der anderen Seite war aber auch durchaus eine steigende Unsicherheit spürbar, wie es weitergehen soll, wenn man nicht nur die Geschäftsleitung sondern auch den Betriebsrat und die Gewerkschaft gegen sich hat.

Dienstag – Die Inszenierung sickert durch

Gegen Abend sickerte durch, wie Betriebsrat und Gewerkschaft die Belegschaftsversammlung am nächsten Tag organisieren wollen. Weitab vom Werk, mit ledig­lich zwei Redebeiträgen, in denen Stimmung für die Wiederaufnahme der Pro­duk­tion gemacht werden soll und ohne jede Möglichkeit der Diskussion. Stattdessen: Geheime Abstimmung über das Ende der Kampfmassnahmen. Einige haben Tränen in den Augen vor Wut und Enttäuschung, andere lachen und wollen diesem Gerücht nicht glauben. „Das war es dann wohl!“ meint jemand.

Mittwoch – Alles unter Kontrolle

Schnell zeigt sich, dass die Informationen vom Vorabend kein Gerücht sondern Fakten waren. In der viel zu kleinen Halle auf dem Podium sitzen der BR-Vorsitzende Hahn und der IG Metall Funktionäre Hinse. Um das Podium Trauben von Werk­schutz und Security. Security auch am Eingang. Sie machen rigide Kontrollen, wer raus geht rauchen, kommt nicht wieder rein. In den vorderen Reihen haupt­sächlich Gefolgsleute des Betriebsrats. Reden dürfen nur die beiden Funktionäre. Danach wird sofort der vorbereitete Antrag den sie zur Abstimmung vorgelegt. Der läuft auf eine glatte Erpressung der Belegschaft hinaus: „Soll der Betriebsrat die Verhandlungen weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden? Ja oder nein?“ Viele müssen drei mal überlegen, bis sie verstanden haben, was passiert. Weitere Verhandlungen nur, wenn die Belegschaft vor Gewerkschaft, Be­triebs­rat und Bossen kuscht und ihr einziges Druckmittel aus der Hand gibt.

Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit für die Wiederaufnahme der Produktion. Rund 4.600 ArbeiterInnen sind dafür, knapp 1.800 dagegen. Ausserdem gibt es eine Menge Enthaltungen und ungültig gemachte Stimmzettel. Viele sind erst gar nicht zu dieser Farce erschienen. Die IG Metall wird später am Tag die Falschinformation verbreiten, es hätten sich 6.400 Arbeiter für die Wiederaufnahme der Produktion ausgesprochen, die dann auch sofort von eingen Nachrichtenagenturen aufgegriffen und verbreitet wird. Schein­bar ist den hauptamtlichen Abwicklern nicht so recht geheuer, dass trotzdem immer noch rund ein Drittel der ArbeiterInnen die Aktionen fortsetzen woll­ten. Obwohl sie dann keinen Pfennig Kohle gesehen hätten und mit Sicherheit die Repressalien eingesetzt hätten.

Und jetzt?

Über das, was jetzt kommt, herrscht absolute Unsicherheit. Die Stimmung ist mies, die Belegschaft gespalten. Also genau das, was die professionellen Verhandler brauchen, um Belegschaften halbwegs ungestört abwickeln zu können. Es kann aber auch sein, dass es bei einem absehbaren miesen Verhandlungsergebnis wieder zu spontanen Aktionen kommen wird. Dass sie das können, haben die Arbei­terInnen ja gerade gezeigt. Beim nächsten Mal wird allerdings die Werksleitung besser vorbereitet sein. Nachdem sie davon überrascht worden ist, wie schnell ihre „atmende Fertigung“ auf europäischer Ebene soeben den Keuchhusten bekommen hat, wird man versuchen, in den nächsten Wo­chen Lager anzulegen, um einen erneuten Produktionsstillstand ins Leere laufen zu lassen. Manche Chancen bekommt man nur einmal und dann so schnell nicht wieder.

Es hat gesessen!

Eines jedenfalls haben die 7 Tage von Bochum gezeigt. Die Angst vor einem Wilden Streik, vor einem eventuellen Kontrollverlust der Befriedungsagenturen, Betriebsräte und sozialpartnerschaftlicher Gewerkschaft sitzt tief bei Wirtschaft, Politik und veröffentlichter Meinung. Jede Regung hinter und vor den Toren der Bo­chumer Fabriken war tagelang Topthema in den Medien, Gegenstand von Eilmel­dungen, wütendem Gekeife der Arbeit­“geber“verbände, Erklärungen von Ministern und Parlamenten. Die Bochumer Opel-ArbeiterInnen haben mit ihrer Aktion ans Licht gebracht, was tatsächlich weh­tut und wovor das System Angst hat. Direkte Aktionen mit konkreten Störungen des reibungslosen Betriebes. Nicht zuletzt deswegen haben viele Leute voller Hoffnung nach Bochum geschaut und tun es immer noch. Weil noch nicht aller Tage Abend ist.

Hinweis: Den Text haben wir von www.fau.org gezogen, er wurde von FAUistas aus dem Ruhrgebiet verfasst. Bilder aus Bochum und andere gibt’s unter www.arbeiterfotografie.com/galerie/reportage/

sozialer protest

Für eine umfassende Arbeitszeitverkürzung

Die Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, allen Menschen Arbeit zu geben. Die durch die Arbeitslosigkeit drohende Verarmung wird voll und ganz auf die Erwerbslosen abgeschoben. Manager und Funktionäre aus Wirtschaft und Politik überziehen die Arbeitslosen mit einer beispiellosen Verleumdungskampagne. Die Arbeitslosen allein treffe die Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit. Sie seien faul und sollen sich endlich Arbeit suchen. Mit Kürzungen der Arbeitslosen- und Sozialleistungen durch Hartz und Agenda 2010 wie in der BRD sollen sie wieder zur Arbeit getrieben werden. In Wahrheit verschleiern die Manager und Funktionäre hiermit nur ihre tatsächliche Rolle. Die wahre Ursache der sich anbahnenden wirtschaftlichen Katastrophe ist: Die Überproduktion! Trotz ca. 10% Arbeitslosigkeit + 5% Dunkelziffer in Mitteleuropa ist es das größte Problem der Wirtschaft, mit den Bergen an Überproduktion fertig zu werden. Jeder weiß von den Butter-, Käse-, Fleisch- und Obstbergen oder den Weinseen, die jährlich vernichtet werden. Die Bauern erhalten inzwischen sogar so etwas wie einen Grundlohn für die Nichtbestellung ihrer Felder, wobei die Stillegung der Agrarflächen mit einem riesigen Aufwand über Satellit überwacht wird.

Warum müssen wir trotzdem immer länger arbeiten?

Die Ursache liegt in den Mechanismen der Marktwirtschaft begründet. Der Preis jeder Ware wird durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt und menschliche Arbeit ist heute nichts weiter als eine Ware. Arbeitskräfte sind weltweit im Überfluß vorhanden, weshalb überall ein Preisverfall für Arbeit zu beobachten ist. Lebensmittel und industrielle Güter werden hingegen durch die Vernichtung der Überproduktion oder durch Massenarbeitslosigkeit künstlich verknappt. Hiermit werden die Preise für Lebensmittel und industrielle Güter hoch gehalten. So kommt es, das wir bei sinkenden Löhnen zur Bestreitung unserer steigenden Lebenshaltungskosten immer länger arbeiten müssen. Deshalb werden bei steigender Arbeitslosigkeit immer weniger immer mehr arbeiten müssen.

Wer hat ein Interesse an langen Arbeitszeiten?

Für die Unternehmen ist die menschliche Arbeitskraft lediglich eine Ware, die als Produktionsfaktor wie ein beliebiger Rohstoff behandelt wird. Hiermit sind lange Arbeitszeiten lediglich eine Folge der billig gehaltenen Lohnarbeit, wobei beide Faktoren das Überangebot an Arbeitskräften und damit die Arbeitslosigkeit weiter verschärfen. Daß sich die Politik jetzt zur Überwindung der Arbeitslosigkeit an die Unternehmen wendet, ist in dieser Hinsicht nur noch blanker Zynismus. Maßnahmen wie die Agenda 2010 in der BRD sind mit dieser Sicht nur noch ein scheinheiliger Verrat der Politiker an der arbeitenden Bevölkerung. Ihr Ziel ist, per Gesetz das Einkommen der Arbeitnehmer im Sinne der Unternehmen auf 65% des jetzigen Wertes zu drücken. Zukünftig muß jeder nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit einen Job auf dem Niveau von 65% seines letzten Monatsgehaltes annehmen, da sonst seine Bezüge gestrichen werden. In diesem Zusammenhang sollen die Kürzungen der Arbeitslosen- und Sozialleistungen einen gnadenlosen Kampf um die verbliebenen Arbeitsplätze durch Lohndumping entfesseln. Bezweckt wird ein beispielloser Preisverfall für menschliche Arbeitskraft. Denn durch die Kürzungen sind die Menschen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes gezwungen, um die wenigen verbliebenen Arbeitsplätze zu konkurrieren. Und im Juli 2004 standen den 4.359.000 Erwerbslosen in der BRD gerade mal 296.600 offene Stellen gegenüber.

Weltweite Lösungen sind nötig!

Zum Zweck der eigenen Gewinnvergrößerung schüren multinationale Unternehmen die Wut auf Randgruppen der Gesellschaft oder ausländische Mitbewohner. In allen Staaten heißt es, die Ausländer nähmen die Arbeitsplätze weg. Die Menschen der verschiedensten Nationen müssen sich anhören, daß sie immer noch billiger arbeiten müssen. Weltweit findet ein Wettlauf bei den Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen als Reaktion der Kürzungen in den reichen Industrienationen statt. Denn alle wollen durch niedrigere Lohnkosten für multinationale Unternehmen attraktive Bedingungen und Arbeitsplätze im eigenen Land schaffen. Doch für gut organisierte Konzerne, wie etwa der Maschinen- und Anlagenbauriese Asea Brown Boveri (ABB), gehört es in der Zwischenzeit zum Standard, im Bedarfsfall die Herstellung jedes Produktes oder Einzelteils binnen weniger Tage von einem Land ins andere zu verlegen. Ein Widerstand kann also nur auf internationaler Ebene mit der Überwindung aller nationalen und ethnischen Grenzen Erfolg haben. Alles andere führt in die Sklaverei.

Schluss mit dem Unsinn!

Wir fordern das Ende der Vernichtung der Überproduktion und die kostenlose Freigabe derselben an die Bevölkerung, denn die Produktion dieser Waren wurde überwiegend über unsere Steuergelder bezahlt. Sie gehören uns allen. Zukünftig soll die Produktion auf die Bedürfnisse der Menschen hin erfolgen. Unter Einbeziehung des 15%-igen Arbeitslosenpotentials sollen alle Menschen, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, wieder mitarbeiten dürfen. Von der entstehenden Überproduktion sollen sich alle kostenfrei bedienen. Sollte sich aus der zu erwartenden Überproduktion ergeben, daß Geld als Tauschmittel unnötig und überflüssig wird, so fordern wir auch dessen Abschaffung. Wir müssen nur bereit sein, Produktion und Verteilung weltweit nach den Bedürfnissen der Menschen zu organisieren. Wohlstand und Bildung könnten zum Menschenrecht erklärt werden und die Menschen könnten bei einer am Bedarf orientierten Produktion darüber nachdenken, wieviel der heutigen Lohnarbeit tatsächlich sinnvoll ist und wie die Arbeitszeit umfassend verkürzt werden kann.

Wieviel Arbeit wird mit dem Ende von Geld- und Warenwirtschaft übrigbleiben?

Wie kann der güterwirtschaftliche Gegenwert der Lohnarbeit exemplarisch am Beispiel der BRD bestimmt werden? Schon die Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch von 1988 zeigten die geringe Menge der notwendigen Arbeit, die auch heute für den von uns gewohnten Luxus und Lebensstandard ausreichen wird. Die notwendige Arbeit umfaßt hier die Sozialleistungen, Produktions- und Verteilungsarbeiten. Zum Sozialwesen gehören u.a. die Bereiche: Gesundheits- und Veterinärwesen, Reinigung usw. Zur Produktion gehören: Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei; Energie- und Wasserversorgung sowie Bergbau (Arbeiter); Verarbeitendes Gewerbe (Arbeiter); Baugewerbe; Angestellte aus Energie- und Wasserversorgung sowie dem Verarbeitenden Gewerbe. Das sind Meister, Techniker, Ingenieure sowie die Angestellten, die zur Arbeitsorganisation notwendig sind. Zur Verteilung gehören: Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Mit den Erwerbstätigenzahlen aus dem Statistischen Jahrbuch zu den aufgezählten Wirtschaftsbereichen kommen wir auf etwa 18 Stunden pro Woche.

Diese 18 Stunden klingen zwar schon recht gut, aber mehr als ein Anfang sind sie nicht, denn auch die Lebensdauer unserer Gebrauchsgüter ließe sich mit Leichtigkeit um ein Vielfaches erhöhen. Es liegt nahe, daß dies gerade die Menschen einer herrschaftsfreien Gesellschaft tun werden, weil sie ihre Güter für ihren eigenen Bedarf herstellen. Denn kein Mensch besitzt ein Interesse, für den Schrottplatz zu produzieren. In der heutigen Konsumgesellschaft hingegen werden zur Aufrechterhaltung des Waren-Geld-Kreislaufes selbst die Gebrauchsgüter auf die Ebene der Verbrauchsgüter abgestuft. Ihre Lebensdauer wird erheblich verringert, indem entweder bewußt Sollbruchstellen eingebaut oder Fertigungstechniken nicht verwandt werden, die ihre Lebensdauer erheblich verlängern würden. Folgende Beispiele:

1. Glühbirnen. Ihre Lebensdauer kann auf ein Menschenalter ausgedehnt werden.

2. Glas. Es wird schlagfest durch langsames Abkühlen.

3. Autos. Eine Fahrzeugkarosserie aus rostfreiem Blech hält mindestens 200 Jahre.

Aus der Langlebigkeit der Gebrauchsgüter folgt, weniger Güter müssen hergestellt werden. Das heißt: weniger Fabriken; weniger Rohstoffverbrauch; weniger Arbeit.

Weiter könnte durch die gezielte Verwendung von Mischtechniken z.B. die Lebensdauer von Explosionsmotoren auf etwa 150 Jahre ausgedehnt werden. Verwenden wir nun Wasserstoff als Energieträger, so können wir auch die umweltfreundlichen Wasserstoffmotoren in unseren Autos oder in unseren Kraftwerken zur Gewinnung der Elektrischen Energie einsetzen. Wasserstoff kann in den Wüsten der Erde in Wind-, Aufwind- und Sonnenkraftwerken gewonnen werden. Wasserstoff als Energieträger steht uns also in unbegrenzten Mengen zur Verfügung, womit wir auch das heutige Energieproblem gelöst haben. Das heißt, daß wir nicht nur weniger arbeiten, sondern auch auf dem besten Wege sind, unsere Umweltprobleme zu lösen. Und zwar mit einer etwa 12 Stunden umfassenden Arbeitswoche bei erheblich besseren Arbeitsbedingungen für jeden von uns, wenn wir die Produktion auf die Langlebigkeit der Gebrauchsgüter ausrichten.

Gehen wir davon aus, daß sich die Mitglieder einer herrschaftsfreien Gesellschaft von den von ihnen gemeinsam hergestellten Gütern nach ihren materiellen Bedürfnissen befriedigen – und daß die durchschnittliche Arbeitsmenge um 3/4 sinken wird, dann entfällt praktisch die Rush-Hour. Denn jeder wird da arbeiten, wo er wohnt und nicht mehr längere Fahrwege für eine besser bezahlte Arbeit in Kauf nehmen. Das heißt, die langen Fahrwege zur Arbeit werden entfallen.

Aber nicht nur die langen Arbeitswege, sondern auch die heutige Urlaubsindustrie wird entfallen. Denn wenn die Arbeitsmenge auf 1/4 des heutigen Wertes sinkt, werden die Menschen in Ruhe das Land bereisen und dort verweilen und mitarbeiten, wo es ihnen gefällt. Das heißt, wenn sie das wollen. Insgesamt bedeutet der Wegfall der Rush-Hour und der Urlaubsindustrie:

==> Weniger Transportmittel,

==> weniger Fabriken,

==> weniger Straßen und somit

==> weniger Arbeit,

wobei unter diesen Gesellschaftsbedingungen nach unseren Berechnungen nur noch 10 Stunden pro Woche gearbeitet wird.

Auf die Rohstoffeinsparungen, den Umweltschutz und die Steigerung der Lebensqualität brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht in besonderem Maße hinweisen. Die Folgen unserer bisherigen Überlegungen für die Energiewirtschaft liegen klar auf der Hand: Langlebige Güter, Einsparungen bei den Transportmitteln, weniger Straßen, weniger Fabriken sowie Energieeinsparungen in den Haushalten und bei anderen Kleinverbrauchern bedeuten weniger Energieverbrauch und somit weniger Arbeit in der Energiewirtschaft. Insgesamt bedeutet dies mit den Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch, daß ca. 9 Stunden pro Woche gearbeitet wird.

Berücksichtigen wir, daß in der alten BRD von 61,5 Mio. Menschen nur 30 Mio. zum Erwerbstätigenpotential gehören. Viele Nichterwerbstätige würden liebend gern 10 Stunden pro Woche arbeiten, um ihrem Leben wieder einen Inhalt und ein Ziel zu geben. Mit ihnen werden 41,8 Mio. Menschen erwerbstätig sein. Das sind 2/3 der Bevölkerung der alten BRD, wobei nun jeder der 41,8 Mio. Erwerbstätigen nur noch 7 Stunden pro Woche arbeiten darf.

Beziehen wir nun die Möglichkeit der Vollautomatisierung mit ein, so stehen jedem von uns nur noch etwa 5 Stunden Arbeit pro Woche zu. Eine derartig niedrige Wochenarbeitszeit wird eine tiefgreifende Gesellschaftsumwälzung hervorrufen, in der unser Verhältnis zur Arbeit und zum Menschen einer grundlegenden Veränderung unterworfen ist. Spätestens mit 5 Stunden Arbeit pro Woche verliert die Arbeit ihre Zwanghaftigkeit. Unsere angeborene Ruhe- und Rastlosigkeit wird uns antreiben, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die Spaß machen. An diesem Punkt angelangt, ist zu erwarten, daß die Arbeit in einer herrschaftsfreien Gesellschaft allein aus dem Bedürfnis des Menschen nach einer sinnvollen Tätigkeit erledigt und sie deshalb nicht mehr als Arbeit empfunden wird. Hiermit haben wir die Null-Stunden-Woche erreicht.

Darwin Dante

darwin_dante@hotmail.com

Ausführlicher im Internet: www.5-stunden-woche.de

soziale utopie

Eine kurze Analyse der soziopolitischen Rolle des WSF-ESF

Zunächst müssen wir das WSF und somit das ESF als eine Institution verstehen, die den parallelen Entwicklungen der kapitalistischen Institutionen des Regierens folgt. Während der letzten 30 Jahre expandierte das Kapital sowohl horizontal (auf der ganzen Welt), als auch vertikal (Verwertung des täglichen Lebens, z.B. Freizeit). Neue Insti­tutionen müssen die Dynamik des Weltmarktes regulieren, wie die Weltbank, G8, WTO, etc. Das WSF wurde als eine „Opposition“ zu solchen Institutionen gegründet und insbesondere als „Opposition“ zum WEF, das in Porto Alegre 2001 stattfand. Das ESF ist das Kind des WSF, das hauptsächlich die EU kritisiert.

Wogegen richtet sich das WSF-ESF wirklich? Bei einem Blick auf die Prinzipien und Ziele (und noch schlimmer, die Ziele einiger seiner Mitglieder) können wir vor allem reformistische Forderungen erkennen, wie Steuern für Konzerne, Antiprivatisierungspolitik durch die Regierung, Macht für die „Zivilgesellschaft“, etc. Diese Forderungen sind von Grund auf „systemintern“; sie versuchen die „schlechten“ Auswirkungen des Neolib­eralismus zu kontrollieren, als ob die politische Linie das Problem sei und nicht der Kapitalismus und seine Institutionen als Ganzes. (1) Anders gesagt, das WSF propagiert keinen Systemwechsel. Es fragt nur nach „einem Kapitalismus mit menschlichem Gesicht“, „einem neuen sozialen Vertrag weltweiter Gerechtigkeit“. So können wir das WSF und somit auch das ESF als „neue reformistische Internationale“ sehen, als „außerinstitutionelle soziale Demo­kratie“, die sich der neuen internationalisierten Politik des Kapitals angepasst hat (und gleichzeitig dem Verfall der parlamentarischen Politik auf Staatsebene).

Praktisch muss sich das ESF, ein Außerregierungsmittler, als „recht­mäßiger Verhandlungspartner“ präsentieren, der versucht, EU Politik zu beeinflussen. Es handelt innerhalb der Grenzen heutiger Institutionen, ohne sie im Geringsten herauszufordern. Die Zusammenarbeit mit Institutionen des Status quo, wie nationale Regierungen oder Parteien und die Verurteilung jeder gegen das System gerichteten Bewegung, die radikal die auferlegten Grenzen sozialer Kontrolle (2) bricht, sind Offenbarungen ihrer Komplizenschaft.

Die Synthese des ESF ist durchaus problematisch. Sein Hauptmerkmal ist eine Pluralität, die aus den Bemühungen entsteht, alles zu umfassen. Diese Pluralität unterstützt die Zirkulation verschiedener Erfahrungen, Ideen, Kämpfe. Weiterhin gelingt es dadurch Menschen, die sich auf der ersten Stufe politischen Interesses befinden, für Politik zu interessieren. Somit scheint das ESF positive Aspekte zu haben. Trotzdem führt dieser Pluralismus unvermeidlich zu einem Mangel an einer umfassenden, allgemeinen sozialen Analyse und an gemeinsamen Aktionen von ESF Gruppen, weswegen dem ESF als Machtinstitution (3) nur minimale Ziele bleiben. Lasst uns diesen Punkt vertiefen, da Unterschiede in der Analyse zu verschiedenen Zielen im sozialen Kampf führen. Kurz gesagt, fassen wir als Anarchisten/Antiautoritäre den Kapitalismus als ein System auf, das durch zwei dynamische Ströme entwickelt wird – der erste hat mit „der Konkurrenz der Kapitalisten“ zu tun; der Konkurrenz zwischen kapitalistischen Institutionen (z.B. Firmen), die auf der Marktwirtschaft basiert und zur „ökonomischen Entwicklung“ führt, zu der Verwertung jeden Aspektes unseres Lebens (vertikale Ausweitung) und zur Vermarktung von allen Teilen der Erde (horizontale Ausweitung). Der zweite Trend, der für uns wichtiger ist, ist die „soziale Konkurrenz“, die Konkurrenz zwischen dem Kapital und der Gesellschaft, der vor allem mit der historischen Entwicklung des Staates zusammenhängt (z.B. vom liberalen Staat und seiner Krise zum Wohlfahrtsstaat / erst soziale Demokratie und jetzt die „Einkommens-Sicherheits-Netzwerke“ / neoliberalistischer Staat, von der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft etc.). (4)

Der Mangel einer solch umfassenden Analyse führt das WSF-ESF dazu, Organisationen wie etwa NGO’s zu integrieren, die unkritisch sind und indirekt die Expansion des Kapitals fördern, sowohl die Verwertung und Vermarktung (Oxfam spricht erst über die „Unterentwicklung“ in Nordkorea und dann kommt NIKE) als auch die soziale Kontrolle (Amnesty International wirft die „Bomben der Ethik“ in Jugoslawien und dann interveniert die NATO) betreffend. Mit anderen Worten, es führt zur Integration von Gruppen und Organisationen, deren Aktionen nicht im Mindesten antikapitalistisch sind. (5)

Ein anderes Problem des Mangels an einer umfassenden Analyse zeigt sich an folgendem Beispiel: an dem WSF, das in Porto Alegre im Februar 2001 organisiert wurde, nahm Lula da Silva (derzeitiger Präsident von Brasilien) mit seiner Partei teil. Zusammen mit den nationalistischen Basken von Batasuna und anderen „Feinden des Neoliberalismus“ begünstigten sie eine Aktion gegen die FTAA, die von den USA unterstützt wird. Aber können wir Lula als echten Feind des Neoliberalismus betrachten? Natürlich nicht. Lula war gegen die FTAA, weil diese Mercosur herausforderte, eine wirtschaftliche Vereinigung zwischen Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, die im Grunde von Brasilien kontrolliert und von der EU unterstützt wird. Mit anderen Worten, er wollte das Kapital seines Landes beschützen. Somit waren die Aktionen im Grunde Teil des „Konkurrenz der Kapitalisten“. Die meisten WSF Mitglieder schienen jedoch nicht zu verstehen, was die da wirklich unterstützen.

Ein anderer unangenehmer Aspekt vieler Gruppen, die am ESF teilnehmen, ist (als Resultat ihres Mangels an einer umfassenden Analyse), dass sie die Probleme des Kapitalismus nur auf überstaatlicher, internationaler Ebene zu entdecken scheinen und dass sie die kapitalistischen Beziehungen und deren Auswirkungen in unserem alltäglichen Leben vernachlässigen. Das indirekte Ergebnis ist, dass die Betonung allein auf dem Zentralen (auf der „Ungerechtigkeit der EU-Politik“) liegt und das Lokale vollkommen vernachlässigt wird (lokale Regierungen, Gremien oder Bosse). Diese Betonung des „Zentralen“ zeigt sich auch an den Organisationsstrukturen des ESF. Selbst wenn das ESF die „dezentralisierte partizipatorische Demokratie“ publiziert, ist es durchaus hierarchisch organisiert und wird so zum Spielfeld auf dem andere hierarchische Organisationen – wie Parteien – versuchen, ihre Interessen zu verfolgen. Die Vernachlässigung des lokalen Londoner Sozialforums ist ein gutes Beispiel für diese organisatorischen Tendenzen. Um es zusammenzufassen, das ESF kritisiert Neoliberalismus als eine Ideologie, die von den Mächtigen der Welt befördert wird und nicht den Kapitalismus als Ganzes, als ein sozioökonomisches System und alltägliche Beziehungen. Weiterhin liefert es keine umfassende Kritik von anderen Beherrschungsmechanismen, z.B. Nationalstaat, der direkt mit dem Kapital verknüpft ist. Als ein Ergebnis dieser Analyse begünstigt es reformistische Forderungen durch symbolischen (und nicht direkten, materielle) (6) Druck und es schlägt eine vage Vision von „einer demokratischen Zivilgesellschaft“ vor.

So ist das ESF der perfekte „Widersacher“ für die derzeitigen Netzwerke und Institutionen der Macht – ein Widersacher, der nicht wirklich herausfordert, einer mit minimalen Zielen, der am Ende des Tages das Image einer „guten, pluralistischen Demokratie“ perfekt angenommen hat. Es geht noch weiter: der Fakt, dass das WSF-ESF bis jetzt versucht hat die Antiglobalisierungsbewegung (7) und die „Zivilgesellschaft“ zu vertreten, zeigt seine potentiell gefährliche Rolle in der weltweiten Szene – nämlich das neue „Sammelbecken“ zu werden, in dem Leute fühlen, dass sie politische Teilhaber und Aktive sind, aber in dem die Hoffnungen, Enttäuschungen und Wut der Leute gefiltert werden, so das sie keine radikalen, emanzipatorischen Forderungen und Visionen entwickeln, sondern reformistische.

Autonome Räume während der Tage des ESF

Da wir glauben, dass jede Person das Potential für Radikalismus hat, sowohl in Gedanken, als auch in Taten, wollen wir Veranstaltungen organisieren, die nicht nur verschiedene (horizontale) Organisationsweisen, sondern vielmehr eine radikale, antiautoritäre Kritik an den aktuellen Institutionen der Herrschaft unterstützen (und wir verstehen das ESF als eines von ihnen). Die Unterscheidung des LSF von den hauptsächlichen Vorgängen beim ESF ist für uns ein klares Beispiel für einen Radikalisierungsprozess. So akzeptierten wir, nach vielen Treffen, Zögern und Skepsis, mit dem LSF, Indymedia und anderen Gruppen die Zusammenarbeit in einem losen Koordinierungsverbund, um etwas autonomen Raum während der ESF-Tage zu ermöglichen. Unsere Unterschiede nach außen tragend, meinen wir, dass viele Gruppen des ESF und auch viele Einzelpersonen, die für die Veranstaltung kommen, an einer radikaleren sozialen Analyse und direkten Aktionen interessiert sind.

Anstatt das ESF die neue repräsentative Institution der „sensiblen, politisch aktiven Bürger“ sein zu lassen, wollen wir „eine andere mögliche Welt“ zeigen, die bereits hier ist. Die Welt von… Horizontaler Selbstorganisation – Solidarität – Autonomie – Direkter Aktion.

Der Text stammt von der Londoner Gruppe wombles, die sich an beyond ESF: autonomous spaces beteiligt hat. Übersetzung: FA! Original: wombles.org.uk/auto/esfcritique.php
(1) Zum Beispiel das WSF-Prinzip 4, das sehr bezeichnend für die Analyse des WSF ist: „Die Alternativen, die auf dem Welt-Sozialforum vertreten werden, stehen im Gegensatz zu einem Prozess der Globalisierung, der von multinationalen Konzernen, von Regierungen und von internationalen Institutionen, die in deren Interessen agieren, gelenkt wird, mit der Komplizenschaft der nationalen Regierungen.“ Ist das Problem also der böse Konzern oder die böse Regierung? Unserer Meinung nach, nein. Es ist die „Natur“ des Kapitals zu expandieren und global zu werden, so wie sich die Konzerne aufgrund des Wettbewerbes der Marktwirtschaft kontinuierlich entwickeln müssen (oder „sterben“). Die Politik (sozialdemokratisch oder neoliberal) der Staaten oder internationalen Institutionen reguliert nur den Rhythmus der Entwicklungen, aber sie können sie nicht aufhalten (wie das Scheitern der Sozialdemokratie zeigte), wenn sie nicht die Marktwirtschaft und die kapitalistischen Beziehungen, die zur Kapitalakkumulation und Expansion führen, selbst abschaffen.
(2) Ein Beispiel wären die Demonstrationen von Genua und Thessaloniki, wo das ESF die Unterscheidung zwischen „gewalttätigen“ und „nicht gewalttätigen“ Demonstrierenden vertrat, um dem Status quo zu folgen und als „der legitime Vertreter der Anti-Globalisierungsbewegung“ gesehen zu werden. Es ist unnötig darüber zu sprechen, welche Stufe aktiver Solidarität das ESF, als Ganzes, den politischen Gefangenen nach den Demos zukommen ließ; nur sehr wenige der teilnehmenden Gruppen zeigten etwas Interesse…
(3) Es wird behauptet, dass das ESF keine Institution der Macht ist, sondern nur ein Forum. Das ist ein unzutreffender Punkt, weil praktisch (wenn nicht offiziell) das ESF die Macht hatte, Dinge zu tun, z.B. zu großen Anti-Kriegsdemos aufzurufen.
(4) Unglücklicherweise war das 20. Jahrhundert von marxistischer Politik dominiert, die die Kontrolle des Staates als das Grundziel des antikapitalistischen sozialen Kampfes sieht, ohne anzuerkennen, dass der Staat selbst, als eine von der Gesellschaft getrennte Regierungsinstitution, eine zentrale Quelle der Beherrschung der Gesellschaft ist. Darum spielte die „soziale Konkurrenz“ für die Entwicklung von Form und Rolle des Staates eine so bedeutende Rolle.
(5) Ganz zu schweigen von der Haltung der ESF-Mitglieder zu den Nationalstaaten.
(6) Lasst uns an die riesige Anti-Kriegsdemo in London letztes Jahr denken. Die „Stoppt den Krieg„-Koalition, von SWP dominiert (wie auch das ESF in Großbritannien gerade), brachte 1,5 Mio. Menschen auf die Straße. Wenn all diese Leute nur einen kleinen Stein an die Mauer des Parlaments hätten werfen können, als sie vorbeiliefen, dann wäre die Wand zusammengefallen; sie wäre gefallen, weil 1,5 Mio. kleine Steine sie getroffen haben. Aber SWP, wie das ESF in anderen Ländern, bevorzugte den „symbolischen Druck“. Haben sie den Krieg beendet? Nein. Was wir damit sagen wollen, als allgemeinen Schluss aus einem sehr einfachen Beispiel ist, dass symbolischer Druck gut ist, aber nicht allein wirksam, um einen sozialen Wandel herbeizuführen.
(7) Die Anti-Globalisierungsbewegung ist sowieso zu verschieden, um als „Bewegung“ durchzugehen.

Buchstabensalat:

Batasuna – baskische Partei (baskisch für Einheit)

ESF – Europäisches Sozialforum

FTAA – Free Trade Area of the Americas

(Freihandelszone der Amerikas)

G8 – Gruppe der führenden Industrienationen

LSF – Londoner Sozialforum

Mercosur – Mercado Común del Sur

(Gemeinsamer Markt des Südens)

NGO – non-governmental organizations

(Nicht-Regierungsoragnisation)

Oxfam – Oxford Committee for Famine Relief

(Oxforder Komitee zur Bekämpfung von Hunger)

SWP – Socialist Workers Party

(trotzkistisch orientierte Partei in GB)

WEF – Weltwirtschaftsform

WSF – Welt-Sozialforum

WTO – World Trade Organisation

(Welthandelsorganisation)

soziale bewegung

Haute Couture nationale

Wie sehen deutsche Nazis aus?

Selbst in gewissen rechten Kreisen macht man sich mittlerweile schon über sie lustig: die klischeehaften „Glatzen“ mit den Springerstiefeln und dem pöpeligen Bauarbeitercharme oder gar die Freaks im nachempfundenen 30er Jahre Look und der Landser-Mütze. Die altbekannten Kleidungscodes werden für die Nazis von Morgen immer mehr zum Auslaufmodel. Viele Rechtsgesinnte, vor allem der Nachwuchs, wollen nicht mehr ohne weiteres mit den peinlichen Klischee-Nazis aus dem Tatort-Krimi in Zusammenhang gebracht werden … oder einfach nicht Scheiße aussehen.

Für Popper und Techno-Fans war es bis vor ein paar Jahren eher schwierig ihre rechte Gesinnung zu zeigen ohne dabei ihren Chic zu verlieren. Wer nicht auf Springerstiefel und Lonsdale-Shirts abfuhr, hatte bisher keine Möglichkeit zu erkennbarem Auftreten.

Außerdem möchte nicht jedeR sich ständig den Stress aussetzen, ständig in der bürgerlichen Öffentlichkeit als rechtsextrem geoutet zu werden. Die gut informierte Mutti von nebenan rümpft spätestens seit dem “Aufstand der Anständigen“ die Nase übers böse Nazi-Skinhead-Outfit und selbst die alte 18 und 88-Masche gehört nicht mehr länger zum Insiderwissen.

THOR STEINAR

Immer mehr Neonazis lassen den alten martialischen Look beiseite und suchen sich neue diskretere und modischere Kleidungsstile. Eine der Marken die seit einer Weile innerhalb der deutschen Nazi-Szene in diesem Sektor boomt ist die Marke THOR STEINAR aus Königs Wusterhausen. Junge Rechte mögen die Klamotten der Brandenburger Firma, denn deren Sachen sind mit Runen verziert die auch im NS verwendet wurden und außerdem verdammt stylisch.

Die Jugendlichen bezahlen neben dem modischen Schnitt auch für die Symbolik. Im THOR STEINAR -Logo sind die germanische Tyr-Rune (Abzeichen der SA-Reichsführerschulen) und die Gibor-Rune oder „Wolfsangel“ miteinander verschlungen. Die Wolfsangel ist nach Hakenkreuz und Sig-Rune das signifikanteste Symbol des Nationalsozialismus (u.a. Symbol für die SS-Division „Das Reich“). Sie ist durch Firmen wie THOR STEINAR wieder gesellschaftsfähig geworden.

THOR STEINAR ist eine Erfolgsgeschichte. Die auf dem globalen Weltmarkt zusammengenähten Sachen sind zur „nationalen Haute Couture“ geworden. TS macht die Szene um eine Facette reicher – die Rechten, die sich immer dagegen wehrten, Skins zu sein, können so ihre Gesinnung zeigen.

Auch in normalen Boutiquen sind die Sachen mittlerweile zu haben. Runen-Symbolik und nordische Mythologie passen zur schleichenden Eroberung der ostdeutschen Jugendkultur durch Rechtsextreme und erleichtern extrem die Rekrutierung von rechtem Nachwuchs. Der Kundenkreis könnte sich zudem bald erweitern: Seit die britische Marke Lonsdale ihr Image mit antirassistischen Initiativen aufbessert, haben Neonazis deren Klamotten schon mal öffentlich verbrannt. TS droht so etwas nicht – die Marke wurde nicht, wie Lonsdale, von den Rechten übernommen, sondern offensichtlich, mit einer speziellen Marketingstrategie, von den Nazis selbst oder Leuten die an ihnen verdienen wollen entwickelt.

Mittlerweile scheinen allerdings auch immer mehr die Gesetzeshüter auf die neuen Dresscodes aufmerksam zu werden. Wie am 18.10. im Forum der Internetseite vom BFC Dynamo bekannt gemacht wurde, hat die Polizei in Cottbus einigen BFC-Fans THOR STEINAR-Klamotten abgenommen und auch bei den Vorkontrollen der Polizei zur gescheiterten Worch-Demo am 03.10. in Leipzig soll es schon Probleme damit gegeben haben. Auf eine nachträgliche schriftliche Beschwerde hin wurde mitgeteilt, daß es im Land Brandenburg einen Gerichtsbeschluss gibt, nachdem THOR STEINAR-Bekleidung verboten ist.

Rechte Vertriebsstrukturen

Obwohl THOR STEINAR, wie schon erwähnt, mittlerweile auch schon in normalen Boutiquen erhältlich ist und in manchen Versänden neben Marken Adidas, Puma und Nike gehandelt wird, nehmen die internen rechten Vertriebsstrukturen immer noch einen hohen Stellenwert beim Handel, mit allem was zum „richtigen Nazi“ sein gehört, ein. Speziell in Sachsen gibt es mittlerweile ein gut ausgebautes Netzwerk von Naziläden und –versänden, welche eine große Bedeutung für die Strukturen der Naziszene haben.

Vor wenigen Monaten wurde deshalb von sächsischen Antifa-Gruppen die Kampagne SCHÖNER LEBEN OHNE NAZILÄDEN! initiiert. Ziel der Kampagne sollen neben Naziläden auch Versände und der rechte Lifestyle als solches sein: „Mit der Kampagne SCHÖNER LEBEN OHNE NAZILÄDEN! soll das bisher weitgehend ungestörte Treiben und Wirtschaften der Naziläden be- und verhindert werden. Die Knotenpunkte der Naziszene sollen öffentlich gemacht, die AkteurInnen benannt und die schleichende Übernahme subkultureller Milieus zurückgedrängt werden. Im Zusammenhang damit muß aber auch der in weiten Teilen bestehende rechte Konsens thematisiert werden, da der ungestörte agierende Handel mit Naziware nur ein Ausdruck dessen sind.“

Gleich die erste Antifa-Demo der Kampagne in Chemnitz gegen den dort ansässigen Laden BACKSTREETNOISE stach in ein Wespennest. Die mit 400 Menschen gut besuchte Veranstaltung sah sich mit Nazigruppen konfrontiert, die versuchten die AntifaschistInnen anzugreifen. Dies wurde explizit von dem Betreiber des Naziladens BACKSTREETNOISE Hendrik Lasch forciert, der an diesem Tag mit Rabatten und einem Grillfest vermehrt seine Kundschaft nach Chemnitz lockte.

Die zahlenmäßig unterlegene Polizei konnte die Nazis nur bedingt daran hindern, die Demo anzugreifen, so mußte der Antifaschistische Selbstschutz oft genug die Nazis direkt an der Demo stoppen. Daß Chemnitz erst der Anfang war, wissen auch die Nazis und mobilisieren für die nächste Kampagnen-Demo in Pirna zu ähnlichen Gegenaktionen.

27.11. Pirna

Die nächste Demo der Kampagne wird am 27.11. in Pirna stattfinden. Bereits am 12.06. diesen Jahres demonstrierten hier ca. 300 Menschen, um auf die hiesigen Nazistrukturen aufmerksam zu machen. Auf der aktuellen Demo werden der Naziladen „Eagle“ und die zahlreichen um Pirna angesiedelten Versände und Fanzines, wie den „Hugin-Versand“ des Andre Malheur, den „Berkana-Versand“ des Robert Wilkens, die Fanzines „Stahlhelm“ und „Rufe ins Reich“, thematisiert.

Mehrere Grüppchen Nazis, darunter auch Berliner Kameradschaftler, versuchten auch diese Demo zu stören. Diese Versuche, wie eine Sitzblockade, wirkten aber eher lächerlich und konnten die gute Stimmung der Demo nicht trüben. Die Erfahrung von Chemnitz zeigt jedoch, daß es nicht immer ganz so harmlos ausgehen muß und wie wichtig es ist den Selbstschutz einer Demo nicht zu vernachlässigen.

lydia

NazisNixHier

Fahrenheit 3/10/04 *Kritische Masse*

Der 03. Oktober 2004: „Der düsterste Tag des Jahres in Leipzig“ (Bild). Brennende Müllcontainer, tausende DemonstrantInnen. „Schwere Krawalle“ (sachseninfos). Worch & Co stehen einer „Blockadefront im Süden“ (LVZ) gegenüber: 150 Nazis ca. acht Stunden im Doppelkessel. Das war der Ausnahmezustand in Leipzig.

„Worch nutzt diesen Tag des Gemeinsamen, um zu spalten und unsägliche Parolen zu skandieren“, während der OB Tiefensee verkrampft versucht, sich in die Psyche und Motivationen des Rechtspopulisten und Faschisten Christan Worch hineinzudenken und dabei im eigenen dumpfen Nationalismus verirrt (Tag des Gemeinsamen???), sind die Bewohner und Symphatisantinnen der Leipziger Südmeile und den angrenzenden Vierteln in ihrer Analyse um einiges weiter. Neben der Erkenntnis, daß Worch & Co jede erdenkliche Möglichkeit nutzen, um sich auf der Straße zu präsentieren – im übrigen eine alte, von Goebbels propagierte SA-Taktik – musste der Aufmarsch entlang der Karl-Liebknecht-Straße (ehemals Adolf-Hitler-Straße) als direkte Kampfansage und Strategiewechsel der Binnenmobilisierung innerhalb der aktiven rechten Szene gewertet werden. In Zusammenhang mit dem relativ erfolgreichen Aufzug vor dem Chemnitzer Livestyle-Laden BACKSTREETNOISE eine Woche zuvor, bei dem es zu Auseinandersetzungen mit einer antifaschistischen Demonstration kam (s. auch S. 14f), und dem kürzlichen Wahlerfolg der NPD in Sachsen, war das Mobilisierungspotential sogar noch höher einzuschätzen.

Offensichtlich teilten viele antifaschistisch Bewegte diese Einschätzung und Worchs „Marsch auf Connewitz“ erlebte seinen ersten Rückschlag: Er geriet zur Gegenmobilisierung. Tausende strömten an dem schönen Sonntagmorgen die Straßen entlang und verstopften alle Zugänge in die angrenzenden Straßen. Die Polizei hatte zwar, aufgrund anderer Analysen oder einfach nur den Aussagen Worchs zufolge (500 gemeldete TeilnehmerInnen), das Mobilsierungsver­mö­gen von Worch & Co realistischer eingeschätzt und war denen zahlenmäßig weit überlegen (ca. 1000 grüne Plastiboter). Scheinbar nicht gerechnet jedoch hatte der leitende Befehlsstab mit der Menge an Gegen­demonstran­tInnen, die da durch das gesamte Südstadtviertel schwärmten. Daß letztlich nur zwischen 150-200 Neonazis am Versammlungsort erschienen, könnte folgender­maßen begründet werden. Entweder die übrige rechte Szene hatte bessere Analysen als Worch und rechnete mit starkem Widerstand – ihr Mobilisierungspotential allein in Sachsen liegt auf jeden Fall wesentlich höher – oder Worchs Kontakte und Anhänger sind längst nicht mehr so gut und zahlreich wie ehedem. Vielleicht blieben auch einige unserer Prachtdeutschen auf ihrem Weg durch die Innenstadt stecken und machten aus Angst vor einigen militanten Antifa-Gruppen, die dort umherschlichen, gleich wieder kehrt. Aber die hätten den Braten auch nicht fetter gemacht.

So jedenfalls kam es, daß zur Mittagszeit ein großer Pulk leicht verängstigter Neonazis mit schwerer Eskorte vom Bahnhof in das errichtete und abgeriegelte Polizeidorf auf dem Leuschner-Platz einrückte. Dort wartete Worch schon eine ganze Weile mit ca. 20 AnhängerInnen und war wohl froh, daß doch noch jemand auf seine Demo gekommen war. Die sich aufheizende Stimmung allerdings dürfte seine Euphorie schnell gedämpft haben. Immer mehr GegendemonstrantInnen umstellten jetzt den Polizeikessel und den gesamten Leuschnerplatz. Die Auftaktkund­gebung beginnt. Auf der Windmüh­len­straße dagegen werden Container auf die Straße gezogen und umgekippt. Dahinter sammeln sich drohend mehrere hundert Entschlossene. Ähnliches geschieht auf der Arthur-Hoffmann-Straße, auf der Bern­hard-Göring-Straße und auch auf dem unteren Teil der Karl-Liebknecht-Straße. Alle Zugänge in den Leipziger Süden sind somit verstellt. Niemand weiß, welche Strecke die Demonstration nehmen soll. Die Stimmung heizt sich im Warten auf. Das wird durch die Informationspolitik der Po­li­zei verstärkt, die in undurchsichtigen Verhandlungen mit Worch steht, um die Demonstration doch noch (wenn auch auf einer alternativen Route) durchzuführen, Wird sich die Polizei beeindrucken lassen? Nichts deutet darauf hin. Wie als Antwort, beginnen wenig später fast alle Müll­con­tainer-Haufen [1] zu brennen.

Die Beamten werden unruhig. Schweres Gerät fährt auf. Dann beginnt die Aktion, die von allen als Vorbereitung für den Aufmarsch verstanden werden muß. Schwere Polizeiver­bände räumen die Windmühlenstraße und rücken vom Bayrischen Bahnhof in die Arthur-Hoffmann- und Bernhard-Göring-Straße vor. Wasserwerfer löschen die brennenden Reste. Der Räumpanzer brummt träge. Beamte stoßen seitlich auf die Liebknecht-Straße vor, um auch dort die bren­nen­den Container „sicherzustellen“. Es kommt zu Auseinandersetzungen. Flaschen und auch Steine fliegen. Während des ganzen Vorstoßes wird entschlossen Widerstand geleistet, auf allen Straßen wiederholen sich Sitz- und andere Blockadeversuche. Trotz massiver Drohung von Seiten der Polizei, Lauf-, Schlag- und Trettaktiken, trotz Pfefferspray-Einsatz und abschreckender Festnah­me­aktionen. Überall dort, wo die Beamten abziehen, bildet sich sofort wieder eine kritische Masse. Gespeist aus besorgten Anwoh­nerInnen, eventorien­tierten Jugendlichen, AktivistInnen, Militanten, Ökos, Altkom­mu­nisten, Antifaschis­tInnen etc. pp.. Auf Höhe Schenkendorf-/Arthur-Hoffmann-Straße steht der polizeiliche Vormarsch dann vor einer Sitzblockade still. Ein junger Mann brüllt aus dem Fenster: „Ich weiß nicht, was ihr die ganze Woche macht! Ich arbeite!“ Alles lacht. Was in dem Moment noch niemand recht glauben kann, wird wenig später Gewissheit. Die Polizei zieht sich zum Leu­schner-Platz zurück. Und erst jetzt ist klar: Der Aufmarsch wird wohl nicht mehr stattfinden. Die Demonstration ist nur bis 20 Uhr gemeldet und die Zeit weit fortgeschritten.

Die Anspannung löst sich langsam und siegestrunken versammeln sich rund tausend AntifaschistInnen rings um den Leuschner-Platz. Immer wieder fliegen spottende Sprechchöre in Richtung der Neonazis, die die Polizei zwischen den Bäumen auf dem Platz versteckt und weiträumig abschirmt. Einige offensichtlich übermütige Einbruchsversuche in die Polizeistellung gehen kläglich aus, trüben aber nur leicht die gute Stimmung der Versammelten. Manchem und mancher kommt dabei in den Sinn, was eigentlich wäre, wenn mensch die Faschisten einfach die ganze Nacht hier festsetzen würde. Ein erheiternder Gedanke. Es geht derweil das Gerücht, dass die Neonazis das Angebot erhalten haben, mit Gefängnisbussen der Polizei aus der „Gefahrenzone“ gebracht zu werden. Die sind manchmal ja so cleääver und effektiieffff! Leider jedoch sollen die Worchianer nicht so dumm gewesen sein, wie mensch gemeinhin denken kön­n­te, und hätten die Falle ausgeschlagen.

Als die Zeit auf 20 Uhr fortschreitet und in­zwischen heisere Sprechchöre „Nur noch fünf Minuten!“ skandieren, sind immer noch 300 bis 500 Gegen­demonstrantInnen versammelt, um der gesamten Bagage einen guten Nachhauseweg zu wünschen. Zwei LVB-Linienbusse fahren vor. Aber nur zur Ablenkung. Plötzlich bricht eine schwere Eskorte aus den im Dämmerlicht Schatten werfenden Büschen. Die verbliebenen Neonazis! Gekesselt und beschützt von einem dreifachen Ring aus PolizistInnen. Worch ist nicht mehr dabei. Unter Steinwürfen und viel Lärm versucht die Polizei, die Gegendemons­tran­tInnen vom Rossplatz auf den Ring zu drängen, was auch aufgrund des massiven Aufgebots sehr schnell funktioniert. Hier allerdings kommt der ganze Tross aus grüner Plaste und Dummheit zum Stehen. Den Einsatzkräften stehen zwischen 100-200 Militante gegenüber, die immer wieder Steine auf den vermuteten Neonazi-Pulk werfen. Die ganze Situation droht zu eskalieren, als plötzlich 20-30 der Holhlraumhirne auf eigene Faust aus dem Kessel ausbrechen wollen. Nach einigen Handgemengen, die sich größtenteils in den Büschen abspielen, gewinnt die Polizei wieder die Oberhand und schnürt den Dreifach-Kessel noch fester. Ein aufgefahrener Wasserwerfer wird dann doch nicht eingesetzt, die Polizei umzingelt die große Kreuzung und treibt die aufgelaufene Menge auseinander. Wieder Lauf- und Schlag­­taktiken. Abschreckend brutale Festnahmen. Während der Hauptteil der Polizeistreitmacht sich schnell über den Ring Richtung Bahnhof bewegt, jagen BF-(Beweissicherungs- und Festnahme-)Einheiten [2] die versprengten Ge­gen­demonstrantInnen durch die Innenstadt. Denen gelingt es jedoch auf dem kurzen Weg immer wieder, nahe an den Neonazi-Pulk heranzukommen und ihnen Steine, Flaschen und Worte entgegenzuschleu­dern. Vom Bahn­hof her hört mensch schon das abgerichtet monotone Bellen von Hunden. An jedem Eingang eine Rotte Polizis­tInnen und vier Hundeführer. Davor haben sich nochmals mehrere hundert De­mons­tran­tInnen versammelt, um den Neonazis ein letztes: „Lebt wohl!“ zuzurufen.

Die Polizei geht jetzt schnell und kompromisslos vor und verschiebt die Bande zügig über die Bahnsteige. Wohl enttäuscht aber doch froh verlässt der braune Spuk die Stadt und die antifaschistische Menge löst sich auf. Die Beamten der BFE haben Teile des inflationär abgefilmten Videomaterials schon ausgewertet und nehmen zielgerich­tete Verhaftungen vor. 29 sind es über den ganzen Tag. Die Nacht verläuft ansonsten ruhig, vor dem Volkshaus (Liebknecht-Straße) wird noch bis spät gefeiert. Und mit allem Grund: Das war die größte und erfolgreichste kollektive antifaschistische Aktion seit fast sieben Jahren (Mai ‘98 Stötteritz). Zwischenzeitlich hatten Worch & Co gut ein Dutzend Aufmärsche in Leipzig abgehalten, die größtenteils ohne ernsthafte Gegenwehr vonstatten gingen. Und so war so manche schon ins Grübeln darüber geraten, ob nicht die taktischen Analysen des Bgr (Bündnis gegen Realität) [3] eine Bankrotterklärung für die aktive antifaschistische Szene darstellten oder gar allgemein ein Rechtsruck in Leipzig zu verzeichnen war. Schließlich gelang es Worch zu­weilen, mehrere tausend Faschis­tInnen auf die Straße zu bringen.

Doch, wie schon oben erwähnt, hatte Worchs „Plan“ auf Connewitz zu marschieren und damit eines der bedeutendsten sächsischen Zentren antifaschistischen Widerstands als Papiertiger zu entlarven, den gegenteiligen Effekt. Durch die solidarische und konstatierte Ge­genmobilisierung aller Aktiven, Gruppen und Projekte war es gelungen, an diesem Sonntag eine kritische Masse auf die Straße bringen, die sich in dem Ziel und der Ent­schlossenheit einigte, diesen Aufmarsch und die damit verknüpfte symbolische Über­legen­heitsgeste Worchs und seiner Kameraden zu verhindern. Dabei ist zu betonen, dass trotz des Ausnahmezustandes, der teilweise in der gesamten Südvorstadt herrschte, der Sachschaden sehr gering ausfiel (hinterher auf ca. 20.000 Euro geschätzt) und der Protest größten­teils friedlich verlief. Der hohe Anteil event­orientierter, unerfahrener, junger Gegen­demonstrantInnen, die sich von den brenz­ligen Situationen in ihrer Spontanität nicht bremsen ließen, sich durch Sitzblockaden immer wieder risikoreich dem Zugriff der Polizei aussetzten (Pfefferspray, Abräumaktionen etc.) und sich letztlich durch die Ausnahme-Möglichkeiten des Tages inspirieren aber auch verführen ließen, ist sicher ein entscheidender Faktor für den Erfolg gewesen, neben der großen Masse an sich. Ohne das Zusammenspiel mit den kleinen militanten und teilweise gewaltbereiten Gruppen aller­dings, hätte die Polizei das Gefahrenpotenzial sicher nicht so hoch eingeschätzt und den Aufmarsch wahr­scheinlich doch durch­gesetzt. Die friedliche Bierbankblocka­de von DGB-IGM-PDS vor dem Volkshaus wäre dann wohl auch irgendwann gefallen, war aber so ein wertvoller logistischer Rück­zugs­punkt. Will heißen: Friedlicher Protest, Event und Militanz waren derart miteinan­der verwickelt, dass eine kritische Masse entstand, die chaotisch (ohne einheitliche Strategie) ihr Ziel erreichte. Dabei fiel vor allen Dingen die Verhältnismäßigkeit der Aktionen auf, ein Fakt, den die gutbürgerliche Presse still­schwei­gend vergisst. Es gingen schließ­lich nur ganz wenige Glasscheiben zu Bruch und den größten Teil des Schadens dürften abgebrannte Müllcontainer und dadurch beschädigte Straßenbahnschienen (???) verursacht haben.

Wenn das Bündnis „Leipziger Freiheit gegen braune Gewalt“ unter Montagsdemo-Held Winfried Helbig der Meinung ist, diese „erschreckende Dimension der Gewalt“ würde jede Zusammenarbeit verhindern, hat es offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht verstanden und es sei nur daran erinnert, daß alle bisherigen Versuche des Bündnisses, einen Aufmarsch zu verhindern, scheiterten.

Zum Steinwerfen mag jedeR stehen wie er will, gegen schwergerüstete und bis an die Zähne bewaffnete Robo-Cops stellt es (leider) eines der wenigen Mittel dar, die die deutsche Polizei überhaupt noch abschreckt, gegen ungeschützte Personen finde ich es schlicht hinterhältig und menschenverach­tend. Daß die Polizei selbst den Schein der Verhältnismäßigkeit wahrte und keine Provokationen verursachte, lag sicher an ihrer offensichtlichen zahlenmäßigen Unterlegenheit, allerdings ragte sie auch bei einigen brutalen Übergriffen negativ heraus. Was treibt einen Erwachsenen, wenn er die Finger eines pubertierenden Jugendlichen aufbricht und ihm aus nächster Distanz Pfefferspray ins Gesicht sprüht? Was eine Rotte Zwanzigjähriger, wenn sie sich zusammen über einen Gleichaltrigen stürzen, ihn treten und schlagen? Was denkt sich ein Mensch, wenn er berufsmäßig beim Laufen einem anderen die Beine wegschlägt oder ihn an den Haaren nach unten zieht? Auch hat ein Polizist zweimal in die Luft geschossen und Demons­tran­tInnen mit gezogener Waffe bedroht. Nichtsdestotrotz, angesichts der Möglichkeiten der deutschen Polizei, von Tränengas bis Gummigeschos­sen, war der Einsatz einiger­maßen verhältnismäßig. Das ist kein Lob an die Polizei und lag m. E. vor allen Dingen an den Gegen­demonstrantInnen, die sich eben nur in wenigen einzelnen Ausnahmen in Vandalismus und Gewaltexzessen ergingen. Schade fand ich persönlich, dass mensch sich an diesem Tag nur punktuell auf die Gegenwehr konzentrierte. Aus dem Nachhinein gesehen, hätte mensch die Ausnahmesituation im Leipziger Süden prächtig nutzen können, um auf antifaschistische Kon­tinuitäten und den gesamtgesellschaftlichen Kontext antifaschistischer Aktion aufmerksam zu machen. Sei es durch Graffitis und wilde Plakatier­aktionen, sei es durch Handzettel mit weiterführenden Veranstaltungen, Kontakte zu Gruppen, Projekten usw. Hier besteht also noch Entwick­lungs­potential für den Fall, dass Worch & Co wiederkommen, wie sie großmäulig verkündet haben.Ein großer Dank geht auch nochmal an Ra­dio Blau und die BewohnerInnen der Südvorstadt, die ihre Boxen in die Fenster stellten. Die Live-Berichterstattung hat viel zur Stimmung und Information beigetragen.

Zum Schluß: Gegenwehr ist wichtig! Aber niemand sollte vergessen, dass solche Konfrontationen auf der Straße heute fast nur noch symbolischen Gehalt besitzen. Angefangen mit dem „Marsch auf Conne­witz!“, über die zündelnde Drohgebärde „Ihr kommt hier nicht durch!“ bis hin zum Wasserwerfereinsatz gegen abgebrannte Müllcontainer unter dem Motto „Wir bestimmen hier über die Ordnung!“. Diese größtenteils symbolisch aufgeladenen Kämpfe haben dadurch identitätsstiftenden Charakter, werden jedoch niemals wirksam an den Ursachen rühren. Gerade deshalb darf sich gelebter Antifaschismus nicht allein auf die einzelne antifaschistische Aktion be­schrän­ken und muß den gesellschaftlichen Zusammenhang reflektieren, auf dessen Hintergrund Faschismus sich in der Gesellschaft der guten Bürger immer wieder reproduziert, will er schließlich dauerhaft erfolgreich sein! Die selbstkritische Frage, warum nach jahrelanger Abstinenz plötz­lich so viele aktiv waren, bloß weil die Fa­schis­tInnen mittlerweile wieder vor der eigenen Haustüre stehen, warum stadt­mensch sich Stück für Stück von den antifaschistischen Aktionen in den ländlichen Regionen entsolidarisiert hat, wäre hierfür sicher ein Anfang!

clov

[1] Der durch die Umgangssprache und von der Presse kolportierte Begriff „Barrikade“, ist einzig der Sensationslust geschuldet.
[2] Die sogen. BFE umfaßte 1997 bundesweit offiziell 2.120 PolizeivollzugsbeamtInnen. Diese Spezialeinheiten der länderspezifischen Bereitschaftspolizei sind in den neuen Bundesländern nach dem Vorbild der bayrischen USK (Unterstützungskommandos) modelliert und ersetzten bundesweit die SEK-Einheiten, die damals zwar auf den Anti-Terror-Kampf spezialisiert waren, aber immer wieder auf Demonstrationen eingesetzt wurden. Auch wenn in den unterschiedlichen Bundesländern unter anderem Namen, verfügt heute jede Bereitschaftspolizei über solche Einheiten. Sie unterscheiden sich in Organisation und Aufgabengebiet von den Beweissicherung- und Festnahme-Hundertschaften (BFHu) des Bundesgrenzschutz. Die BFE der einzelnen Bundesländer werden grenzübergreifend bei Demonstrationen und Fußballspielen eingesetzt und bestechen durch ihre Ausbildung und Ausrüstung. Auf das „beweissichere“ Isolieren und Greifen von „Störern“ trainiert, arbeiten im Regelfall fünf Beamte (Greiftruppführer, zwei Zugriffsbeamte, ein sichernder Beamter und ein Fahrer) mit einem Be­weis­sicherungs- und Dokumentationstrupp (BESI bzw. BEDO) zusammen. Ihre stark erweiterte Ausrüstung ermöglicht sowohl ein kom­promiß­loses Vorgehen als auch direkte Zielfahndung (vor allem möglich durch die Vi­deo­technik). Vorsicht, zumindest die Thüringer BFE verfügt auch über Ausbildung und Ausrüstung in Zivilfahndung, die 12 Stunden vor und nach der Veranstaltung auch rechtlich abgesichert ist.
[3] Das ehemals Bündnis gegen rechts genannte Antifa-Forum trat 2001 mit der Parole „Ausschlafen gegen rechts!“ von der Taktik der permanenten Mobilisierung gegen die marschierenden FaschistInnen zurück. Der Einfluß des Bgr zeigte sich in der Folge darin, daß in Leipzig nur noch wenige antifaschistische Gruppen und Personen mobilisierten bzw. sich Gegen­mobi­lisierungen anschlossen.

NazisNixHier

Mut zur Klasse

Unruhe gibt es auch „im Osten“, etwa bei der SCP Neusiedler Papierfabrik Ruzom­berok. Nach Angaben von Beschäftigten hat die Gewerkschaft versagt, weil sie gegen den Konzern, der auch in Österreich, Ungarn, Südafrika etc. Fabriken unterhält, keine angemessen Lohnerhöhung durchsetzte. Also gründeten fünf ArbeiterInnen im September 2004 zunächst ein Petitions-Komitee (PC). Mehr als 1.200 Kol­legIn­nen, rund 90% der Belegschaft, unterzeichneten die Petition, in der Lohnerhöhungen zum ersten mal öffentlich eingefordert werden. Das Management reagierte ablehnend und drohte mit Entlassungen, weil das Unternehmens-Image durch die PC-Veröffentlichungen Schaden genommen habe.

Im Oktober wurde das PC zu Verhandlungen eingeladen. Sie bekamen allerdings eine Rüge wegen „Verstoß gegen die Arbeitsdisziplin“ und konnten ihre Sachen packen, bevor man sie vor die Tür setzte.

Am 23. September hatte das PC eine Versammlung organisiert, zu der 300 Arbei­terInnen kamen. Sie beschlossen, in dem Werk eine neue Gewerkschaft zu grün­den. Erstmals versuchen sich Arbei­terInnen in der Slowakei an anderen Formen der Organisation: Entscheidungen wer­den auf Vollversammlungen getroffen, die Funktionäre sind jederzeit absetzbar, bekommen den Durchschnittslohn.Die Stimmung ist so kämpferisch, dass auch die Betriebsbesetzung erwogen wird…

19 Mitglieder des PC und der neuen Gewerkschaft Papier, die im November mit 350 Mitgliedern offiziell registriert wurde, wurden bisher entlassen. Die Forderungen sind klar: Wiedereinstellung, Anerkennung der Papier und Lohnerhöhung, wie das PC sie forderte.

A.E.

sozialer protest

German Fall and Raise: NPD

Ein Hoch auf die deutsche Verfassung! Ein Hoch auf die deutsche Parlamenterei! Ein Hoch auf die Partei-VergeigerInnen! Nach­dem sie in einer „antidemokratischen“ Anwandlung ihre faschistischen GenossInnen von der NPD kurzerhand verbieten lassen wollten – was bekannter­maßen gründlich schief ging – steht die NPD heute besser da, als je zuvor. In Sachsen auf Augenhöhe mit der SPD. Was als Schlag gegen die Organe der faschistischen Bewegung in Deutschland geplant war, wuchs zu einem riesigen PR- und Propa­ganda­forum für die NPD und die rechte Szene aus, bewirkte Solidaritätsadressen. Wenn DVU- und NPD-Kader neuerdings tönen, sie würden auf einer gemeinsamen Liste für die nächste deutsche Bundestagswahl kandidieren, spricht das für neues Selbstvertrauen und neue Einigkeit.

Daran ist nicht so sehr schlimm, daß Parla­mentarierInnen eventuell mit solchen Dumpfbacken gemeinsam in der Mensa sitzen müssen, sondern vielmehr, daß über den Fond für „Wahlkampfkosten­rücker­stat­tung“ riesige Geldsummen zurück in die rechten Strukturen fließen. Manche Par­tei findet das wohl auch gar nicht so schlecht. Kann man doch jetzt, wo rechtsextreme Positionen wieder offiziell präsent sind, erneut offensiv rechte Themenfelder besetzen und sich dabei nach dem Motto auf die Schulter klopfen: „Wir graben denen schon das Wasser ab!“. Derweil sind die Wahlerfolge der rechten Parteien längst nicht mehr allein aus dem Protestpotenzial zu erklären. Vielmehr hat gerade die SPD mit ihrer nationalistischen „Wir-alle-in-einem-Boot“-Rhetorik, in Zu­sam­men­hang mit dem verstärkten ökonomischen Druck auf die deutsche Volkswirtschaft, mit der sogenannten „Faulenzer“-Debatte und dem weiterhin skrupe­llosen Umgang in der MigrantInnen-Frage, verschiedene ideologische Versatzstücke geliefert, die im Zusammenhang mit der unbewältigten, vielleicht unbewältig­baren Vergangenheit des deutschen Staatsapparats auf breite Empfänglichkeit innerhalb der Bevölkerung deutscher Nation stoßen. Diese rechtskonservative Gemengelage erleichtert es faschistischen Kadern und ihren Orga­nisa­tionen, Junge und Alte, Männer und Frauen zu rekrutieren. Eine sehr bedenkliche Entwicklung, die nur ihre Spitze in den verstärkt aufkommenden anti­ameri­ka­nischen, antiisrae­lischen bis antisemitischen Ressentiments findet.

Die jüngsten Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg und der Einzug der NPD in die Landtage sind also bei weitem nicht so unvermutet und unerklärlich – aber auch lange nicht so gefährlich, daß jedermensch jetzt zur nächsten Wahlurne rennen muß! Die Parlamen­tarier­Innen sollen sich mal ruhig mit diesen Hohlköpfen auseinandersetzen! In Sachsen-Anhalt hatte sich ja die inkompetente DVU-Fraktion quasi selbst zerschlagen. Gefährlich dagegen sind die gewaltbereiten Gruppen und Kameradschaften, gefährlich ist ihr ideologischer Rückhalt, vor allen in den ländlichen Gegenden, gefährlich sind die gesellschaftlichen Ursachen, auf denen der alte wie der neue Faschismus fußt!

clov

NazisNixHier

Der AZ-Wagenplatz in Osnabrück

Geschichte & aktuelle Entwicklungen

Der AZ-Wagenplatz Osnabrück besteht seit nunmehr über 2 Jahren. Entstanden ist er aus der Hausbesetzung für ein Autonomes Zentrum (Koksche Strasse 1.Mai 2002). Nachdem das Haus geräumt wurde und mehrere Leute auf der Straße standen, bot die Stadt den Ex-BesetzerInnen ein kleines Areal in der Nähe eines städtischen Jugendzentrums übergangsweise an. Hier wurden die ersten Bauwagen aufgestellt, jedoch kam es dort im Juni 2002 zu einem brutalen Angriff von über 30 Nazis/rechten Hooligans, wobei nur durch entschlossene Gegenwehr der Bewoh­nerInnen (und FreundInnen) Zerstörungen verhindert werden konnten.

Aufgrund der Sorge der AnwohnerInnen ein Vorfall dieser Art könnte sich wiederholen musste die Wagenburg zum Fürste­nauer Weg umziehen. Der Fürstenauer Weg liegt am nördlichen Rande der Stadt, ohne Strom und Wasser, zwischen Müllkippe, Klärwerk und bald auch einer Müll­verbrennungsanlage.

Dennoch bildete sich hier bald ein buntes Leben heraus. Immer mehr Aktivis­tInnen verzichteten auf das Leben in einer Wohnung und entschieden sich fürs Bauwagenleben. Auch konnten einige Menschen hierdurch von der Obdach­lo­sig­keit bewahrt werden. Zeitweilig wohn­ten hier über 25 Personen.

Zu betonen ist, dass der AZ-Wagenplatz die Zwischenlösung für ein Autonomes Zentrum darstellt. In diesem Sinne wurde auch ein großes Zirkuszelt gekauft, in welchem seit 2 Jahren vielfältige Veranstaltungen stattfinden (Theater, Konzerte, Lesungen, Politprogramm). Höhe­punk­te waren ein großes Fußballturnier, das bundesweite Vorbereitungstreffen für die Anti-Lager-Action-Tour 2004 sowie verschiedene zum Teil hervorragend besuchte Konzerte. Auch stellt der AZ-Wa­gen­platz Plenumsgrundlage für mehrere autonome Gruppen dar.

Den ersten Räumungstitel erhielt der Wa­gen­platz bereits im Oktober 2003, öffentlich wurde dem etwas entgegengewirkt, indem kurz zuvor offizielle Wagentage mit einer einigermaßen großen, kraftvollen Demo durchgeführt wurden. Gegen den Räumungstitel wurde vor dem Verwal­tungs­gericht Klage eingereicht, diese hatte letztlich aufschiebende Wirkung.

Damit ist es jetzt wohl allerdings vorbei. Zum 31.10. muß der AZ-Wagenplatz, geht es nach der Meinung einiger Starrköpfe der lokalen CDU/FDP, gehen. Eine fundierte Begründung dafür gibt es nicht (lediglich Hinweise auf Baunutzungsver­or­dnung und Flächennutzungsplan), Argumente ob der Zerstörung der un­kom­mer­ziellen, alternativen Kultur, der sozialen Funktion des AZ-Wagenplatzes werden schlichtweg ignoriert. Alternativen sind noch völlig unklar, ein vernünftiges Autonomes Zentrum nicht in Sicht.

Aus diesem Grunde wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober das Luther-Haus in der Jahnstraße besetzt. Die symbolische Aneignung des leerstehenden Hau­ses zu sozialen Zwecken wurde aller­dings nach kurzer Dauer beendet. Ein leider allzu aufmerksamer Bürger berichtete der Polizei „von einer größeren Gruppe Rucksäcke tragender Jugendlicher, wel­che ins Luther­haus eingestiegen seien“.

Annähernd 40 PolizistInnen ,welche aus dem gesamten Landkreis zusammengezogen wurden, beendeten die Besetzung gegen 5.30. Sie zerschlugen die Eingangstür und die 16 BesetzerInnen wurden zur ED-Behandlung auf die Polizeiwache am Kollegienwall gebracht. Anzeige wegen „schweren Hausfriedensbruches“ wurde gestellt.

Zeitgleich machten sich einige weitere emsige NachtaktivistInnen mit diversen Zugmaschinen und Bauwagen auf den Weg, um einen neuen Wagenplatz zu besetzen: ein sich unweit des AZ-Wagenplatzes befindliches neues Areal. Was nicht gewusst werden konnte, die Stadt (als Eigentümer) hatte dieses dem in Osnabrück stationierten britischen Militär verpachtet. Militärpolizei stattete den neuen Be­woh­nerInnen einen Besuch ab, nach 2 Tagen mussten die Bauwagen zurück zum Fürstenauer Weg. Die Neue Osnabrücker Zeitung titelte „Autonome gehen britischen Panzern aus dem Weg“. Einen Tag später gleich wieder eine neue symbolische Besetzung. Mehrere LKW und Bauwagen besetzten für einige Stunden das symbolträchtige, brachliegende Areal des ur­sprüng­lich okkupierten Hauses an der Kokschen Straße.

Der Räumungstermin rückt näher, es wird ernster. Achtet auf Ankündigungen.

(Ein Beitrag der befreundeten Redak­tion der alternativen Osnabrücker Zeitung Die Zwille)

mehr Infos unter:
www.azwp.de.vu

Freiräume

WENDEBECKEN 2004: Deutsche Polizei auf dem Vormarsch

oder: Die Gewalt geht vom Staate aus!!   

Am 08. September 2004 umzingeln 1400 schwer bewaffnete Polizeikräfte das als Wendebecken bekannte Areal zwischen dem Lager der Staatsoper und einer Parzelle des Gartenbauamtes in Hamburg/Barmbek, unter dem Vorwand, nur einen Befehl auszuführen. Genauer einen Räumungsbefehl, der auf dem politischen Willen des städtischen Parlaments fußt und der repressiven Linie seiner Prota­gonis­tInnen folgt. ‚Egal’, denkt sich der gemeine Polizist, der da am frühen Morgen sauer aufstoßend durchs Gestrüpp in das Gelände eindringt, ‚Befehl ist Befehl und Recht ist Recht’. Wie lautete die Begründung für die Räumung noch mal? Ach ja, auslaufender Mietvertrag und Grünfläche geplant. Zwar gibt es noch keinen Finanzierungsplan, aber der politische Wille bestehe schon. Alles klar!? Die Stadt will eine noch zu fi­nan­zierende Grünfläche anstelle eines kostenfreien Wa­genplatzes Wendebecken; beschauliche Blümchen anstelle eines alternativen soziokulturellen und politischen Zentrums. Wieso? Weshalb? Warum? – niemand aus dem riesigen Überfallkommando stellt sich an jenem Morgen diesen Fragen.

JedeR der Beamten rechnet scheinbar mit erbittertem Widerstand, anders sind Aufwand und Ausrüstung nicht zu erklären. Und was war da nicht alles an Vorbereitungen auf der Gegenseite gelaufen. Eine Aktionswoche seit dem Auslaufen des Mietvertrages am 31.08.2004 mit Soli-Veranstaltungen, Kulturprogramm, Demonstrationen, Protestaktionen und der Besetzung des Nachbargrundstücks. Aufrufe, Briefe, Stellungnahmen. Die ent­schei­dungstra­genden Parla­men­ta­rierInnen haben sich derweil auf die andere Seite gedreht und mü­de gegrunzt: Wir halten an unserer Linie fest (siehe Wohnwagengesetz). Auslauf des Nu­tzungsvertrages. Räumung. Ersatz gibt es nicht. Verhandlungen? Später … vielleicht. Genug Fruststau also, um … – der gemeine Polizist tastet unruhig nach den Waffen, während er zusammen mit einer Hundertschaft über eine Mauer vorrückt.

Wenig später. Einige Grünbehelmte popeln am verbarrikadierten Haupttor. Hunderte stehen ratlos davor und auf dem ganzen Platz. Höhere Beamte markieren gerade einen Wagen mit Eins – wie ers­ter Abtrans­port. An­stelle dass die städtisch beorderte Staatsmacht mit­ten in einem Bürgerkrieg steht, wie ihr Aufzug suggeriert, befindet sie sich in einem Laboratorium des gewaltfreien Widerstands. Eine Ankettung auf einem riesig ho­hen und wack­ligem Turm, zwei direkt am Tor. Eine in Fässer einbetonierte Menschenkette vor einem gekreuzten Wagen. Zwei weitere, einzelne Einbetonierungen auf dem Platz. Zusätzlich zwei Tripods (1) und eine Ankettung in einem Baum. Aber die Überraschung ist nur von kurzer Dauer. Alltag. Routine. Es ist zu bezweifeln, dass eineR der BeamtInnen vor Ort nur einen Moment über den Mut und die Entschlossenheit der Bewohner und Bewohnerinnen des Wendebeckens nachgedacht hat. Daß diesem ein ernstzunehmendes Bedürfnis zu Grunde liegen könnte, hat wohl keineR in Erwägung gezogen. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Die beiden am Tor wurden schnell losgelöst und verhaftet, der Turm erstürmt, die Tripods fasst umgekippt, bei dem schließ­lich erfolgreichen Versuch dutzender Beamter, sich der ausharrenden Menschen dort zu bemächtigen. Die Einbetonierten wurden teilweise aufgebohrt, teil-weise mitsamt dem Betonfaß aufs Nachbargelände transportiert. Einigen Ärger machte noch der Mensch im Baum, der nur unter Einsatz seines Lebens und rüdester Methoden „befreit“ werden konnte. Am frühen Nachmittag rollten die ersten Wagen vom Gelände. Zu ihrer letzten Fahrt. Adieu Wendebecken, das war’s dann wohl. Und ein Hoch auf die beschaulichen Blümchenwüsten!

Die Soli-Protest-Demonstration mit ca. 1000 TeilnehmerInnen am Abend verläuft unter dem Eindruck des massiven Polizeiaufgebotes ohne größere Zwischenfälle.

clov

Mehr Infos unter:
www.wendebecken.org
www.de.indymedia.org
www.bambule-hamburg.de
www.squat.net/de/

Freiräume

Freiräume erkämpfen

Soziale Zentren und Bauwagenplätze für Aachen und überall!

Schon im Vorfeld der unter diesem Motto geplanten Demonstration am 30.10.2004 in Aachen wollten Aktivis­tInnen ihrer politischen Forderung Ausdruck verleihen und gleichzeitig den Druck auf die politisch Verant­wort­lichen erhöhen. Deshalb besetzten sie am Samstag den 23.10. einen alten Stadtpalast in der Schildstraße. Aus diesem mussten sie sich jedoch bereits Dienstag wieder zurückziehen, die Verantwortlichen hatten Ver­handlungs­be­reitschaft signalisiert.

Auch wenn zur De­mons­tration am 30.10. lediglich 100 Demons­trantInnen erschienen und immer noch kein konkretes Objekt in Aussicht steht, war die konstatierte Aktion der Aachener ein Erfolg. Schließ­lich gelang es, das Thema eine ganze Woche lang aktuell zu halten und auf den überregionalen Kontext hinzuweisen: Eben nicht nur in Aachen sondern überall soziale Freiräume zu erobern! Um diesen Aspekt herauszustreichen wurde auf der abschließenden Kundgebung eine Grußbotschaft aus Venezuela verlesen. Es bleibt zu hoffen, daß die Aachener das bekommen, was sie fordern und brauchen: Politische Alternativen und mehr soziale Freiräume!

clov

Freiräume