Was passt besser zum Weltfriedenstag am 01. September als ein Friedenspreis? So zumindest dachten wohl die Initiatoren des in diesem Jahr erstmalig ausgelobten Preises „LEIPZIG GEGEN KRIEG“. Immerhin wurden im Vorfeld zahlreiche Wahlurnen an Gruppen und Initiativen verteilt und man konnte so 32 Vorschläge von Einzelpersonen, Vereinen und Initiativen sammeln, die damit zur Wahl standen. Auch noch positiv zu sehen ist, dass die VeranstalterInnen sich für eine öffentliche Jurydiskussion entschieden, so dass sowohl dem Aspekt der Transparenz als auch dem der Partizipation genüge getan wurde. Dass der dreistündige Diskussions- und Entscheidungsprozess dann jedoch eher einem mathematischen Teilsummenspiel glich, als einer inhaltlichen Auseinandersetzung, trübt das Bild und ist schon Symptom des Zustandes der Friedensbewegung hierzulande. Zwar wurde der Zusammenhang von Krieg mit Militarismus und Faschismus durchaus gesehen und der Friedenspreis stand auch ausdrücklich inhaltlich unter diesem Dreischritt. Dennoch wurden bei der Auswahl der eingereichten Vorschläge mit Verweis auf schon ausreichend bestehende antifaschistische Auszeichnungen zu allerst alle antifaschistisch orientierten Initiativen/Personen aus den Vorschlägen aussortiert und deren Zahl damit deutlich reduziert. Und nach der im zweiten Schritt vollzogenen Eliminierung aller mit der veranstaltenden Initiative assoziierten Gruppen/Personen blieben so nur noch 16 Vorschläge übrig. Als nächstes entschied sich die Jury, auch jene von der Wahl auszuschließen, deren Friedensengagement eher beruflichen als ehrenamtlichen Tätigkeiten entsprang, was eine weitere formale Halbierung der Aspiranten bedeutete. Danach wurde die Verzichtsfrage aufgeworfen, die letztlich darin mündete, dass nur noch drei Kandidaten in den „Endlauf“ gelangten: Johannes Schroth (attac) und die Vereine Medizin für Gambia und Lebendiges Kongo. Da nun ersterer nicht anwesend war und das Gerücht kursierte, dass Herr Schroth auch zu Gunsten anderer von einer Preisverleihung zurücktreten würde, reduzierte die Jury die tatsächliche inhaltliche Abwägung auf eine 1:1-Entscheidung zwischen den beiden letztgenannten Vereinen. Dabei gab schließlich die Aktivität von Lebendiges Kongo den Ausschlag, der noch im letzten Jahr symbolträchtig zwei ausgemusterte Feuerwehrfahrzeuge in den Kongo verschickt hatte, um nach eigener Aussage daran ehemalige Kindersoldaten zu Feuermännern auszubilden. Die bei dem diesjährigen Ostermarsch aus einem Schwert geschmiedete Sichel ging somit an die Initiatoren des Vereins Lebendiges Kongo.
Herzlichen Glückwunsch!
Doch so begrüßenswert die erzeugte öffentliche Aufmerksamkeit auf diese sicher lobenswerte Intitiative ist, so schwer wiegt auch die Frage, ob man denn in Leipzig überhaupt einen solchen „Friedenspreis“ braucht bzw. ausloben sollte. Zumal ja schon vorderhand einsichtig ist, dass es wohl eher den betroffenen Menschen im Kongo zustände, zu beurteilen, inwieweit eine Initiative wie Lebendiges Kongo dem Frieden vor Ort wirklich zuträglich ist. Und unter dieser Maßgabe versteht sich eben gerade nicht, warum gerade antifaschistische und antimilitaristische Initiativen zurückgestellt wurden und die Jury stattdessen ihr Heil in der Entwicklungszusammenarbeit suchte. Sicher, Leipzig ist als Messestadt selbst zu DDR-Zeiten weltoffen gewesen. Aber aktuell gehören auf die „Agenda für den Frieden“ viel mehr die forcierte Militarisierung an den Stadträndern, die neofaschistischen Zusammenrottungen in einigen Stadtvierteln, die Gentrifizierungsträume der Stadtoberen oder auch die verschärften Arbeitsbedingungen vieler LeipzigerInnen. Global zu denken, heißt hier nicht, sich in ferne Kriegsszenarien einzuspinnen, sondern zu erkennen, dass ein antifaschistischer, antimilitaristischer Kampf – der selbstverständlich auch gegen Ausbeutung, Konkurrenz, Selektion und Segregation gerichtet sein muss – lokal vor Ort, hier in Leipzig, das mit Abstand Beste ist, was tatsächlich für eine friedlichere Welt getan werden kann.
Zum Schluss: Was Leipzig derzeit fehlt, ist also nicht ein Friedenspreis, selbst wenn damit Geldmittel verbunden wären, sondern eine ernsthaft inhaltliche Kritik, die zu allerst einmal das Selbstverständnis der „Friedensbewegten“ hinterfragt, das was unter „Frieden“ überhaupt verstanden wird. Eine Kritik, die damit die Voraussetzungen für eine wirksame Friedensbewegung erst schafft, deren Protagonisten man dann im Nachgang einer fernen Zukunft mit Gold überhäufen möge. Sofern, ja sofern das dann überhaupt noch Sitte ist.
(clov)
www.leipzig-gegen-krieg.de
www.lebendiges-kongo.org
www.medizin-fuer-gambia.de