Alles für alle! Schluß mit Schluß!

Die Umsonstkampagnen in Berlin und Dresden richten sich gegen den Sozialabbau und die Verteuerung des Lebens im öffentlichen Raum. Ob U-Bahn, ob Freibad, es ist nicht „natürlich“ (viel) zu bezahlen, schon gar nicht für öffentliche Güter.

Mit der Kampagne „Berlin Umsonst“ haben seit dem ersten Mai verschiedene Gruppen und Initiativen eine Antwort auf die Sparpolitik des Berliner Senats jenseits von Demonstrationen gefunden. „Berlin umsonst“ möchte keine Politikberatung machen, sondern vielmehr, daß die Betroffenen von sozialen Kürzungen, Verdrängungspolitik und steigenden Lebenshaltungskosten, sich artikulieren. Sie erteilen „Schluß mit diesem, Schluß mit jenem“ eine Absage und fordern „Schluß mit Schluß!“. Mit der Motivation „Menschen anzusprechen, die bisher keine oder kaum Berührungspunkte mit linker Politik hatten, sowie die soziale Frage in der Linken stärker zu verankern“, wurden bereits einige Aktionen durchgeführt.

Als Erstes wurden vor den Eingängen von U- und S-Bahnen Tickets mit der Aufschrift „U-Bahn-Fahren zum Nulltarif“ verteilt. Die PassantInnen trauten dem Frieden aber wohl nicht so ganz und lösten trotzdem ganz normal ihre Fahrkarte am Automaten. Die zweite Aktion fand am Prinzenbad in Kreuzberg statt, dessen Eintrittspreise erst kurz vorher verteuert wurden. Da Kreuzberg nicht gerade zu den reichen Vierteln zählt, wundert es nicht, daß sich neben den AktivistInnen auch zahlreiche kinderreiche Familien beteiligten. Einigen Menschen gelang es, kostenlos das Freibadgelände zu betreten. Um die kapitalistische Normalität aufrecht zu erhalten, wurde das Prinzenbad an den darauffolgenden Wochenenden von einem großen Polizeiaufgebot bewacht. Wäre ja auch noch schöner, wenn jede ins Freibad ginge, wann sie Lust hat und es ganz normal würde, nicht zu bezahlen. Dies hinderte die Umsonstler allerdings nicht eine Freibad-Fahrrad-Tour zu veranstalten.

Auch in Dresden hat sich eine Kampagnengruppe gebildet und als erste Aktion das Arnold-Bad symbolisch besetzt. Am 14.9. gingen 30 Aktivistinnen und Aktivisten unter dem Motto „Heute freibaden“ planschen. Mit dieser Aktion soll gegen die zunehmende Verteuerung des Zugangs zu sozialen und kulturellen Einrichtungen protestiert werden.

Wie auch in Berlin lehnen die Dresdner das Dogma der Realpolitik, man darf nur etwas fordern, wenn man auch Vorschläge macht, ab. Diese realpolitische Herangehensweise dient sowieso in den meisten Fällen zur Rechtfertigung der allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen und zur Ruhigstellung der Gegner.

Auf ihrer Internetseite analysieren sie die städtische Politik und stellen fest, daß „nicht erst seit kurzem und vor allem nicht nur in Dresden (…) eine der wesentlichen Aufgaben von Kommunalpolitik darin gesehen (wird), daß die Stadt als Unternehmer zu agieren habe, dessen vordringlichstes Ziel es ist, wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen und der deshalb versucht, Standortvorteile im Ringen um Investoren zu schaffen.“ Sie prangern die verheerenden Wirkungen der Sparpolitik im Jugend- und sozialen Bereich an und verfolgen drei Ziele: „1. eine Gegenposition zu einer Sicht auf die Stadt ausschließlich oder hauptsächlich als konkurrierender Unternehmer und Wirtschaftsförderer, stark zu machen, d.h. öffentliche Ressourcen für soziale und kulturelle Bedürfnisse jenseits von Angebot und Nachfrage einzufordern. 2. die Abwehr des Versuches die verschiedenen Bedürfnisse gegeneinander auszuspielen und stattdessen die Solidarisierung aller von jetzigen (und zukünftigen) Streichungen Betroffenen. 3. das Anzweifeln und Aufbrechen neoliberalen Sachzwangdenkens und Aufzeigen und Starkmachen für politische Handlungsmöglichkeiten – Eigenengagement respektive Selbstausbeutung kann kein Ersatz kommunaler Leistungen sein.“

Es stimmt zwar einerseits, daß die Entlassung der Stadt aus ihrer Verantwortung katastrophale Auswirkungen auf die Betroffenen, vor allem finanzieller Art, bedeutet. Schließlich ist es schwer einen Job zu finden, wenn ständig Kindergarten und Schulen selbst organisiert und betreut werden müßten. Andererseits erscheint es jedoch auch sinnvoll, die städtischen bürokratischen durch selbstorganisierte Strukturen abzulösen, weil sie gerade durch ihre hierarchische Struktur, gewählt ist schließlich gewählt, die Macht hat, Kürzungen auch gegen ihre Einwohner durchzusetzen.

Doch ist die Resignation gegenüber Abbau sozialer Leistungen, Zugangsverlust zu öffentlichen Einrichtungen und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, leider immer noch weit verbreitet, es sind zu wenige, die ihrem eigenen Abrutschen nicht tatenlos zuschauen wollen. Deshalb sind diese Kampagnen wichtig, um den Nimbus der Alternativlosigkeit der unsozialen Reformpolitik und der eigenen Ohnmacht entgegenzuwirken.

Vielleicht kommen auch noch weitere Städte hinzu, in denen Alles für Alle und ein kostenloses Leben gefordert wird, in denen aufgezeigt wird, daß das Leben mehr ist, als dafür damit zu bezahlen.

kater francis murr

P.S.: Im Umsonstbereich gibt es noch andere Möglichkeiten, so gibt es in einigen Städten Umsonstläden, auch in Leipzig ist einer geplant, im Sommer wurden in Leipzig Frischluftevents durchgeführt, kostenloses Hinhängen und Wegnehmen von Klamotten, und in der Libelle gibt es eine kleine Umsonstkiste.

www.berlin-umsonst.tk
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