Archiv der Kategorie: Feierabend! #20

Tanzen gegen Arbeit

Pfützensprünge auf der „Karli“

 

Montags blau machen wollten einige auch kurz vor der Wahl. Am 12. Septem­ber fanden sich um die 100 Leute nach­mittags am Connewitzer Kreuz zu­sammen, um „gegen Arbeit für mehr Spaß“ zu de­mons­trieren. Dem zu­sätz­lichen Motto „Reclaim the streets!“ (siehe Kasten) konnte die Veranstaltung schon allein dadurch, dass sie angemeldet worden war, aber auch in ihrem sonstigen Verlauf nicht gerecht werden. Die Polizei störte dennoch mit lächer­lichen Auflagen, wie z.B. durch eine Aufforderung, sämt­liche Nietenarm­bänder bei den Teil­nehmer­Innen zu ent­fernen, da diese potentielle Waffen dar­stellen würden.

Trotzdem: im strömenden Regen über die Karl-Liebknecht-Strasse zu flanieren, hat nicht nur im Frühling Laune gemacht, als die Politparade „Global Space Odyssey“ durch die Straßen gedonnert war: Dort war es in diesem Jahr ja auch ziemlich feucht­fröhlich zuge­gangen, als ca. 500 Frei­drehen­de zu elektronischer Musik aller Art aus den liebevoll deko­rierten Parade­wagen von Connewitz über Schleus­sig zum Volkspark zogen und sich zwar als De­monstration, dennoch selbst­be­stimmt und lebenslustig an verdutzten Bürger­Innen vorbeifreute. Am Haupt­wagen war damals zu lesen: „Das System ist schwarz-rot-ocker – Und bald fällt es vom Hocker!“

Dem dahinter stehenden An­liegen, un­ge­stört von „normalen“ Lebens­mustern und Macht­struk­tu­ren zu le­ben, soll­­te in der Sep­tem­ber­demo ein wei­teres Mal Aus­­druck ver­liehen werden. Auf den kurzen Kund­­­­ge­bungen am Volks­­haus und vorm Ver­wal­tungs­­­ge­richt ka­men Ver­tre­ter­Innen der anti­faschis­tischen „Ini­tia­tiv­gruppe 1. Ok­to­ber“, der libertären Anti-Wahl-Gruppe, des Er­werbs­lo­sen­syn­di­kates der FAU Leipzig und der freien Theater­gruppe „Sehstörung“, die zusammen mit anderen politisch mo­tivierten Partyorgani­satoren die Demo auf die Beine gestellt hatte, zu Wort:

„Arbeit macht krank!“

Harry von der Sehstörung machte in einem erfrischend authentischen Rede­beitrag u. a. auf gesundheitliche Risiken einer unter Druck und Zwang arbeitenden Gesellschaft als Betroffener aufmerksam. Dankbarkeit könnten weder ältere Ge­nera­tionen noch der Staat verlangen, wenn mensch nicht arbeitet und trotzdem lebt. Reichtum sei in den Händen heutiger BesitzerInnen eine Waffe, so der Sprecher, mit der nicht Armut getilgt, sondern der Reichtum anderer ver­mindert wer­den soll. Reich sei aber nur, wer seinen Lebens­sinn nicht bloß in Konsum und Arbeit sucht. Für ein Leben nach eigenen Vorstellungen muss u. a. entschieden gegen die Aus­grenzung alternativ bzw. un­kommer­ziell arbeitender Menschen vorgegangen werden, indem mensch sich nicht aus der Mitte des sozialen Raumes ver­drängen lässt. Ohne Ein­tritts­geld und nötiges Kleingeld ließe sich das Leben auch genießen, ließen sich trotzdem kulturell wertvolle Erfahrungen machen. Wenn die Polizei in letzter Zeit nicht nur in Leipzig vermehrt alternative Parties stört oder gar Festivals brutal auflöst (siehe dazu S.20ff im Heft, „CzechTek), würde das Nein zu verordneten Spielen und verord­netem Brot nur umso lauter. Ein Sprecher der Anti-Wahl-Gruppe ­wies später darauf hin, dass gegen Ausbeutung und Vereinze­lung nur ge­mein­sam gekämpft werden kann. Weder in einem Patent­rezept noch im Arbeiten ge­geneinander oder im War­ten auf bessere Zeiten, sondern im Zusam­menschluss liege der Schlüssel für ein selbst or­ganisiertes und freies Leben aller.

Auch wenn es keine fetzigen Sprechchöre gab und – wie so oft – mitunter auf offene Türen bei den Beteiligten und nasstaube Ohren bei den meisten Zuhörern gestoßen wurde, motivierend war´s trotzdem. Denn ob nun kritische AktivistInnen, kultur­schaffende oder einfach Leute, die sich das Feiern nicht verbieten lassen wollen – zusammen tanzt sich die Revolution immer noch am besten.

 

clara

Reclaim The Streets

„Holt euch die Strassen zurück!“ Die Aktionsform aus Großbritannien erfreut sich dort spontaner Beliebtheit, wo der öffentliche Strassenraum nur noch für Einkauf und Transport genutzt werden darf und wo Leute genau das wenigstens zeitweise ändern wollen. Die treffen sich dann spontan zum Musik hören, spielen, den Verkehr aufhalten u. ä. und sind in der Lage, ihr Aktionsfeld beliebig zu wechseln, je nachdem, wie schnell die Ordnungshüter vor Ort sind.

U. a. in Berlin findet das Konzept häufig Gefallen, siehe z.B. rts.squat.net/: „Reclaim the streets ist keine Or­ga­ni­sa­tion – rts ist Desorganisation! rts ist keine politische oder sonstwie geartete Gruppe. […] Gemeinsam ist das Ziel, auf lustvolle Art und Weise die herrschenden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen.“

Der Schah, das Öl, Studenten und Khomeini

Die iranische Studentenbewegung zwischen 1950 und 1980

Die StudentenInnenbewegung im Iran steht aufgrund ihrer Vorge­schichte für den Kampf für verbesserte Studienbe­din­gun­gen, gegen die Zensur von Fachliteratur, sowie für die Selbst­organi­sie­rung und gesel­l­schaft­­­­liche Freiheiten.

In den Jahren 1950 -‘53 en­ga­gier­ten sich viele Studier­ende ge­gen die Ver­staat­lichung der von bri­­­­tischen Kon­­­­­­zer­nen beher­rsch­ten Erd­­öl­in­dus­trie, die dem Iran die Kontrolle über die iranischen Bo­den­­schät­­ze entzogen hät­te. Die Stu­­dent­­Innen­be­we­gung spielte eine we­sent­­liche Rolle bei der Auf­klärung der Be­­­völkerung zu diesem Thema.

Die britische und amerikanische Regierung, die die Interessen ihrer Konzerne vertraten, welche ein Auge auf die Öl­reserven des Iran geworfen hatten, einigten sich und inszenierten im September 1953 einen Putsch. Die gewählte Re­gierung von Mohamad Mos­sadegh wurde gestürzt und der zuvor ins Ausland geflüchtete Schah konnte sich wieder auf den Thron setzen.

Wenige Monate nach seiner Machtergreifung schickte der Schah den Studierenden seine Spezialgarde „Garde shahanshahi“ auf den Hals, die Mitte Dezember `53 die technische Hochschule stürmte, zahlreiche Studenten verhaftete und verletzte und drei Hochschüler erschoss. Aufgrund der einsetzenden polizeilichen Repression waren die Student­Innen gezwungen, ihre Aktivitäten im Untergrund fortzusetzen. Im Rahmen dessen bildeten sie sich in verschiedenen Richtungen theoretisch fort, pflegten Sportarten und gemeinsame Unternehmungen, um ihre Widerstandskraft zu festigen und so z.B. im Fall von Festnahmen dem Druck der Verhörmethoden widerstehen zu können. Mit Hilfe von heimlich gedruckten und verteilten Zeitungen und Flugblättern versuchten sie, vom Regime unterdrückte Nachrichten in der Bevölkerung zu verbreiten.

Wenige Jahre später schlossen sich die StudentInnen einer allgemeinen Protestbewegung an, die von den Teheraner Ziegelbrennern ausgegangen war. Sie stellten sich öffentlich hinter die Forderungen der Arbeiter, die sich auf eine Verbesserung der Arbeitsbe­dingungen und Lohner­hö­hun­gen bezogen. Mit Hilfe von Militär und Polizei schlug die Regierung die­­se fried­liche Pro­test­­be­we­gung nieder. Hun­­derte Men­schen wur­den ge­tö­tet, Tau­sen­de ver­­haf­tet. Dies hielt die Stu­­dent­­In­nen nicht ab, sich weiter­hin mit Streiks zu soli­dari­sieren – so bspw. mit den Teheraner Ta­xi­fahrern oder Lehr­ern im lan­des­wei­ten Streik.

Infolge der bis 1962 herrschenden vor­­kapi­ta­lis­­tischen Gesellschaftsordnung geriet das Land nun in eine wirt­schaft­liche, gesellschaftliche und politische Krise – die Un­zufrieden­heit der ein­fachen Bevölkerung griff im­mer weiter um sich. Großgrundbesitzer, die bis zu 500 Ortschaften ihr Eigen nannten, benötigten aufgrund importierter Technologie und neuer Maschinen immer weniger Arbeitskräfte. Der damalige Be­völ­kerungs­anstieg, sowie der Fakt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Dörfern lebte, sorgten für eine massive Landflucht und Ar­beits­losen­heere in den Städten.

Das System der asiatischen Produktionsweise (siehe Kasten) und der Schah standen einer tief greifenden Veränderung im Wege und erst eine Beseitigung dieses Systems und der Sturz des Schahs versprachen Besserung. Diverse Gruppen marxistischer und religiöser Ausrichtung versuchten da­mals an allen Hochschulen Anhänger zu werben und zu organisieren. Die Krise ließ den Thron des Schahs wackeln.

Unter diesen Umständen und dem Druck des US-Präsidenten Kennedy wil­­ligte der Schah schließ­lich in eine Ag­rar­reform ein. Das Land wur­de direkt an die Bauern verkauft. Um auch die Arbeiter auf seine Seite zu bringen, beteiligte das Regime sie zu einem gewissen Prozentsatz am Gewinn und an Fabrikaktien.

Den StudentInnen und Intellektuellen reichten diese Reformen nicht aus, da sie nichts Grundlegendes an den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen änderten. Sie forderten eine Neugestaltung, zu der der Schah weder in der Lage noch Willens war. Daher wurden sie, wie schon 1953, von Polizei und Militär attackiert, diesmal unter dem teilweisen Beifall der Bauern und Arbeiter. Massenver­haf­tungen, Folter und Hinrichtungen der politisch Aktiven, sowie der StudentInnen waren die Folge.

Da bis 1978, jegliche oppositionellen politischen Parteien und Organisationen verboten waren und kein legaler politischer Freiraum existierte, verwandelten sich die Hochschulen, be­son­ders in den großen Stä­d­ten, in wichtige Zen­t­ren, in denen Dichterle­sungen, Vor­­träge, Theater- und Filmvorführungen ver­­­an­staltet und verbotene Bücher, Zeitungen sowie Flugblätter verteilt wurden. So spürte man den politischen Kampf gegen den Schah vor allem an den Universitäten, in diesen Kreisen wurden auch die Methoden des Kam­p­fes festgelegt. Die Unis waren ein Ort öffentlicher Treffen, Versammlungen, Kundgebungen und Demos, ein Treffpunkt der politischen Kräfte und der Student­Innenbewegung, die sich in Dutzende marxistischer und religiöser (nicht Kho­meini Anhänger) Gruppierungen aufsplitterten.

Es gab zwei Grundpositionen, die in damaligen Diskussionen zutage traten: Die Anhänger der einen Richtung wurden als „die Militärischen“ ,„nezamiyoon“ bezeichnet; die anderen als „die Politischen“, „siasiyoon“. Jede Richtung war wiederum in eine marxistische und eine religiöse Fraktion gespalten.

Die marxistischen Kräfte, die behaupteten, sie würden die unteren Klassen vertreten, übersahen dabei, dass politische Ideen und Theorien ihren Ursprung in der politischen Praxis haben. Sie hatten nur Theorien, Ideologien und Programme mit denen sie die StudentInnen und Intellektuellen um sich scharen wollten. Sie machten keine Anstrengungen, die unteren Klassen bei deren Selbstorganisation zu unterstützen. Diese Linken Kräfte waren vor allem an den Universitäten und in der gebildeten Schicht präsent. Damit überließen sie das Feld den Islamisten, die durch die Moscheen als Versammlungsorte mehr Möglichkeiten hatten, die Menschen an sich zu binden.

Im Zuge der iranischen Revolution 1979 kehrte u.a auch der Schiitenführer Khomeini aus dem fünfzehn jährigen Exil in Frankreich in den Iran zurück. (siehe Kasten) Bei seinem ersten Besuch im Zentrum Teherans ging er in eine halbreligiöse Schule und forderte seine Anhänger auf, ihn dort aufzusuchen. Khomeinis Hintergedanke war, das Zentrum des Kampfes von der gegenüberliegenden Uni zu sich herüberzuziehen. Seine Rechnung ging nicht auf. Die Bewegung versuchte weiterhin, demokratische Rechte zu etablieren und trat für die Freiheit der religiösen Minderheiten, der politischen Organisationen und Parteien, der Zeitungen und für freie Meinungsäußerung ein. Das war für Khomeini unakzeptabel, er wollte eine Islamische Republik – kein Wörtchen mehr und keins weniger!

Im Mai 1980 gab der Führer der Revolution, Khomeini, den Befehl zum Angriff. Mit Knüppeln bewaffnete Anhänger der Gottespartei, der Hes­bol­lah, stürmten die Unis und schlossen sie. Zwei Jahre lang blieben die Hoch­schulen ge­schlos­­sen, wur­den Tausende von StudentInnen und Lehr­kräften ver­haftet, gefoltert, ins Gefängnis gebracht und hingerichtet.

1982 wurden die Unis wieder geöffnet, tat­säch­­lich offen standen sie aber nur den Anhängern des Regimes und denen, die Beziehungen hatten. Nach der Wiedereröffnung gab es an jeder Uni, jedem Institut, jeder Akademie, sogar in jeder Klasse einen Islamischen Verein, der unter der Aufsicht eines direkt von Chomeini ernannten Vertreters stand.

worujdschak

Fortsetzung folgt…

Khomeini (1900-1989):

… gilt als der Gründer der Islamischen Republik im Iran, er regierte diese bis zu seinem Tod. 1964 aus dem Iran aufgrund seiner Beteiligung am Aufstand von 1963 gezwungen, das Land zu verlassen, lebte er im Irak, den er wiederum wegen seiner Tätigkeit als religiöser schiitischer Führer verlassen musste.

Er ging ins türkische Exil von wo er 1965 in den Irak floh, bis er von Saddam Hussein nach Frankreich exiliert wurde.

In Frankreich avancierte er für die französischen Medien zum „Spezialisten“ in Sachen Iran und erlangte weltweite Bekanntheit. 1979 kehrte er während der Iranischen Revolution wieder in seine Heimat zurück. Diese bedeutete u.a. den Sturz der Monarchie, die Gründung von Arbeiterräten und die massenhafte Befreiung von Gefangenen.

Am 11. Februar desselben Jahres kam Khomeini im Rahmen eines Referendums an die Macht. Es sollte darüber abgestimmt werden, ob der Iran ein islamischer Staat sein soll. Da ein Nein mit Zustimmung zur gerade gestürzten Monarchie verbunden wurde, „stimmte“ die überwiegende Mehrheit für eine islamische Republik.

1979 gründete Khomeini die „Islamische Republik Iran“, eine auf dem Prinzip der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten (Velayate-Faqih) beruhende Herrschaft der islamischen Geistlichkeit. Er ernannte sich selbst zum Staatsoberhaupt auf Lebenszeit, Führer der Revolution und Obersten Geistlichen Führer in einem. Innerhalb der ersten Jahre etablierte er ein streng religiöses System. Im Zuge dessen wurden neben linken und monarchistischen Oppositionsgruppen auch die meisten seiner Wegbegleiter aus seiner Pariser Exilzeit hingerichtet bzw. zur Flucht gezwungen und schließlich selbst religiös-liberale Kräfte verfolgt. Wichtiger Pfeiler bei der Festigung seiner Herrschaft über den Iran war die Etablierung verschiedener paramilitärischer Gruppen und so genannter „Komitees“, die das Verhalten der Nachbarn untereinander überwachten.

Asiatische Produktionsweise:

Der Terminus stammt von Karl Marx und bezieht sich auf die Eigentümlichkeit asiatischer Hochkulturen, die sich aufgrund ihrer spezifischen Organisation von Gemeinschaftsarbeit für die Bewäs­serungs­aufgaben nicht kapitalistisch entwickelten. Zwar ergaben sich Ansätze einer industriellen Entwicklung, doch schöpfte der Staat die Gewinne so rasch wieder ab, dass sich aufgrund der fehlenden privaten Reinvestitionen keine Dynamik der industriellen Entwicklung ergab, die der europäischen vergleichbar wäre.

Nur Japan bildete eine Ausnahme, da es als einziges Land außerhalb Europas eine ähnliche geschicht­liche Entwicklung durchmachte und schließ­lich Ende des 19. Jahrhunderts eine industriell-kapitalistische Gesellschaft aufbaute, die mit den europäischen Großmächten konkurrierte.

Augen auf beim Ein-Euro-Jobben!

Alle, die eine „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“, auch bekannt als „Ein-Euro-Job“, von der Arbeitsagentur zugewiesen bekommen, sollten sich das entsprechende Schreiben vorher ganz genau ansehen.

Es könnte nämlich sein, dass die Zu­weisung rechtswidrig ist. Und wer will sich den schon in den illegalen Arbeitsmarkt vermitteln lassen?

Unverzichtbare Voraussetzung für die Legalität ist die vorherige genaue Fest­legung des zeitlichen Umfangs, der zeitlichen Verteilung, Art der Tätigkeit, sowie Höhe der Aufwandsentschädigung durch das Jobcenter.

Zu unbestimmt ist in der Rechtsprechung nach dem Bundessozialgerichtshof (BS­GH) bspw. die Aufforderung, „sich stundenweise in der Hausaufgabenhilfe zur Verfügung zu stellen“ oder die bloße Festlegung einer Höchstgrenze „bis zu x Stunden die Woche“.

Der BSGH meinte weiterhin, dass die Ein-Euro-Jobber in spe bei der genauen Bestimmung des Wie, Wann und Wo ein Wörtchen mitzureden haben. Das heißt, es muß für die Betroffenen erkennbar und einschätzbar sein, ob das Angebot als zusätzliche Arbeit im öffentlichen Interes­se angemessen, erforderlich und geeignet ist, um die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können. Eine nachträgliche Regelung ist unzulässig.

Das Ganze soll außerdem noch auf die spezifischen Fähigkeiten des Betroffenen bezogen sein: ob die Arbeitsgelegenheit „angemessen, erforderlich und geeignet ist, um die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können“ sollte darum erst nach Profiling und genauer Eingliederungsvereinbarung entschieden werden.

Sind diese Punkte nicht erfüllt, dürfen solche rechtswidrigen Beschäftigungen sofort abgebrochen werden, ohne dass daraus Leistungskürzungen erwachsen dürfen.

So sehr sich mancher unter uns auch Arbeitsgelegenheiten wünschen mag, es sei daran erinnert, dass diese Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse nicht verdrängen oder zu Wettbewerbs­nachteilen für die Wirt­schaft führen sollen. Also: nicht sofort zugreifen, es könnte den Aufschwung blockieren und der erste Schritt in die Illegalität sein.

hannah

[AZ. L 5 B 161/05 ER AS – LSG Hamburg – Beschluss v. 11.07.2005 so auch: S 37 AS 4801/05 ER – SG Berlin – Beschluss v. 18.07.2005 – aufgrund von AZ. 5 C 35.88 – BVerwG-Urteil v. 4.6.1992]

Grenzfall Südosteuropa

Leben mitten am Rand der EU

„I think borders are something very human, because the human being is not able to think about something that is not ending.“ (Zitat aus dem Film „borderline“)

Jeder und jede, der/die schon mal in den mittel- und osteuropäischen Regionen Europas umhergereist ist, kennt folgendes Bild: eine löchrige, staubige Straße in irgendeiner Stadt. Graue, herunterge­kommene Häuser und Wohn­blocks. Inmitten dieser Kulisse werden Obst, Gemüse, Honig und Fisch von den Einheimischen aus eigenem Anbau ange­bo­ten. Ärmlich aussehende Frauen wiegen ihre Kinder im Arm und preisen ihre Produkte an. Rentnerinnen sammeln leere Glasflaschen in Beuteln. Irgendwo stehen Musikanten mit dunklem Teint, Kinder spielen und manche betteln um ein paar Münzen…

Doch das ist nur die – manchmal fast romantisch anmutende – Oberfläche einer weit verbreiteten Misere. Viele dieser Menschen in den post-sozialistischen Ländern leben am Rande oder unterhalb des Existenzminimums und haben wenig Perspektiven auf eine Verbesserung ihrer Situation. Egal, ob in der Tschechischen Republik, in der Slowakei, Rumänien oder Bulgarien – die Einverleibung in die Europäische Union steht bevor oder ist gerade erfolgt. Auch wenn die jeweiligen Staaten stufenweise und mit immensem finanziellem Aufwand an die ökono­mischen, politischen und sozialen Stan­dards des westlichen Europas herangeführt werden sollen – um überhaupt „EU- reif“ zu werden – so gibt es doch viele Defizite und unübersehbare Gegensätzlichkeiten, die den „European Dream“ von der sozialen Realität trennt. Wie erleben die Menschen in diesen Ländern die Vorgänge und die ihnen auf verschiedene Art und Weise gesetzten Grenzen im Alltag? Wie empfinden sie die Veränderungen seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“, der vielerorts als Revolution gefeiert wurde und mehr Freiheit und ein besseres Leben mit sich bringen sollte?

Das Berliner „Videokassetten-Tief­seh­magazin“ AK Kraak hat im Herbst 2003, also noch vor der EU-Ost­erweiterung im Mai 2004, eine Reise ent­lang der „Bor­derline South-East-Europe“ unternommen. Ihr dabei ent­standener Doku­men­tarfilm gleichen Titels führt uns in deutsche, tschechische, slowakische, ungarische, rumänische, bulgarische, türkische und ukrainische Grenzregionen. Die vorge­stellten Gebiete erscheinen wie ein Flickenteppich be­stehend aus verschie­de­nen Kulturen, Ge­schichten und Kon­flikten. Im Zwischen­titel aus dem Film heißt es dazu: „Dort sprachen wir mit Leuten über ihre soziale Situation und ihre Erfahrungen mit allen möglichen Gren­zen“. Herausgekommen ist ein Mosaik aus Eindrücken von Städten und Dörfern, gemischt mit Erfahrungen und Statements der Interviewten vor Ort.

>Grenze< ist dabei das vereinende Thema – welches aufgrund der unterschiedlichen Lebenswelten und Erfahrungen eine vielfältige Bedeutung und Beurteilung erfährt. Ob vietnamesische Billighändler, Flüchtlinge auf Transit in den reichen Westen, Schmuggel oder Bewegungs­einschränkung und Visabeschaffung. Auch Begrenzung durch soziale Diskrimi­nierung und die Ausgrenzung der Roma im Besonderen zeigen die Fülle an Problemen, für deren Lösung es mehr braucht, als eine rosige EU-Perspektive zu propagieren. Im Gegenteil: Es wird deutlich, wie sehr die Menschen trotz mancher Chancen, die mit der Osterwei­terung zusammenhängen, vor allem Zweifel haben, ob sie durch diese politi­schen Vorgänge nicht noch mehr Ein­schränkungen und Verschlechterungen ertragen müssen. Es kommt der Eindruck auf, dass sie mit ihren Befürchtungen bei den Entscheidungen der politischen Eliten schlicht übergangen werden, mit der Rechtfertigung, es gäbe ja keine andere Wahl. Und dabei spielt es keine Rolle, ob dies ein rumänischer Rentner oder ein slowakischer No-Border-Aktivist ist.

AK Kraak lässt bewusst subjektive Ein­drücke, unbeantwortete Fragen und leise Wünsche im Raum stehen. Es ist eben nur eine Momentaufnahme, die auf Mittel- und Osteuropa Erfahrene ebenso wirkt, wie auf Leute, die sich weniger mit dem Thema beschäftigt haben. Natürlich kann man bei einer 60-minütigen Film­rund­­reise keine ausführlichen Länder­studien er­warten. Aber die Doku bietet eine Sensibi­lisierung für die Thematik und schafft Anreize, sich kritisch mit den ange­schnittenen Themen zu beschäftigen. Also: einfach mal anschauen und ein bisschen grenzüberschreitende post-soz-Atmosphäre mit einem Schuss Europa­skepsis in sich aufnehmen!

nyima

www.akkraak.squat.net

Kameradschaften ins Wasser fallen lassen

Nachbetrachtung zum Naziaufmarsch am 1. Oktober in Leipzig

Es war ein ganz schön verregneter Samstag und man hätte sich wahrlich angenehmere Tä­tigkeiten vorstellen können, als bei ge­fühlten fünf Grad und strömendem Re­gen einen Naziaufmarsch zu verhindern. Das Wetter griff ein wenig in die Ge­stal­tung der Gegenaktionen ein; so kam es we­gen der nassen Strassen nicht zur an­ge­kündigten Sitzblockade. Blockiert wurde dennoch, weswegen Christian Worch und seine ca. 150 KameradInnen kurz nach 17 Uhr unverrichteterdinge den Heimweg an­treten mussten, ohne einen Meter der eigentlichen Marschroute nach Connewitz ge­laufen zu sein – sehr ärgerlich, wo doch be­reits in der Nacht zum 1.10. die Ka­meradschaftsseiten freier-wider­stand.net und fw-sued.net von Antifas gehackt und zahlreiche em­pfind­liche Daten auf indy­media veröffentlicht worden waren. (1)

Der Tag hatte mit einer etwa 300-leute-starken linksradikalen Demonstration durch die Südvorstadt begonnen, zu der BgR (Bündnis gegen Realität), LeA (Leipziger Antifa) und das Jugendcafé to­morrow unter dem Motto „Wer Deutsch­­­land liebt, den können wir nur hassen“ (2) auf­gerufen hatten. Nicht ganz un­um­stritten war bei einigen Teil­nehmer­Innen die von den OrganisatorInnen an­ge­dachte an­tideutsche Ausrichtung, die nicht nur im Motto deutlich wurde, sondern auch schriftlichen Spruch­vor­schlägen wie „Deutschland von der Karte streichen – Po­len muß bis Frankreich reichen“, die sich neben intellektuelle Kleinode wie „Hurra, hurra – die Antifa ist da“ reihten. Eine Minderheit der Demonstrierenden wäre aber vermutlich zu einem Diskurs über die Intentionen von LeA und BgR gar nicht mehr in der Lage gewesen, denn be­reits zu diesem Zeitpunkt war bei manchen reichlich Alkohol im Spiel.

Nach dem Ende der Demo zogen die meis­ten relativ geschlossen in Richtung List­platz, dem geplanten Startpunkt der Nazis, an dem sich bereits etwa 200 Menschen ein­gefunden hatten, um die Naziroute zu blockieren. Die Blockade am Listplatz schwoll in den folgenden Stun­den auf etwa 800 bis 1.000 Menschen an, die damit unter an­derem dem Aufruf des „Sitzen­blei­ben“-Bündnisses (3) folgten, das im Vor­feld offensiv zu einer Sitz­blockade am Nazi­startpunkt aufgerufen hatte. Das Bündnis begründete sein Vorhaben damit, dass es einerseits nicht ausreiche, sich an sym­­bolischen Aktionen zu beteiligen, dass aber andererseits dezentrale Aktionen nicht für alle in Frage kämen, die effektiv et­was gegen Nazi­aufmärsche tun und deren Verhinderung auch gegen die Staatsmacht durchsetzen wollten. Am 1. Ok­tober scheint dieses Konzept jedenfalls dank günstiger Um­stände umgesetzt worden zu sein. Auto­nome, Studierende, Schüler­Innen, Punks, aber auch einige äl­tere Leute und Familien ließen sich auf eine gemeinsame friedliche Aktion ein, hör­ten per Lauti ein wenig Radio Blau, (ein freies und selbst­or­ganisiertes Ra­dioprojekt) und lauschten den diesmal besser funktionierenden Info-Durchsagen; ei­nige beschäftigten sich leider wiederum sehr exzessiv damit, Bier zu trinken. Und nach vier Stunden wurden die wenigen ein­getroffenen Nazis schließ­lich wieder nach Hause geschickt. Eine Eskalation blieb diesmal auch deshalb aus, weil die Po­lizei es unterließ, am Listplatz einen Räumungsversuch zu unternehmen, und so wurde es denn am Ende ein geruhsamer Nach­mittag, für den die Polizei von vielen Sei­ten gelobt wurde, allerdings nicht von allen. Schließlich hatte es bereits im Vor­feld eine wahre Pro­pa­gan­da­schlacht gegeben:

Polizei-PR

Sachsens Innenminister Thomas de Maizière und Leipzigs Polizeichef Rolf Müller, denen die Kritik nach dem bru­ta­len Polizeieinsatz am 1. Mai offenbar noch nicht gereicht hatte, kündigten für den Fall ei­ner gerichtlichen Genehmigung der Nazi­demo ein „konsequentes“ Vor­gehen gegen alle Störungsversuche durch Anti­fa­schistInnen an. Das „Sitzen­blei­ben“-Bün­dnis konterte mit einem offenen Brief an die Polizei, in dem diese davor gewarnt wurde, „die Sitzblockade zu gewaltbe­glei­te­ten polizeilichen Exzessen oder als Plattform für erlebnisorientierte Über­griffe gegen Demonstranten zu nutzen“ (4). Daß sich der offene Brief stark an einer Vor­lage aus der Feder der Staatsmacht orientierte, die vor einiger Zeit an po­tentielle TeilnehmerInnen der „Bunten Re­publik Neustadt“ (ein Stadt­teil­fest in der Dresdner Neustadt) versandt wurde, schien zumindest der LVZ nicht auf­zu­fallen. Herr Müller konnte einen Wieder­er­kennungseffekt hingegen kaum öffent­lich zugeben und erstattete lieber Straf­an­zeige gegen das Bündnis, da er sich in seiner Entscheidungsfindung genötigt gesehen habe. (5)

Zu­gleich warnte er vor der Anreise von mehr als 1.000 gemeingefährlichen Stei­ne­werferInnen aus ganz Deutschland, eine Zahl, die wenig später vom Landes­amt für Ver­fassungsschutz auf 400 nach unten kor­rigiert wurde und nach dem 1. Ok­tober in der Berichterstattung von LVZ und anderen gegen null tendierte. Es konnte ja schließlich nicht sein, daß sich militante Anti­faschistInnen an der fried­lichen Ver­hin­derung eines Nazi­auf­marsches be­tei­lig­ten, während sich die groß angekündigte Sym­bolveranstaltung „Mit weißer Rose ge­gen braune Gewalt“ von Parteien, Kir­chen, „Courage e.V.“ und Stadt am Bayrischen Platz nicht nur wegen der mangelnden Beteiligung (ca. 350 Leute) als bedeutungslos erwies. Von den dort angebotenen 1000 weißen Rosen wurden wohl nur etwa 200 verkauft (!), was einige der VeranstalterInnen nicht daran hin­der­te, sich die Verhinderung des Naziauf­marsches auf ihre Fahnen zu schreiben. (6)

Bereits in den Tagen vor dem 1.10. wurden die AnwohnerInnen der Demons­tra­tions­strecke mit kleinen Zettelchen von der Po­li­zei darauf hingewiesen, dass auf der Strecke am 1.10. komplettes Halteverbot herrsche und etwaigen Aufrufen, dass es an dem Tag zu einer Sperrmüllsammlung komme und man sein Gerümpel einfach auf dem Gehweg abladen solle, keineswegs Glau­ben zu schenken sei! Vermutlich han­del­te es sich um eine besonders clevere, wenn­gleich etwas späte Reaktion auf einen ver­gleichbaren Aufruf zum 1. Mai.

Be­sonders stolz waren Stadt, Ordnungs­amt und Polizei auf ihre neue Wunder­waffe, die „Kommunikationsteams“, für die insgesamt 24 Leute von Ordnungsamt und Polizei abgestellt wurden. Deren kon­kre­ter Beitrag zur „Deeskalation“ er­schöpfte sich im Wesentlichen darin, schicke Handzettel zu verteilen, in denen hauptsächlich zur „räumlichen“ Dis­tan­zierung von Gewalttätern aufgefordert wurde.

Auch der Rest der 2000 eingesetzten BeamtInnen war nicht ganz untätig, son­dern stellte über den gesamten Tag 2754 Iden­titäten fest, durchsuchte dabei 705 Personen und 1012 mitgeführte Ge­päck­stücke, erteilte mindestens 452 Per­sonen ei­nen Platzverweis für eine Zone, die sich ca. 100 Meter zu beiden Seiten der Nazi­route erstreckte, und entzog 78 Leu­ten vor­übergehend die Freiheit. An­ge­sichts der 22 unterstellten Straftaten am 1.10., von denen 14 auf vorhersehbare Verstöße ge­gen das Versammlungs- und das Be­täu­bungs­mittelgesetz sowie auf Be­lei­di­gungen ent­fielen, schien das wohl an­gemessen, irgend­wie muss die Zeit ja rumgehen, wenn man (aus Angst vor dem nächsten Skan­dal?) nichts gegen die anti­fa­schis­ti­schen BlockiererInnen unter­nehmen darf. (7)

frau lutz

(1) www.de.indymedia.org/2005/10/129338.shtml
(2) www.nadir.org/nadir/initiativ/bgr/pages/011005.htm
(3) www.linxxnet.de/sitzenbleiben/
(4) www.linxxnet.de/sitzenbleiben/offener_brief.html
(5) LVZ-Online 09.10.2005
(6) z.B.: www2.igmetall.de/homepages/leipzig/courage.html
(7) www.polizei.sachsen.de/pd_leipzig/2795.htm

Brauner Herbst – Aufmarschchronik

Da der Tellerrand antifaschistischer Praxis mitunter an den Toren der Stadt liegt, sei hier auszugsweise dokumentiert, was in der Provinz, aber auch international sonst so passiert ist. Auch wenn all dies „nur“ symbolische Straßenbekundungen sind – der Feind schläft nicht vor der Tür.

3. September – Berlin: Um die 100 „freie“ Kameraden marschieren am Antikriegstag auf Ausfallstrassen nach Marzahn, allen voran Christian Worch (s.o.).

17. September – Athen: Nach dem Verbot eines Faschofestivals in Südgriechenland wollen 80 Faschisten (darunter auch NPD-Kräfte) in der Hauptstadt protestieren, werden aber von Antifa und Polizei daran gehindert.

1. Oktober – Halberstadt: Insgesamt vier mal greifen betrunkene Nazis eine Antifa-Demo gegen den rechten Laden der Stadt an, blockieren die Route und versuchen am Abend, das Wohnprojekt Zora zu stürmen, was nicht gelingt; die Polizei dreht Däumchen.

70 Nazis marschieren am selben Tag in Alzey bei Mainz, nicht ohne aktiven Widerstand. Motto der „Bürgerinitiative Rheinhessen“: „Stoppt die Ausplünderung des deutschen Volkes – Wir sind nicht das Sozialamt der Welt!“

2. Oktober – Görlitz: Auf der Altstadtbrücke nach Zgorzekc wird von 200 Antifa­schistInnen wenigstens die Abschlusskund­gebung einer 60-köpfigen Nazidemo namens „Deutsch­land ist größer als die BRD“ verhindert.

8. Oktober – Friedrichs­hafen: „Gegen Polizeiwillkür und Repression“ demonstrieren 180 Nazis u. a. mit Attac-Fahnen zu Ton-Steine-Scherben. Gegen den Willen von zeitweise bis zu 1700 Protes­tierenden wird der Marsch von der Polizei brutal durchgesetzt.

Zeitgleich dürfen in Eisenach 300 Faschos aufmarschieren, die 250 Antifas hatten keinen Erfolg, 400 BürgerInnen protest­ierten symbo­lisch.

14. Oktober – Wernigerode: Nach gewalt­samen Übergriffen auf alternative Jugendliche und einer Schlägerei mit Skin­heads mobili­sieren Nazis aus dem Harzraum inner­halb einer Woche 200 Kameraden auf eine Demo „Gegen roten Terror und gesell­schaftliche Denkverbote“.

15. Oktober – Schönebeck: Ein Mob mit vielen Gesichtern des Vortages in Wernige­rode marschiert am Folgetag „Für härtere Strafen gegen Kinderschänder“, am Abend können sie sogar spontan und ungehindert durch die Magdeburger Innenstadt demonstrie­ren.

Schon vor Beginn wird hingegen am selben Tag eine faschistische Veran­staltung in Toledo, (Ohio, USA) aufgelöst: um die 50 Mit­glieder des „National Socialist Move­ment“ wol­l­en gegen angeblichen Terror schwar­zer Jugend­licher bzw. jüdischen Einfluß auf Politik und Polizei protest­ieren, werden aber durch den massiven Widerstand Jugend­licher und bürgerlicher Gruppen daran gehindert.

22. Oktober – Pankow: 500 empörte Antifa­schistInnen können nicht verhindern, dass 150 Nazis vorbei an einem ehemaligen jüdischen Waisenhaus vorbei eine Demons­tra­tion abhalten.

In Den Haag (Nieder­lande) protestieren 60 Faschisten gegen die Einschrän­kung der Meinungsfreiheit, Deut­sche sind mit Laut­sprecherwagen vertreten, Blood-and-Ho­nour-Fahnen sind gehisst.

29. Oktober – Göttingen: 200 Nazis müssen nach ein wenigen Metern ihre Demonst­ration auflösen, weil unzähl­ige Barrikaden die Route blockieren, wobei insgesamt ca. 5000 Gegner­Innen in der Stadt sind.

„Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen!“

Antirassismus im StuRa

Ein StudentInnenrat ist nur für universitäre Politik zuständig. Und dort gibt es ja wohl keine rassistischen Vorurteile. Oder doch? Auch wenn es in Leipzig im Gegensatz zu manch anderer Universität leider kein direktes Referat für Antirassismusarbeit gibt, konnte auch in diesem Semester wenigstens eine Anlaufstelle für dieses Thema besetzt werden: mit Rico Rokitte, 26, seines Zeichens Student der Erziehungs- und Politikwissenschaften sowie der Philosophie. Feierabend! hat nachgefragt, wie der so tickt und was er vor hat…

FA!: Wie bist du zum Thema Anti­rassismus gekommen?

R.: Ich glaube, wenn du anfängst, dich mit der Perversion unserer „zivilisierten“ Ge­sellschaft zu beschäftigen, kommt Rassis­mus als ein krankhafter Auswuchs (von Tausenden) sofort heraus. Für mich ist es nur ein Teilgebiet, mit dem ich mich be­schäftige, wenn auch jetzt mehr. Aber da es im StuRa keinen Bereich „Ver­än­derung der Gesellschaft“ gibt, ist Anti­rassis­mus mein momentanes Hauptthema.

FA!: Wofür steht die Stelle im StuRa und was willst DU draus machen?

R.: Die AntiRa-Stelle im StuRa ist erst rela­tiv neu (ein halbes Jahr) und deutsch­land­weit in StuRas/Astas auch nicht oft ver­treten. Bisher hatte eine sehr kompe­tente Studentin (Sylvia) diese Stelle inne, die sie auch mitgegründet hatte. Ich glaube, für sie war Anti-Rassismusarbeit erst mal eine Aufarbeitung anti­faschis­tischer und antirassistischer Strukturen an der Uni. Und durch den Versuch einer öffentlichen Diskussion ein Problem­be­wusstsein zu schaffen.

Die Mitarbeit im StuRa ist für mich des­wegen wichtig, weil ich denke, dass man die Diskussion in den Organisationen und Be­trieben führen und nicht nur von außen kri­tisieren sollte. Und gerade in der Stu­dierendenschaft mit ihrem ach so toleran­ten Mäntelchen gibt es viel zu tun.

FA!: Was für ein „Mäntel­chen“?

R.: Ich denke und lese, dass Studenten als to­lerant, offen etc. gesehen werden. Dies ist aber praktisch nicht so, auch wenn sich na­tionale, rassistische und autoritäre Um­triebe anders äußern als außerhalb der Uni – keine Skins, keine offene Gewalt etc.. Im Gesamten jedoch sieht es auch nicht an­ders aus – die durch die Soziali­sation ge­setzten Verknüpfungen werden meist un­reflektiert weitergeführt. Auch wenn es sich nicht überall in einer Mitgliedschaft in Burschenschaften und Corps oder an­deren perversen Unter­drückungs­ver­bin­dungen äußert. Ich denke, dass die meisten Studenten sich unter einem AntiRa-Sprecher jemanden vorstellen, der gegen jegliche rassistischen Auswüchse vorgeht und informiert. Ich werde sicherlich Informationen über und die Bekämpfung von auftretendem Rassis­mus weiterhin vorantreiben, halte das aber allein für zu kurzatmig. Es ist wichtig, gegen Nazis, Nationale und Gewalttäter zu kämpfen, aber ich denke, es muss darüber hin­aus­gehen. Besonders hier an der Universität (in einem Bildungsbetrieb) sind viel mehr Ein­flussmöglichkeiten vorhanden.

Anti-Rassismusarbeit ist bei mir stark mit Prä­vention und einer lebens­welt­orien­tier­ten Sichtweise verbunden. Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen, die aus Uninformiertheit, nie erlebter Demokra­tie, Unmündigkeit und autoritärer Struk­tu­ren in der Gesellschaft besteht.

Ne­ben der Erstellung von Readern zu Burschenschaften, Rassismus an der Uni etc. möchte ich dieses Semester damit be­ginnen, einen Diskurs über Gesellschaft und Rassismus zu eröffnen. Praktisch kann das zu Beginn nächsten Jahres durch einen an­visierten Kongress, bzw. einem Work­shop­­wochenende zu diesem Thema ge­schehen. In Zusammenarbeit mit den Fach­schaften und weiteren studentischen Gruppen soll da praktisch unser ei­gener Ein­fluss, z.B. durch spätere Berufe, ana­ly­siert und verbildlicht werden. Das be­trifft vor allem Pädagogen, Soziologen u. a..

FA!: Kann da dann jedeR hingehen?

R.: Natürlich soll dieser Kongress be­ziehungs­weise Workshop für alle Inter­essierten offen sein.

FA!: Wo außerhalb der Uni und mit wem sollte die Auseinandersetzung mit Rassis­mus vorangetrieben werden?

R.: Rassismus ist in Europa und anderswo in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Sicherlich äußert es sich bei Dozenten an­ders als bei der Studierendenschaft. Doch tragen wir fast alle diese unheilvollen Kei­me in uns. AntiRa- Arbeit muss durch alle uni­versitäre Strukturen gehen und nicht nur in der Studentenfreizeit an­setzen. Ich hoffe, dass da mit Dozenten, Fachschaften etc. eine Zusammenarbeit möglich ist. Besondere Hoffnung setze ich auf Studen­ten, die sich in bestehenden oder noch zu gründenden Gruppen finden lassen, auch um mehr als Rassismus anzugehen.

FA!: Wo sind dir im hochschulpolitischen Rahmen Grenzen gesetzt?

R.: Eigentlich darf ich den universitären Rah­men nicht verlassen und mich auch nicht in die Lehre einmischen. Das ist der Rahmen. Doch kann Antirassismus sich nicht so entfalten, wir leben ja nicht in der Uni. Praktisch sind dem aber durch Zu­­sammenarbeit und Unterstützung ein­zelner Studenten, Projekte oder Lehren­­den keine wirklichen Grenzen ge­setzt.

FA!: Danke für das Gespräch und viel Erfolg!

clara

Kino gegen Diskriminierung

Die Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK) ist nicht nur Schauplatz intellektueller Projekte von angesagten KünstlerInnen. Im Altbau stellt die Galerie in diesem Herbst ihre Räumlichkeiten auch für eine Filmreihe des Antidiskriminierungsbüros Leipzig zur Verfügung, das an sechs Mittwochabenden die Hauptaspekte von Diskriminierung (laut EU-Richtlinie) thematisierte: Rassistische Zuschreibung, Religion bzw. Weltanschauung, sexuelle Identität, Geschlecht, Lebensalter und Behinderung.

Im Vergleich zu zahlreichen anderen Län­dern ist Deutschland, bzw. Sachsen im Ver­gleich zu anderen Bundesländern, was seine Antidiskriminierungspolitik und –kul­tur betrifft, immer noch ein Entwick­lungs­land.“ So eine Mitarbeiterin des seit zwei Jahren existierenden Antidiskrimi­nierungs­büros Leipzig. Die Filmreihe mit dem Titel „views on discrimination“ (Sichtweisen auf Diskriminierung) sollte als Angebot „möglichst niedrigschwellig“, das hieß kostenlos in einem neutralen Raum über relativ leicht zugängliche Spiel­filme, einen Anstoß bieten, sich mit ver­schie­denen Aspekten und Problemen der Dis­­kri­mi­nie­rung zu beschäftigen.

Am 21. September ging es los mit der Doku „Blue Eyed“ (BRD 1996), die einen häufig praktizierten Workshop der ameri­ka­­nischen Lehrerin und Antirassistin Jane Elliot dokumentiert. Um Rassismus in der Praxis erlebbar zu machen, wurden die TeilnehmerInnen darin zunächst in blau­äugig und nicht blauäugig unterteilt und dann einen Tag lang unterschiedlich be­handelt. Nach vielen Stunden bloßem War­ten wurden die Blauäugigen in einem Tagungsraum permanent diskriminiert, v.a. durch die stark autoritär handelnde Elliot, die den vor ihr auf dem Boden Sitzenden im Beisein der „guten“ Teil­neh­mer­­Innen immer wieder ihre geschwächte Po­­­sition vor Augen führte. In der an den Film anschließenden Diskussion im Bei­sein eines Psychologen wurden sehr unter­schied­liche Meinungen zu dieser Art Training deutlich. Ein Anwesender hatte selbst an einem an Elliots Methode orien­tierten Workshop mit seiner Schul­klasse teil­genommen und angemerkt, dass die Er­­fahrung eher beängstigend und we­nig reflektiert wirkte. Da­­nach hätte es kei­ne kon­kre­ten Hilfe­stel­lungen zu Hand­lungs­alterna­tiven gege­ben. Die durch die Me­thode aus­ge­­übte psy­chische Ge­walt wurde von vielen Dis­kussions­teil­nehmer­Innen kriti­siert. Wie im Work­s­hop ebenfalls the­ma­­tisiert, ist dabei je­doch die Relativi­tät die­ser Gewalt zu beachten: rassistisch diskriminierte Men­schen er­le­ben jeden Tag ungleich härtere Situa­ti­onen. Auch der Entstehungskontext soll­te be­achtet werden: Die ge­sell­schaft­lichen Ver­hältnisse der frühen 60er Jahre in den USA lieferten sicher einen Hinter­grund, indem eine „härtere Gangart“ plausibler war, als hier und heute. Wie vor dem Film er­läutert wurde, ist Rassismus bei weitem kein reines Problem rechts­­ex­tremer Krei­se. Prak­ti­ziert wird er viel­mehr auf den Ebenen von Insti­tu­tionen, z.B. über den Zugang zu Bil­dung, durch öffentliche Thematisierung bzw. Tabu­isierung und auf individueller Ebene, in der Mitte der Gesellschaft, auch ohne ein aus­differen­ziertes rassistisches Welt­bild. Wenn also nach solch einem Workshoptag aus­reichend über die Er­fahrung der Dis­kriminierung reflektiert wird, kann sie den Wahrnehmungs­horizont eines Men­schen bezüglich rassistischer Alltags­situa­tio­nen durchaus erweitern.

Die Spielfilme „Yasmin“ (GB/BRD 2004) und „Uneasy Rider“ (F 2000) wurden in den folgenden Wochen gezeigt, um Religion und Behinderung im Dis­kri­mi­nierungs­kontext zu thematisieren.

Über den vierten Film, „The Laramie Pro­ject“ (USA 2002), wurde im Anschluss kontrovers diskutiert: Wie geht man mit den sich bezüglich der Toleranz und Ak­zeptanz von Homosexualität immens unterscheidenden Bewußtseinsstadien und Umgangsformen in provinziellen bzw. städtischen Lebensräumen um? Ist ein tolerierendes Umfeld gleich ein Garant für ausreichenden sozialen Kontakt zu Gleich­ge­­sinnten? Im Film wird zwar die Thema­tik der sozialen Konstruktion von Ge­schlecht nicht behandelt, dafür bietet er aber einen, wenn auch sehr emotionalen Einblick in die Auswir­kungen eines homophoben (Ab­neigung gegenüber oder Angst vor Homo­sexuali­tät) ge­sell­schaft­lichen Klimas.

Speziell um die Ungleichbehandlung von Frauen drehte sich „Girl­fight“ (USA 2000), in dem es um den Auf­stieg einer jungen Sport­lerin in der männer­domi­nier­ten Welt des Boxens geht. „Montags in der Sonne“ (Spanien 2002) bildete Ende Oktober mit dem Aspekt Alters­dis­kri­mi­nierung den Abschluss der Reihe.

Auch wenn die zahlreichen BesucherInnen für das jeweilige Thema meistens schon sensibel waren, ließen sich doch oft Positionen vertiefen und Perspektiven er­weitern. Das Anti­dis­kriminierungsbüro ist zufrieden und möchte in Zukunft weiterhin mit Seminaren, Plakat­kam­pagnen und Beratungs­ange­bo­ten für ein umfassendes Anti­dis­kri­mi­nierungsgesetz und für den horizontalen Abbau jedes diskriminierenden Verhaltens arbeiten. Ob aber die fällige Umsetzung der euro­päischen Richtlinien oder mehr politischer Wille, wie es sich das Büro wünscht, an strukturellen Ausgrenzungs­mechanismen und einer verbrecherischen Migrations­po­li­tik etwas ändern würde, steht auf einem anderen Blatt.

clara

Kontakt:
Antidiskriminierungsbüro e.V., Haus der Demokratie, Bernhard-Göring-Straße 152
04277 Leipzig, Fon: 0341/3065145, info@adb-sachsen.de

Harte Bandagen in der Defensive

Streik in Zwickau

 

Was für viele ArbeiterInnen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) schon Realität ist, das soll auch bei den Städtischen Verkehrbetrieben Zwic­kau (SVZ) durchgesetzt werden: nämlich ein in verschiedene Gesellschaften aufgespaltenes Unternehmen. Über die Gegenwehr der 270 ArbeiterIn­nen in Form einer außer­­ordentlichen Betriebsversammlung Ende November 2004 berichtete Feier­abend! in Ausgabe #16.

Damals hatte der Stadtrat den Beschluss gefällt, die SVZ zu privatisieren – die Betroffenen und ihre Vertreter (ver.di & Betriebsrat, BR) hatten von diesem Vorhaben erst aus der Zeitung erfahren. Nun stand am 29. September 2005 erneut ein Ratsbeschluss an: es ging um die Aufspaltung und Teilprivatisierung der Betriebe. In der 50seitigen Vorlage wird explizit befürwortet, die Lohnkosten zu senken, um das Sparziel von 1,5 Millionen Euro bis 2009 zu erreichen – dafür sprach sich auch der Ortsvorsitzende der Links­partei.PDS aus! Durchgebracht wurde der Antrag in einfacher Mehrheit mit den Stimmen der CDU und der Unternehmerpartei „AG Zwickau“ (zusammen 17) – abgesehen von drei Abgeordneten der CDU/SPD/Grünen, enthielten sich die übrigen Volksvertreter (insgesamt 19), darunter auch die der Linkspartei.PDS. Die Ratssitzung erschien wie eine Neuauflage der Vorführung im November 2004: die Hände hoch, die Hände runter, und aus. Keine Diskussion.

Demnach wird die Geschäftsführung der SVZ als 100%iges Tochterunternehmen eine „SVZ Betriebsgesellschaft“ gründen, von der rückwirkend (!) zum 1. Mai 2005 etwa 220 der 270 ArbeiterInnen übernommen werden sollen. Der Bürgermeister (CDU) will davon einzig Abstand nehmen, falls dadurch die Abschreibung von Gewinnen der Stadtwerke gefährdet wäre.

Gegen den fortgesetzten Angriff auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen traten die ArbeiterInnen am Donnerstag, den 29.9. in einen Streik, zu dem ver.di aufgerufen hatte. Die Entschlossenheit ist, nach Angaben des Gewerkschaftssekretärs Steinforth, groß – 94 Prozent der gut 200 Gewerkschaftsmitglieder sprachen sich am Donnerstag (29.) für die Fortsetzung des Streiks aus. Es waren in der kurzen Zeit auch KollegInnen aus Chemnitz, Dresden und Leipzig angereist, um ihre Solidarität zu bekunden – das gibt zwar Mut, aber es blieb bei Worten.

Am Freitag Abend, um 20 Uhr wurde der Streik „ausgesetzt“, denn das Arbeitsgericht Zwickau hatte die Bewegung in einer einstweiligen Verfügung als illegalen „politischen Streik“ qualifiziert. Dem Gewerkschaftsse­kretär wurde Beugehaft angedroht. Infolge eines Ge­richts­beschlusses („einstweilige Verfügung“ ist ja eben nur eine vorläufige Stellungnahme) hät­­te sich jedeR ArbeiterIn einzeln von der Justiz verfolgt gesehen. In der Belegschaftsversammlung – jede andere Entscheidungsinstanz wäre angesichts der Resultate der Urabstimmung ein Skandal gewesen – gab es zwar auch Stimmen, die sagten man solle die Aktion offiziell abbrechen und dennoch, sozusagen „spontan“ weiterführen – dazu aber kam es am Samstag nicht.

Gleichzeitig bot die Stadtverwaltung Gespräche für Mittwoch, den 5.10. an – dabei handelte es sich aber um „‘n Stück­chen Verarschen“ (Steinforth): nachdem der Bürgermeister bekannte, dass er kein Mandat hätte, wurden die Verhandlungen unterbrochen, bevor sie begonnen hatten. Schon eine „Verständigung“ infolge des wilden Streiks im November 2004 hatte sich als Luftnummer erwiesen, die „gar nichts gebracht“ (BR) hat. Die Stadtverwaltung verfolgt also eine Strategie der Verzögerung, wenn sie an den Verhand­lungs­tisch bittet. Gleichzeitig bahnen sich neue Auseinandersetzungen an, wenn der Stadtrat Ende Oktober über Massenent­lassungen (300-500 Beschäftigte) im Öffentlichen Dienst Zwickaus entscheidet. Die massiven Angriffe des Stadtrats drängen die „Arbeitnehmervertreter“ auf ungewohntes Terrain, beschränken sich gewerkschaft­liche Mobi­li­sierun­gen im Betrieb doch vornehm­lich auf tarifliche Auseinandersetzungen.

Steinforth sagte Feier­abend!, man wer­de sich in Zukunft auf ei­ne Taktik der „Nadelstiche“ verlegen. Mit kurzen, und über­ra­schenden Ak­tionen soll eine Zeitspanne genutzt werden, die sich angesichts der Rechts­lage bietet: eine einstweilige Verfügung der Staatsmacht braucht etwa einen Tag, um erlassen zu werden. Damit sollen juristische Sanktionen umgangen werden.

 

A.E.

Harte Bandagen in der Defensive – Teil 2

Streik bei Infineon

Am 24. 10. 05 traten die 800 Arbeiter­Innen von Infinion in München-Perlach in einen unbefristeten Streik. Sie wollten damit gegen die Schlie­ßung und für höhere Abfindungen kämp­fen. Die Chipfabrik, die nach heute überholten Standards arbeitet, soll geschlo­ßen werden.

Nachdem am Montag keiner der an­gekarrten Streikbrecher in das Werk gelangte, wurden am Tag darauf ca. 20 „Arbeitswillige“ mit Polizeieskorte durch die Streikkette geschleust. Dabei gerieten Streikende und Polizei aneinander, wobei ein Staatsdiener seine Dienstwaffe zog und ein Streikender von einem Bus angefahren wurde.

Dass sich der Import von Streikbrechern nicht rechnet, zeigen die 200.000 Euro Sachschaden, die die Ersatzarbeiter, eigentlich Ingenieure, an einem Tag durch Unkenntnis anrichteten. Beendet wurde der Streik am 31.10.05 mit dem Beschluß, das Werk zwei weitere Jahre zu betreiben.