Januar 2015 – ein Erfahrungsbericht aus Dresden

[Der Autor des folgenden Textes, Mohamed Okasha, ist Beauftragter für ausländische Studierende an der Universität Leipzig. In dieser Eigenschaft wurde er am 14. Januar 2015 von Sachsens Ministerpräsident Tillich zum Neujahresempfang unter dem Titel „Aus aller Welt – zu Hause in Sachsen“ ins Dresdner Albertinum eingeladen (http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/196257). Am 13. Januar 2015 geschah in Dresden der Mord an Khaled Bahray, einem Asylbewerber aus Eritrea. Durch die Fehlannahmen der Polizei, es handele sich um einen Todesfall ohne Fremdeinwirkung, begann die Spurensicherung viel zu spät. Der Fall verursachte internationale Resonanz und die Dresdner Polizei geriet unter starke Kritik. Im folgenden Beitrag gibt der Autor einen subjektiven Erfahrungsbericht im Klima dieser Ereignisse.]

Ein Asylbewerber wurde getötet… Ich gehöre nicht hierher:

Zurück aus Dresden… aus einer der schönsten Städte Deutschlands.. jedoch aber eines der schlimmsten Völker Deutschlands.. Ich habe eine Einladung vom Ministerpräsident von Sachsen bekommen, als Vertreter der ausländischen Studenten der Uni Leipzig. Ich war sehr glücklich und dachte, der Mann wollte wissen, was wir brauchen, oder wie können wir das Problem von Pegida überwinden, oder wie kann man den Integrationsprozess fördern, oder wie sieht es aus mit den Problemen der Flüchtlinge, ausgegangen davon, dass ich mich mit diesem Thema gut auskenne…

Zwei Szenen:

Die erste Szene: Durchaus schöne Halle, geschmückt, am Eingang stehen schöne Frauen mit Gläsern Wein, Saft und Wasser… Alles kostenlos.. Rechts gibt es ein offenes Buffet… Die Halle ist voll von sehr schicken Persönlichkeiten, Leiter von Parteien, VIPs … Eine Tafel mit dem Titel „Sachsen für alle Zuhause“ oder so, der Satz ist auf allen Sprachen geschrieben außer der Arabischen… mmm… nicht schlimm, kein Problem… .. Klassische Live Musik, eine Band aus zehn verschiedenen Nationalitäten.. eine Werbung, in der Schüler aus verschiedenen Nationalitäten zusammen basteln. Der Ministerpräsident bestätigt in seiner Rede, dass er sich für alle Bürger interessiert… Dann taucht eine Tanzgruppe auf, die schöne Bewegungen macht… Ich: Dafür bin ich aus Leipzig gekommen?? Ist das alles?!! Eine draußen rauchen ist besser…

Die zweite Szene:

Vor dem Haupteingang der Halle… Eine Gruppe von armen Menschen, nicht mir fremd, Asylbewerber.. Ich: „Warum demonstrieren sie?“ Ein schicker Mann: „eine Spontan-Demo, nicht gemeldet?“ „Aber wozu?“ „Ein Ausländer wurde gestern abend getötet?“… Ich gehe zu ihnen, ungefähr ein Hundert Asylbewerber,… eine alte Frau jammert… die Verwandte des Toten… ungefähr sieben Deutsche, die mitdemonstrieren, und eine Rede halten, aber auf Deutsch… die Asylbewerber verstehen nicht… einer fragt mich ob ich Arabisch sprechen kann.. ich übersetze die Rede, und ich verstehe nix, was ist los? was ist gestern passiert? wie wurde dieser Typ getötet?… Die Demonstranten wollen mit dem Ministerpräsident reden… ich gehe um ihn darum zu bitten, mit ihnen zu reden,… zufälligerweise finde ich die Integrationsministerin, eine alte nette Frau… sie redet mit ihnen und ich übersetze… Zum ersten Mal hier in Deutschland sehe ich diese Angst… sie können nicht einkaufen gehen, sie können nicht auf der Straße laufen… Ihre Heime werden täglich angegriffen… kein Sicherheitsdienst… die alte Frau hat kein Essen zuhause, da sie Angst hat, auszugehen um einzukaufen.. Die Leute spucken ihnen ins Gesicht… sie fühlen überhaupt keine Sicherheit… sie wollen weg von hier… sie wollen ihre Pässe wieder damit sie von hier weggehen können… sie sind geflohen um sicher zu leben… aber leider keine Sicherheit… sie wollen kein Geld, sie wollen nur Sicherheit…
Die Ministerpräsidentin spricht ihr Beileid aus, verspricht, sich mit den Betroffenen diese Woche zu treffen, um praktische Lösungen zu finden…

Ich gehe zurück zu meinem Treffen… eine völlig andere Welt, die nicht spürt, was draußen passiert… Geräusche der Gläser statt der Rufe… Lachen statt Weinen… Lächeln statt Tränen… Das ist nicht mein Platz… ich gehöre nicht hierher… ich packe meine Sachen ein und gehe zu den Demonstranten… zu meinen Leuten.

[Mohamed Okasha]

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