Aufwerten oder abwerten?

Leipziger Gentrifizierungsdebatte

Die Aufwertung von Stadtvierteln und die folgende Verdrängung ärmerer Einwohner_innen ist nicht nur in Hamburg und Berlin ein Thema. Auch in Leipzig wird gerade eifrig über Gentrifizierung diskutiert.

Um ihren Wohnraum fürchten der­zeit z.B. die Mieter_innen eines Hauses in der Windmühlenstraße, nahe dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Dieses gehörte bis vor kurzem noch der LWB, wurde aber im August an einen neuen Eigentümer, Casa Concept, veräußert. Und der will jetzt das Gebäude sanieren, wodurch voraussichtlich die (bislang sehr günstigen) Mieten steigen. Zudem soll im Erdgeschoss ein Supermarkt einziehen, die Grünflächen im Hinterhof müssten dann u.a. für Parkplätze verkleinert werden. Nach Protesten der Mie­ter_in­nen und Debatten im Stadtrat hat der Investor seine Pläne mitt­lerweile geändert: Der Supermarkt wird verkleinert, und auch die Läden im Erdgeschoss sollen erhalten bleiben, heißt es. Wie sich die Sache weiter entwickelt, bleibt abzuwarten.

Das eigentliche Epizentrum der Debatte ist aber Connewitz, wo in den letzten Monaten wiederholt Häuser mit Farb- bzw. Teerbomben beworfen wurden – Zielobjekte waren dabei u.a. das Bürgeramt und der Kindergarten in der Biedermannstraße, aber auch einige der Stadthäuser, die seit 2002 im Viertel gebaut wurden. Im Zentrum des Konflikts steht jedoch ein neu saniertes Haus in der Mathildenstraße, das bis vor kurzem der Immobilienfirma Hildebrand & Jürgens gehörte, die in Leipzig mehrere hundert Wohnungen verwaltet. Neben den üblichen Farbbeutelwürfen gingen hier auch Scheiben zu Bruch, und bei einer Hausbesich­tigung kreuzte gar eine Gruppe von Vermummten auf, um die potentiellen Mieter_innen zu verschrecken.

Der wiederholten Aktionen wegen wurde ein privater Sicherheitsdienst engagiert, was aber nicht zur Beruhigung, sondern nur zur weiteren Eskalation beitrug: So wurden am 22. Oktober einige Security-Männer, die in einem Auto vor dem Gebäude parkten, von einer Gruppe Schwarzgekleideter mit Steinen angegriffen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Am folgenden Abend wurden vier Jugendliche, die die Hausfassade mit einer Schablone besprüht hatten, von der Security aufgegriffen, zusammengeschlagen und dann der Polizei übergeben.

Für den 27. Oktober riefen deswegen „besorgte AnwohnerInnen“ per Flyer zu einer Spontandemo auf, um den Security-Leuten „gewaltlos und unvermummt“ zu zeigen, „dass solche Zustände hier unerwünscht sind“. Der Plan scheiterte aber an der großen Resonanz. Etwa hundert Personen fanden sich am Treffpunkt ein – bei dieser Menge ließ sich natürlich keine Se­curity blicken.

Aber auch an anderer Stelle gab es Knatsch. Schließlich war auch das frisch renovierte Vorderhaus des Conne Island von Farbbeutelwürfen betroffen. Dort reagierte man erwartungsgemäß verärgert. In einem Statement (1) warf das Ladenplenum den „KiezkämpferInnen“ hohlen Aktionismus vor, der radikal daherkomme, aber letztlich unpolitisch sei: „Eine inhaltliche Auseinandersetzung spielt für sie keine Rolle, militantes Auftreten und Radikalität sind wichtiger als politische Ziele.“ Um dann messerscharf zu schließen: „Der Farbbeutelanschlag aufs Conne Island kann nur einen Grund haben: Die AngreiferInnen können sich nicht anders artikulieren. Es wird sich nicht die Mühe gemacht, Kritik beispielsweise im Conne-Island-Plenum zu äußern oder es per Text mit seinen vermeintlichen Fehlern zu konfrontieren.“

Der letzte Vorwurf wurde von den Verantwortlichen schnell widerlegt: Sie konterten mit einem anonymen Flyer (2) und konfrontierten das Conne Island mit seinen vermeintlichen Fehlern. Der Inhalt ist nicht weiter überraschend: „Auch ihr fördert die Gentrifizierung in einem Stadtteil, in dem ihr schon längst mehr als entbehrlich seid […] Niemand hat Lust für eure Schicki-Micki-Yuppie-Partys in euren Lokalitäten 20 Euro oder mehr auszugeben.“ Mit der Renovierung versuche auch das Island sich für eine zahlungskräftige Klientel attraktiv zu machen. Drum trügen „jeder Farbbeutel und jeder Stein gegen solche Objekte […] zur Abwertung bei. Wir wollen unkommerzielle Freiräume für alle und keine hippen, trendigen, teuren und apolitischen Locations für Yuppies, die sich alternativ fühlen!“ Und zum Schluss noch eine Extraportion Pathos: „Stadtteilkampf ist Klassenkampf!“

Okay. Dass die Eintrittspreise im Conne Island eher zu hoch als zu niedrig sind, ist keine neue Erkenntnis. Und natürlich ist das Island nach 20 Jahren seines Bestehens kein Politikum mehr, sondern ein weitgehend „normaler“ Konzertort. Dasselbe ließe sich aber auch, niedrige Eintrittspreise hin oder her, über das Zoro oder die LiWi sagen. Und die Connewitzer Szene hat sich mittlerweile insgesamt weitgehend entpolitisiert. Die ehemals besetzten Häuser mögen eine gemütliche subkulturelle Nische bieten, aber letztlich sind sie eben auch nur das – eine Nische. Die wilden 90er sind unwiderruflich vorbei. Daran werden auch ein paar Farbbeutel nichts ändern.

(justus)

(1) www.conne-island.de/nf/190/3.html

(2) dokumentiert unter einkesselbuntes.blogsport.de/2011/11/03/gentrifidingsda-in-leipzig/

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