– Die nächste Freihandelsfalle –
Derzeit laufen die Verhandlungen über das Transatlantische Investitionsschutz- und Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU. Dieses Abkommen zielt auf Liberalisierung, Privatisierung und Konzernschutz in unfassbar vielen Sektoren: Nicht nur der kulturelle Bereich ist bedroht, auch Finanzdienstleistungen sollen noch stärker dereguliert, die öffentliche Auftragsvergabe weiter liberalisiert, der Verbraucherschutz abgesenkt, die Chemikalienrichtlinien entschärft werden. Öffentliche Dienstleistungen (Wasser und vieles mehr) sollen weiter privatisiert, unliebsame Arbeitnehmerrechte abgebaut, Medikamentenzulassungen in den USA erleichtert, Landwirtschaft weiter industrialisiert und Investitionsinteressen von Konzernen erheblich und empfindlich erweitert werden. Demokratische Prozesse werden umgangen und ausgehebelt. Die Aufzählung ließe sich nahezu endlos fortsetzen.
Das alles findet in fast schon gewohnter Manier statt: geheim und jenseits der Mitgestaltungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Interessen. Nur Konzernvertreter erhalten Zugang zu Informationen und Verhandlungsdokumenten. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist die Zustimmung zum Abkommen bereits vorformuliert.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Bereits Anfang der 1990er Jahre lagen Vorschläge für die Errichtung einer Freihandelszone zwischen den USA und Europa auf dem Tisch. Einige erinnern sich vielleicht noch an die großen Proteste gegen das MAI-Abkommen Mitte der 90er Jahre. Das „Multilaterale Abkommen über Investitionen“ wurde durch die Europäische Union und die OECD 1995 initiiert und sollte drei Jahre später am Protest der Bevölkerung scheitern. Die Verhandlungen fanden geheim statt, aber was an die Öffentlichkeit kam, reichte aus, um in einigen Ländern große Proteste loszutreten. Besonders in Frankreich war der Widerstand groß und Regierung und Parlamente einiger EU-Staaten weigerten sich aufgrund des Drucks aus der Bevölkerung das Abkommen zu ratifizieren. Damit waren die Verhandlungen beerdigt.
Jetzt ist die Debatte wieder auf der Tagesordnung. Seit Juli 2013 laufen zwischen der EU und den USA die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommen. Die Abkürzung TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership. Hierbei geht es vor allem um „nichttarifäre Handelsbarrieren“ wie zum Beispiel öffentliche Aufträge, Konsumenten- und Datenschutz, Kennzeichnung von Lebensmitteln, Umweltgesetze, Medikamentenpreise, Patente, Schürfrechte oder Arbeitsnormen. Das geplante Vertragswerk kann man ohne Übertreibung als einen radikalen Angriff auf soziale, ökologische und rechtliche Standards in der EU und in den Vereinigten Staaten bezeichnen. Die EU-Kommission hat vom Europäischen Rat ein umfassendes Mandat für die Verhandlungen erhalten. Diese Verhandlungen sind streng geheim, und kein handelsrelevantes Thema ist ausgeschlossen, nahezu sämtliche Wirtschafts- und Lebensbereiche sind betroffen. Nur Wirtschaftslobbyisten haben privilegierten Zugang und erheblichen Einfluss auf die Verhandlungen. Dennoch sind einzelne Informationen und Dokumente an die Öffentlichkeit geraten und es formiert sich bereits zivilgesellschaftlicher Widerstand.
Worum geht es?
Beide Vertragspartner wollen die Verhandlungen dazu nutzen, demokratische und soziale Rechte, Klimaschutz und die Kontrolle der Finanzmärkte auf dem jeweils höchsten Liberalisierungsniveau und damit auf dem niedrigsten Level zu „harmonisieren“. Die Interessen der Konzerne, wie niedrige Abgaben, niedrige Löhne, niedrige Umwelt- und Sozialstandards oder auch eine Klagemöglichkeit bei „geschäftsschädigenden Gesetzen“ sollen bedient werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft, die derzeit zumindest teils über Gesetze und Regeln durchs Parlament erfolgen können, sollen massiv eingeschränkt werden.
Der Öffentlichkeit wird das Abkommen als „Wirtschaftsmotor“ verkauft. Merkel wie auch Obama versprechen hunderttausende neue Jobs auf beiden Seiten des Atlantiks. „Bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze“ würden geschaffen, ließ die Bundesregierung bereits bei Beginn der Verhandlungen im Sommer des vergangenen Jahres verlautbaren. Tatsächlich aber profitieren einseitig Investoren und große Konzerne, hierzulande wie auf der anderen Seite des großen Teichs. Die Handelserleichterungen kämen den Menschen hier wie da teuer zu stehen.
Private Schiedsgerichte und Sonderklagerecht
Das Abkommen ist einerseits ein Freihandels- und gleichzeitig ein Investitionsschutzabkommen. Damit wird Konzernen an nationaler Gesetzgebung vorbei ein Sonderklagerecht eingeräumt. Ausländische Investoren sollen vor Schiedsstellen gegen Staaten klagen können, wenn Gesetzesänderungen ihre Investitionen oder Gewinnerwartungen einschränken. Damit gibt es jede Menge Erfahrungen im Rahmen bilateraler Investitionsschutzabkommen. Daraus entstehende Konflikte werden bei internationalen Schiedsgerichten wie dem Weltbanktribunal ICSID (1) verhandelt.
Während inländische Unternehmen sich in solchen Fällen an die allgemeinen Rechtswege halten müssen, sollen internationale Investoren also Sonder-Klagerechte in einem zweiten, völlig intransparenten parallelen Rechtssystem bekommen. In diesem System entscheiden keine ordentlichen Gerichte, sondern private Schiedsgerichte. Diese tagen geheim in Hotelzimmern in den Metropolen der Welt und bestehen aus nur drei Personen: Klägervertreter, Schiedsrichter und Anwalt des beklagten Staates. Je nach Fall werden die Rollen gewechselt. Für international tätige Großkanzleien wie bspw. Freshfields Bruckhaus Deringer ist die „Klageindustrie“ ein Milliardengeschäft. Ein einziger durchschnittlicher Investitionsschutzfall verursacht Anwalts- und Schiedsgerichtskosten von acht Millionen Dollar.
Unabhängigkeit, Rechenschaftspflichten oder Revisionsmöglichkeiten gibt es nicht. Die Zahl solcher Schiedsverfahren ist in den vergangenen Jahren weltweit gestiegen. Oft geht es um milliardenschwere Entschädigungsforderungen von Konzernen gegenüber Staaten, die dann vom Steuerzahler zu begleichen sind. Es gibt eine ganze Reihe Beispiele für solche Klageverfahren. Dabei kann alles Mögliche Anlass für die Klage sein: Warnhinweise auf Zigarettenschachteln (Philip Morris gegen Australien und Uruguay), Öko-Auflagen oder Sanktionen wegen Umweltverschmutzung (Renco gegen Peru, Chevron gegen Ecuador), die Erteilung einer Lizenz an die Konkurrenz (in Indien), staatliche Preiskontrollen (Suez, Vivendi und andere gegen Argentinien), ein erzwungener Schuldenschnitt (in Griechenland und Argentinien) – bis hin zur Enteignung von Unternehmen (bspw. Entel gegen Bolivien).
Eines der letzten Beispiele hierfür hierzulande ist der Beschluss zur Abschaltung mehrerer Kernkraftwerke in der BRD. Nach dem Beschluss verklagte der Konzern Vattenfall als ausländischer Investor die Bundesregierung auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz vor einem privaten internationalen Schiedsgericht in Washington. Diese Schiedsverfahren sind komplett intransparent, sowohl Verhandlungen als auch Schiedsspruch bleiben geheim. Ergebnisse gelangen nur an die Öffentlichkeit, wenn beide Seiten einer Veröffentlichung zustimmen. Die Verhandlungen wurden im vergangenen Jahr zunächst ausgesetzt. Derzeit ist nicht bekannt ob das Verfahren wieder läuft oder wie der Urteilsspruch ausgegangen ist.
TTIP führt neben einer weiteren Zunahme möglicher Verfahren zweifelsfrei auch unweigerlich zu einer „disziplinierenden“ Wirkung auf Regierungen: lieber auf Verbesserungen im Verbraucherschutz, im Sozial- oder Umweltbereich etc. verzichten, als sich mit Großkonzernen anzulegen.
Die Frage, wie souverän ein Staat handeln kann angesichts des wachsenden Risikos teurer Schiedsgerichtsverfahren, liegt auf der Hand. Mit TTIP geht die Privatisierung der Justiz einher und Rechtstaatlichkeit wird ausgehebelt.
Fairer Handel & solidarisches dezentrales Wirtschaften soll unmöglich gemacht werden
Im Rahmen der Verhandlungen mit den USA drängt die EU auf eine sehr weitreichende Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens. Das bedeutet, dass beispielsweise in Kommunen die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Ziele oder die gezielte Stärkung der eigenen Region durch Vergabe von Aufträgen oder auch durch Einkäufe, weitgehend unmöglich gemacht wird. Denn wenn Gemeinden, Landkreise oder Bundesländer Aufträge vor Ort vergeben, etwa um unnötige Transportwege zu verhindern oder regionale Handwerker und Produzenten zu fördern, diskriminieren sie entfernte Anbieter. Der Freihandelsideologie widerspricht das und ist verboten. Dies könnte auch als Einfallstor dienen, um beispielsweise die Privatisierung der Wasserversorgung noch stärker voranzutreiben, indem darauf gedrängt wird, Wasserkonzessionen prinzipiell weltweit auszuschreiben und an den jeweiligen Anbieter mit dem billigsten Angebot zu vergeben.
Urheber- und Patentrecht
Zuletzt wurde mittels des ACTA-Abkommens versucht, aus der Weiterleitung eines Zeitungsartikels eine Urheberrechtsverletzung zu machen. Aus gutem Grund liefen die Menschen Sturm gegen die Geheimverhandlungen – nun geht es von vorn los. Noch vor den Verhandlungen verwässerte die EU-Kommission einen Gesetzentwurf zum Datenschutz im Sinne der US-Geheimdienste und die Unterhaltungsindustrie setzt alles daran, Urheberrechte so restriktiv wie möglich zu handhaben. Ob Patente auf Saatgut oder Datensammelwut im Internet, die Lobbyisten von Monsanto, Google und Amazon hoffen auf noch größere Freiheiten zu beiden Seiten des Atlantiks. Meinungsfreiheit und Datenschutz bleiben dabei auf der Strecke.
Finanzdienstleistungen
Obwohl die Krise anhält, wurde und wird auf die Ursachen nicht reagiert. Das Handelsabkommen könnte einer noch weitergehenden Deregulierung der Finanzmärkte Vorschub leisten und somit die Instabilität und die ungerechten Wirkungen der Märkte noch vergrößern. Vom Abkommen betroffen wären unter anderem Bankgeschäfte und Versicherungen aller Art, sowie der komplette Wertpapier-, Derivate- und Währungshandel.
Das bedeutet etwa, dass derzeit geltende Schutzrechte, wie die der öffentlichen Sparkassen, nicht mehr greifen, da sie ausländische Unternehmen benachteiligen. In den USA wie in der EU versprechen sich Banken- und Versicherungsverbände bestehende Auflagen umgehen zu können, die derzeit durch nationale Gesetzgebung bestehen. Das betrifft unter anderem Bankgeschäfte und Versicherungen aller Art. Aber auch der komplette Wertpapier-, Derivate- und Währungshandel soll in das Abkommen miteinbezogen werden.
Kultur
Bei den Auseinandersetzung in den 90er Jahren um das MAI-Abkommen spielten die französischen Kulturschaffenden eine wichtige Rolle, da es vor allem hier gelang wirklich breite Proteste gegen das Abkommen zu mobilisieren. Die französische Regierung hat auch deshalb aktuell auf die vorläufige (!) Herausnahme von Kultur und audio-visuellen Dienstleistungen aus der Verhandlungsmasse bestanden. Diese sind aber ausdrücklich nicht generell herausgenommen worden, sondern werden nur in den aktuellen Verhandlungsrunden nicht behandelt. Deshalb könnten die europäische Filmförderung, die Buchpreisbindung, öffentliche Förderung kultureller Einrichtungen und andere Bereiche des kulturellen und kulturpolitischen Lebens jederzeit dem Freihandel geopfert werden.
Verbraucherschutz und Vorsorgeprinzip
In der EU muss bis dato bei der Einführung bestimmter Technologien oder Güter nachgewiesen werden, dass es keine Folgeschäden gibt. Mit diesem grundlegenden politischen Handlungsprinzip lässt sich z. B. Fracking (2) in Europa verhindern, weil hierbei Folgeschäden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. In den USA ist die Gesetzgebung genau anders herum: Dort muss die Schädlichkeit nachgewiesen werden. Diese Regelung ist für Großkonzerne natürlich attraktiver und mit einem gültigen TTIP wäre in der gesamten Freihandelszone alles erlaubt für dessen Schädlichkeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. In Europa kann derzeit noch gegen den Anbau der Gen-Kartoffel Amflora geklagt werden, weil nicht absolut sicher ist, ob sich die Antibiotikaresistenz der Kartoffel auf andere Lebewesen übertragen kann und wichtige Antibiotika damit unwirksam würden. Fällt das Vorsorgeprinzip, welches schon heute im Spiel der Interessen häufig den Kürzeren zieht, könnten viele weitere Regulierungen und Verbraucherschutzstandards wie Dominosteine kippen.
Umwelt
Trotz aller Beteuerungen, ökologische Erfordernisse zu berücksichtigen, bleibt die Umwelt auf der Strecke, allein durch die prognostizierte Ausweitung des Handels. Langstrecken-Frachttransporte samt CO2-Ausstoß werden zunehmen. Zugleich steigert der Preisdruck durch mehr Konkurrenz den Druck auf Umweltvorschriften. Größere Wirtschaftsräume führen zu größeren Unternehmen – was deren Möglichkeit, nationale oder EU-weite Behörden unter Druck zu setzen, ebenfalls erhöht.
Das Abkommen muss verhindert werden
Menschenrechte, menschenwürdige Arbeit, soziale und ökologische Ziele sind nicht verhandelbar. Demokratie, Selbstbestimmungsrecht von Gemeinschaften und flache Hierarchien werden als Grundlage einer selbstbestimmten Gesellschaft festgeschrieben. Handels- und Investitionspolitik hat diesen Vorrang anzuerkennen.
Der Widerstand muss breit werden und er darf sich nicht in Teilbereichen verlieren. Es geht nicht darum das Abkommen sozialer zu gestalten, sondern es muss darum gehen das Abkommen komplett zu verhindern.
Auf beiden Seiten des Atlantiks entwickelt sich in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft Widerstand. Umweltorganisationen, Gewerkschaften und antikapitalistische Bewegungen streiten gegen das TTIP. Die sogenannte „Harmonisierung“ von Gesetzen und Regelungen ist eine Absenkung hart erkämpfter Standards und Verbraucherrechte. Das u.a. im Nordamerikanischen Handelsabkommen NAFTA bereits verankerte Investorklagerecht hat die undemokratischen Folgen dieses Parallelrechts längst vor Augen geführt. Einer weiteren Ausweitung der Konzernmacht muss entschieden entgegengetreten werden. Derzeit bilden sich auf verschiedenen Ebenen Bündnisse, um Aktivitäten vorzubereiten die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. In Leipzig wird es am 27. Januar 2014 ein erstes Bündnis- und Vernetzungstreffen gegeben. Der Erscheinungstermin dieser Ausgabe wird wahrscheinlich danach liegen. Wer Informationen über weitere Treffen und Aktivitäten vor Ort erhalten möchte oder Interesse hat, sich einzubringen, kann sich unter folgender Mailadresse melden: krisendemo@gmx.de
[mn]
Kasten: 20 Jahre NAFTA – Erfahrungen in Mexiko
1994 trat das Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko mit ähnlichen Versprechungen in Kraft. Die Konsequenzen waren vielen Menschen auch damals schon bewusst. Am Tag der Unterzeichnung des Abkommens besetzten indigene Guerillagruppen der EZLN (3) mehrere Städte im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas und erklärten der Regierung Mexikos den Krieg. Das Freihandelsabkommen bedrohte ihr Überleben, da die Bauern gegen die Agrargiganten Nordamerikas keine Chance haben. Ihre Antwort war „¡Ya Basta!“ – Es reicht!
In den Jahren nach dem Abschluss des Abkommens veränderte sich die EZLN zu einer neuen Form politischer Organisation, die versucht, ihre Forderung nach einem besseren Leben in selbstorganisierter und basisdemokratischer Weise umzusetzen.
Wenn man heute, zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Abkommens nüchtern auf die Entwicklungen blickt, dann sind die damaligen Befürchtungen allesamt eingetreten. Mit dem Freihandelsabkommen wurde nicht nur vielen mexikanischen Kleinbäuerinnen und -bauern die Existenzgrundlage genommen. Durch den faktischen Rückzug jeglicher öffentlicher Kontrolle und weitgehender Einschränkung demokratischer Mitbestimmungsrechte wurde bis heute eine gesellschaftliche Umgebung in Mexiko geschaffen, die die Rahmenbedingungen für die in Teilen des Landes vorherrschende Gewalt, Korruption und die dominierende Rolle der Drogenkartelle schuf. Der Verlust von Souveränität führt dazu, dass der Staat mit seiner Macht zum Werkzeug zur Umsetzung von Konzerninteressen wird.
NAFTA hat den Menschen in den Ländern der drei Vertragspartner kaum Vorteile, dafür aber viele Nachteile gebracht. Ähnlich wie aktuell bei TTIP wurden im Vorfeld – durch Auftragsstudien „belegt“ – Versprechungen über unzählige neue Jobs, die durch den Freihandel entstünden, gemacht. Eingetreten ist das genaue Gegenteil: Hunderttausende haben durch NAFTA ihre Jobs verloren. In Mexiko sind Sicherheits- und Gesundheitsstandards niedrig, durch den enormen Preisdruck globalisierter Märkte lassen sich Arbeitsrechte kaum durchsetzen und die Bildung von Gewerkschaften in den ausschließlich von transnationalen Konzernen betriebenen Maquiladoras im Norden Mexikos wird behindert oder findet gar nicht erst statt. In den Maquiladoras werden importierte Einzelteile weiterverarbeitet und für den Export in die USA oder Kanada zusammengesetzt. Die Betriebe arbeiten in zollfreien Produktionszonen die durch NAFTA besonders stark angewachsen sind. Die zum überwiegenden Teil weiblichen Beschäftigten arbeiten bei geringer Bezahlung unter oft unmenschlichen und gesundheitsgefährdenden Bedingungen. Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden sind nichts Ungewöhnliches, da der Andrang groß ist und es fast keine anderen Verdienstmöglichkeiten gibt.
Die Profiteure des Abkommens sind Investoren und Konzerne. Seit dem Inkrafttreten hat es viele Investorenklagen gegen Regierungen gegeben. Die Kosten zahlten die Menschen im jeweiligen Land. Und genau deshalb dient NAFTA als Mahnung, welche Folgen das derzeit verhandelte transatlantischen Freihandelsabkommen für die Bevölkerung haben wird.
(1) Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (englisch International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) ist ein internationales Schiedsgericht mit Sitz in Washington, D.C., das zur Weltbankgruppe gehört. Es entscheidet und vermittelt vor allem bei Streitigkeiten im Rahmen von bilateralen Investitionsschutzabkommen.
(2) Fracking ist eine Methode die vor allem bei der Erdöl- und Erdgasförderung eingesetzt wird. Hierbei wird bei Tiefbohrungen eine chemische Flüssigkeit in den Boden eingepresst, um im Reservoirgestein Risse zu erzeugen, aufzuweiten und zu stabilisieren. Dadurch wird die Gas- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit der Gesteinsschicht erhöht, damit Fluide wie Erdgas, Erdöl oder Wasser leichter zur Bohrung hin fließen können.
(3) EZLN ist die Abkürzung für Ejército Zapatista de Liberación Nacional (auf deutsch Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung). Sie ist eine überwiegend aus Indigenas bestehende Organisation in Chiapas, einem der ärmsten Bundesstaaten Mexikos und trat am 1. Januar 1994 mit einem bewaffneten Aufstand erstmals öffentlich in Erscheinung. Sie setzt sich seitdem mit politischen Mitteln für die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos, aber auch generell gegen neoliberale Politik und für eine autonome Selbstverwaltung ein. Der Name beruft sich auf Emiliano Zapata, einen der historischen Führer der mexikanischen Revolution, in dessen Tradition sich die EZLN sieht. Daher werden sie auch Zapatistas (auf deutsch Zapatisten) genannt.