Demographische Bewegungen

Es geht wieder was in Leipzig. Nicht un­bedingt in dieselbe Richtung oder zur glei­chen Zeit. Dafür aber mit Ausdauer und ei­ner gewissen Trotzigkeit. Seit Anfang Ap­ril häu­fen sich für wachsame Beo­bachter­In­nen die Gelegenheiten in der Innenstadt oder ent­lang der Karli Demon­strationen von mehre­ren hundert Men­schen an sich vor­überziehen zu lassen.

Die Ersten, denen es nach dem Winter zu eng in den Häusern wurde, waren die sog. „Links­autonomen“, Antifas und Leute aus dem libertären Spektrum. Zur Verteidigung des inzwischen ger­äum­ten Ungdomshuset (Ju­gend­haus) in Kopen­hagen, zogen einige Hundert Men­schen von Connewitz Rich­tung In­nenstadt. Das Ungdomshuset war ein Ge­bäu­de im Ko­pen­hagener Stadtteil Nørrebro. Ur­sprüng­lich Zentrum der Ar­bei­ter­bewe­gung, stellte es die Stadt 1982 nach einer Be­setzung als Jugendzentrum zur Ver­­fügung. Es fun­gierte seitdem als Treff­punkt verschiede­ner linker Gruppen, sowie als Veranstaltungs­ort von Konzerten und Festivals.

Kaum war dieser Anlass verschwunden, tauch­te der nächste auf: Nazis sollen einige Pun­­­ker vorm Hauptbahnhof überfallen, ei­nen Welpen getötet und einen Punker kran­ken­­hausreif geprügelt haben. Die Spon­tan­­de­mo aufgrund dieses Überfalls mit etwa 300 Menschen ließ nicht lange auf sich warten.

Nächster Anlass für spontane Wut waren die Durchsuchungen der Polizei am 9. Mai von auto­nomen Projekten, wie der „roten Flora“ (Ham­burg) im Vorfeld des G8-Gip­fels, die nicht einfach so hin­genommen wer­den konn­ten. Insgesamt sechs Mal liefen mehrere hun­dert Leute von Conne­witz Richtung Innen­stadt, um die Legi­timität von Anti-G8-Protesten zu unter­streichen.

Para­llel dazu machten sms-Ketten die Run­de, die zu Spontandemos gegen Na­zis aufriefen, bei der so mancher Nach­mit­tag und Abend drauf ging. Insgesamt fünf Mal hieß es: „raus auf die Straße und Ge­sicht gegen Faschismus zeigen“. Der har­te Kern traf sich am 18. Mai zur vor­erst letzten Antifa-Spontan-Demo am Haus Leip­zig, welche auf dem Nach­hau­se­­weg am Szeneladen „Unter­grund“ vor­bei­­­skan­dierte: „Unter­grund wir sind da, Au­tonome Antifa!“. Wat mut, dat mut.

So manche/R der/die glaubte, die näch­sten Abende könne mensch sich ruhigen Ge­­wissens in die Kneipe oder zum Tisch­­ten­nis ins Zoro begeben, hatte sich geirrt. Am 24. Mai hieß es erneut raus auf den As­phalt und zwar für eine Stadt für alle! Also eine, die nicht Wach­dien­sten, La­den­besitzern, Einkaufs­meilen und Über­wa­chungs­kameras gehört. 700 Leu­te fan­den sich ein, darunter einige Rebel-Ar­my-Clowns und trafen auf leicht reizbare Cops. Da reichte es schon mit Kreide ein Dienst­fahrzeug anzuma­len, um film­reif ver­­haftet zu werden. Da nun aber die Leip­ziger­Innen eine gewis­se Rou­tine ha­ben, blieb die Demo ein­fach so lange vor Kar­stadt stehen, bis der Clown wieder ge­hen konnte.

Die „Faszination Protest“ hat – nach­dem die Telekom-Chefs mit miesen neu­en Ar­beitsverträgen den Anlass dazu ge­­liefert hat­ten – auch auf einige ihrer Arbeiter­Innen übergegriffen. Am 23. und 30. Mai liefen die Gewerk­schaftler­Innen für ihre Ar­beitsplätze durchs Zentrum. Und wol­len dies bei Fort­bestehen des An­lasses auch weiter tun.

Wer trotz dieses vielfältigen An­ge­botes noch nicht die Demo(s) seiner Wahl ge­fun­den hat, könnte auch bei den wieder­belebten Mon­tags­pro­testen mit­gehen. Der Grund für diesen Protest existiert schließ­lich auch immer noch.

(hannah)

P.S: Man ahnte es zwar kaum, aber natürlich waren auch am 6. Juni spontan und parallel zu Heiligen­damm Leipziger auf der Straße. Wofür: unklar, wogegen? Gegen Polizei­repres­sion zu G8.

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