Theaterwissenschaft bleibt!

„Kürzer geht’s nicht! – Bildung braucht Zukunft!“ – unter diesem Motto protestierten nahezu 10.000 Studierende gegen die Sparpolitik der Universität Leipzig. Sie forderten die Erhaltung aller universitären Angebote und ein Stopp der Stellenstreichungen.

Bis zu 172 Stellen sollen bis Ende 2020 von der Universität Leipzig gestrichen werden, etwa 1.000 sind es insgesamt im Freistaat Sachsen. Kurzfristig betroffen sind vor allem das Institut für Archäologie mit seiner 300-jährigen Tradition und das Institut für Theaterwissenschaften, dessen Studiengang nur zweimal in Ostdeutschland angeboten wird. Diese werden beide geschlossen. Aber nicht nur die Geisteswissenschaften sind von den vom Freistaat Sachsen auferlegten Sparzwängen betroffen. Das Institut für Pharmazie wird ebenso geschlossen, ferner muss das Institut für physikalische und theoretische Chemie je einen Professor und einen Mitarbeiter einbüßen. Weitere Schließungen sind auch in den nächsten Jahren zu erwarten. Studierende der Theaterwissenschaften besetzten drei Wochen später vom 14. bis zum 25. Juli das Rektorat, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Weitere Verhandlungen und Gespräche mit der Rektorin Beate Schücking brachten jedoch keine neuen Ergebnisse hervor.

Hintergründe

Am 21. Januar diesen Jahres gab das Rektorat die geplante Schließung des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig bekannt. Der Grund dafür sind die Kürzungsauflagen des Sächsischen Mi­nisteriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK). 2010 verabschiedete der sächsische Landtag einen Kürzungsplan, laut dem bis 2020 über 1000 Stellen an sächsischen Hochschulen gestrichen werden sollen und beruft sich auf eine Statistik von 2009, die den Rückgang der Studierendenzahlen prognostiziert.
Das Gegenteil jedoch ist eingetreten, die Zahl an BewerberInnen für Studienplätze in Sachsen ist fast doppelt so hoch wie angenommen. Trotzdem wird der Kürzungsplan nicht angepasst und die Leipziger Theaterwissenschaft, „ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können“, wie Rektorin Beate Schücking betont, kurzerhand ganz abgeschafft. Und das, obwohl dieser Studiengang in den neuen deutschen Bundesländern ansonsten nicht angeboten wird. Abgesehen davon bietet Leipzig mit seiner vielfältigen Kulturlandschaft und der florierenden freien Theaterszene einen idealen Standpunkt für diese interdisziplinäre Wissenschaft. „Ich kann mir nicht vorstellen, was aus dieser Stadt ohne die Theaterwissenschaft werden soll“, so eine studentische Vertreterin, die sich außerdem in der Leipziger Freien Theater- und Kulturszene engagiert. „Ausgebildete und sich noch studierende Theaterwissenschaftler und Theaterwissenschaftlerinnen finden sich sowohl in Führungspositionen großer Kulturinstitutionen wie dem Schauspiel Leipzig, als auch unter den Künstlern und Künstlerinnen der freischaffenden Szene zu Hauf. Der Studiengang prägt Leipzig ungemein und ist eigentlich kaum wegzudenken. Dazu kommt, dass 20% der gesamten Theaterwissenschaft Deutschlands einfach wegfällt. Das ist beängstigend“, zeigt die Studentin auf.
Doch was passiert, wenn Bildung und Kultur als sich nicht lohnender Luxus abgetan wird?
Die Prorektoren um Frau Schücking lenkten bereits ein und deuteten im Gegensatz zur Aussage der Rektorin an, es gäbe keine plausiblen inhaltlichen Gründe, warum man das Institut schließe – unglücklicherweise seien hier viele Stellen mit Dozierenden besetzt, die kurz vor der Pensionierung stünden. Das SMWK fordert dieses Jahr die Streichung von 24 Stellen. Welche das sind, muss das Rektorat selbst entscheiden – das wird dann „Hochschulfreiheit“ genannt. Also werden die Stellen ausgewählt, die sowieso gerade am Auslaufen sind.
Nach aktuellsten Entwicklungen stehen dem Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst 85 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung – denn dank der BAföG-Reform 2014 übernimmt nun der Bund alleinig die Kosten der Studiumsförderung, die vorher teilweise vom Land getragen werden mussten. „Warum werden die frei gewordenen Mittel aus der BAföG-Reform nicht, wie in anderen Bundesländern, direkt in die Finanzierung der Hochschullehre gesteckt? Allein ein Teil des Geldes würde ausreichen, die 1042 Stellen im Hochschulbereich langfristig zu erhalten. Stattdessen soll das Geld z.B. in Neubauten und Großgeräte investiert werden. Das ist größtes Ausmaß von Geringschätzung (geistes-)wissenschaftlicher Arbeit, von Seiten der Landesregierung” so Paul Schwabe, studentischer Vertreter. Aus studentischer Sicht scheint sich die Landesregierung auch ansonsten gerade ins Aus zu katapultieren. Fachschaftsratmitlgied Torben Schleiner merkt an: „Der Freistaat Sachsen schneidet sich ins eigene Fleisch: In einem Land mit Bevölkerungsrückgang an den Unis Stellen zu kürzen und damit die Schließung ganzer Institute in Kauf zu nehmen, ist völlig kontraproduktiv: Institutionen zu beschneiden, die lernwillige junge Menschen im Land halten oder ins Land holen und damit eine Zukunft für Sachsen bauen, konterkariert alle Bestrebungen, Sachsen zukunftsfähig zu gestalten. Wenn dabei sogar für Sachsen einzigartige Institute wie die für Theaterwissenschaft und Archäologie geschlossen werden, wird die interdisziplinäre Erforschung und Auseinandersetzung mit kulturellen Praxen in Geschichte und Gegenwart schrittweise zurückgedrängt und wir laufen Gefahr, nur mehr marktwirtschaftlich und gewinnorientiert zu denken. Und in so einem Land möchte ich nicht leben.“
Im Kontext mit dem Wirtschaftsdiktat über Bildung und Kultur, das aktuell vor allem in Sachsen und Sachsen-Anhalt um sich greift, bleibt jedoch weiterhin fraglich, welche Motivation tatsächlich hinter der Schließung des Institutes steht.
„Wir befinden uns in einer Phase, in der die Gefahr hoch ist, dass sich die Gesellschaft irreparabel verändert“, erläutert Frau Baumbach, Professorin für Theaterwissenschaft, die Dimensionen: „Dies ist kein Kampf auf universitärer Ebene, dies ist ein politischer Kampf.“

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