oder „von Einem der auszog, das Ärgern zu lernen“
Eigentlich gilt auf Demonstrationen in Deutschland striktes Vermummungsverbot. Trotzdem verstoßen vor allem radikale Gruppen immer wieder dagegen. Eine scheinbar besonders perfide Form sich zu vermummen, ist sich als Clown zu verkleiden. Zu den G8-Protesten in Rostock marschierte gleich eine ganze Hundertschaft vermummter Clownsaktivisten ein. Die Polizei war überfordert, die DemonstrantInnen amüsiert. So richtig Angst und Schrecken flößt diese Clowns-Army eben nicht ein. Zu grotesk ist ihr Outfit, zu dreist, zu schnell, zu verspielt überschreiten sie Grenzen, für deren Übertretung jeder “schwarz gekleidete Demonstrant Schläge oder Gewahrsam riskieren würde.“ Auf einem der G8-Protestcamps traf ich David, alias Bombie. Den Philosophiestudenten aus Bochum habe ich gefragt, was der Einmarsch der Clowns-Army bedeutet.
„Ist das alles nur Spaß oder steckt ein Konzept hinter der Clowns Army?“
„Es ist nicht so, dass man einfach Aktivisten hat, die sich als Clowns verkleiden. Sondern das ist sehr professionell organisiert. Wir sind Clowns, vor Ort, wir tun nicht nur so, wir sind es. Und als solches ist es dann auch von einem reinen Aktivistenkonzept zu trennen. Es ist auf eine ganz eigene Weise politisch. “Viele, vor allem Polizisten, denken, dass wir ganz besonders fiese Autonome sind, die sich nur als Clowns anschminken, um dann fies zuzuschlagen. Aber das Radikale ist nicht, dass sie aggressiv sind, sondern dass sie völlig das Konzept sprengen. Sie fangen auf einmal an, eine Rolle einzunehmen, die dieser Gesellschaft bekannt ist, nämlich die des Clowns. Der passt aber in diesen Rahmen von Repression und Unterdrückung gar nicht rein. “Mit Clowns kann man (Anm. d. Autors: von Polizeiseite) gar nicht so richtig umgehen: Sie kommen an und machen sich über einen lustig und wenn man sie ignoriert, machen sie immer weiter und man steht lächerlich da.“
“Wie wird man Clown-Aktivist?“
“Es gibt Workshops, die professionell organisiert sind. Ich selbst hatte einen dreitägigen Workshop, der Vollzeit war und sehr an Improvisationstheater erinnerte. Man lernt Übungen und Spiele, einfach das Denken abzuschalten. Du versuchst gar nichts Lustiges zu machen, sondern du versuchst es einfach laufen zu lassen… Jeder hat einen Clown in sich. Es geht darum ihn zu befreien.“
“Wie funktioniert die Clowns-Armee?“
“Die Clowns Army bewegt sich bei vielen Sachen auf einer Gratwanderung… Also es ist tatsächlich eine Form der Armee. Es macht sich darüber lustig, aber es nimmt einige Formen effektiv auf und nutzt sie auch wirklich in dieser Form. Die Clowns sind organisiert in Gruppen und nennen sich „gaggles“… Es gibt „code-plenas“, eine bestimmte Form in der ganz schnell Entscheidungen getroffen werden. Das ist sehr ernst, das ist dann wirklich in so einer Aktivistenrolle. Man entscheidet eine grobe Fahrtrichtung, geht wieder in seinen Clown rein und dann geht es weiter.“
“Man kann also aus seinem Clown rein und raus gehen. Wie funktioniert das?“
“… Wenn man ernsthaft diskutieren will, nimmt man immer die Nase ab. “
“Ist das Rein-Raus aus dem Clown nicht schizophren?“
“Nein. Naja, ein bisschen vielleicht schon. Es ist ein Problem dazwischen zu wechseln, weil ich als David bin ganz klar politischer Aktivist und „Bombie“ ist „Bombie“. Er geht ganz anders an die Dinge heran. „Bombie“ findet auch viele Dinge schlimm, aber Bombie macht keine Pläne. Und wenn er Pläne macht, dann vergisst er sie sehr schnell wieder. So ist es natürlich ein Problem mit Bombie etwas Bestimmtes zu machen. Es gibt die Situation, wo man zwischendrin auch mal wieder einen kühlen Kopf kriegen muss und als David etwas planen muss, mit den anderen besprechen muss und auf einmal merke ich, wie sich Bombie wieder in den Vordergrund drängelt, ich wieder mit einer Pieps-Stimme spreche und meinem Nebenmann an die Nase greife, ohne dass ich das wollte, weil sich Bombie wieder durchsetzt.“
“Wie behältst Du die gute Laune über Stunden, bei 30 Grad, emotionalem Stress..?“
“Es geht nicht darum zwanghaft Leute zu belustigen. Aber natürlich kann es über längere Zeit hart werden. Ich selber bin ein Clown, der sehr viel Energie reinsteckt, sehr abgeht, durch die Gegend springt, sich total verausgabt und ich hab festgestellt ich bin niemand, der einen halben Tag Clown machen kann. Nach drei vier Stunden Power merke ich, ich muss aufhören. Dann geht man an die Seite, schminkt ab und dann ist es auch vorbei. “
“Kann Bombie über das was er hier erlebt hat, sprechen?“
“Oh, ich weiß nicht. Ich glaube Bombie hat sich gerade noch ein wenig versteckt. Er ist noch sehr geschafft von den Tagen. Er hat viel zu verarbeiten. Bombie interessiert sich mehr für Details und den Spaß, den er damit haben kann. Eigentlich wollte Bombie bloß baden gehen, aber leider kam da ein Zaun dazwischen.“
(dr.no)