Selbst verschuldete Unmündigkeit
„Die beste Zeit zu investieren ist, wenn Blut auf dem Boden ist.“ Diese Maxime eines Investmentbankers heutiger Prägung vereint so ziemlich den ganzen Zynismus und die Verantwortungslosigkeit, welche in den vergangenen Monaten die (beinahe) globale Weltordnung des Finanzmarktliberalismus in den Ruin führten. Anstelle einer Fortführung des Bankenkrise-Artikels in der letzten Ausgabe daher nun eine Rezension des Dokumentarfilms „Let´s Make Money“, der am Weltspartag (30.10.2008) Premiere feierte.
Regisseur Erwin Wagenhofer hat vor drei Jahren mit der Doku „We feed the World – Essen global“ eine kleine Sensation erreicht, weil in kaum gesehener Schonungslosigkeit dem Zuschauer ein Einblick in die Produktionsweisen der Nahrungsmittelindustrie gewährt wurde. In gekonnter Weise stellte er die enorme Überproduktion der Industriestaaten und die haarsträubenden Mängel der so genannten „Dritten Welt“ einander gegenüber. Die Zeit seit diesem Erfolg, der Wagenhofer unter anderem einen Amnesty International Human Rights Award einbrachte, hat der Regisseur damit genutzt, die komplizierten Strukturen und Auswirkungen des Investmentbankings auf vier Kontinenten zu verfolgen.
Die Vorgehensweise ist dabei fast identisch mit dem Vorgängerfilm, es werden einfache Arbeiter/innen, die um ihr täglich Brot kämpfen müssen, und vermögende Entscheider, die Multimillionenbeträge verschieben, befragt, hochtrabende Verlautbarungen mit tristen, ja erschreckenden Bildern aus der Wirklichkeit kombiniert. Dabei verzichtet Wagenhofer auf Kommentare aus dem Off, taucht niemals selbst im Bild auf, um kritisch nachzuhaken und hört sich die Argumente auf beiden Seiten an. Er verfolgt die Strategie, durch die Abfolge der Bilder und die Dramaturgie der einzelnen Szenen eine Spannung aufzubauen, die als Ergebnis deutlicher ausfallen als nur platte Polemik.
Nach oben buckeln, nach unten treten
Da ist zum Beispiel die Näherin in einem indischen Sweatshop ganz zu Anfang des Films, von der mensch nur den Oberkörper sehen kann. Gleich darauf folgt eine Einstellung, in welcher druckfrische Euro-Banknoten vom Band laufen. Auf den ersten Blick wirkt es, als würden diese von der jungen Frau im Sari mit ihrer Nähmaschine hergestellt, eine gelungene Metapher für die Wertschöpfung, von der die Inderin niemals profitieren wird. Dies wird gelegentlich durch Fakten untermauert, welche auf das Nötigste beschränkt am Ende der einzelnen Sequenzen eingeblendet werden. Zu Beginn wirft Wagenhofer die Frage auf „Wissen Sie, wo Ihr Geld steckt?“, später macht er den Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank als Komplizen aus, welche das System der Ausbeutung der Armen zu Gunsten der Reichen von langer Hand geplant haben. Beispielsweise indem sie verschuldete Entwicklungsländer in Abhängigkeit gezwungen, kommunale Gemeinschaften über Public Private Partnerships (PPP) langsam enteignet, unfassbare Geldmengen in die Errichtung von Geisterstädten investiert und geschätzte 11,5 Trillionen Dollar an Privatvermögen in Steuerparadiesen vor dem Zugriff des Fiskus versteckt werden. Dabei wiederholt Wagenhofer sich in teilweise etwas zu deutlichen Anspielungen, etwa wenn die große Ähnlichkeit der Fassade des Weltbankgebäudes in New York quälende Sekunden mit einer Gedenktafel auf dem (militärischen) Heldenfriedhof verglichen wird oder glattgebügelte Managerphrasen wiederholt mit Bildern aus dem Slum untermalt werden.
Doch trotz seiner Schwarzmalerei ist der Film insgesamt sehr empfehlenswert, weil mensch so nicht nur lernt, Banken generell zu misstrauen, sondern auch nebenbei neue Theorien zur Entstehung des Irakkrieges erfährt und dass die Phrase von den sogenannten „Heuschrecken“ nicht ganz unberechtigt war: Ein österreichischer Unternehmer etwa lobt ausführlich die Arbeitsbedingungen in Indien (ein einfacher Arbeiter erhält ca. 100 Dollar im Monat, kaum Gewerkschaften, geringe Nebenkosten) und ist dabei, sein Betriebsvolumen zu vervierfachen, äußert aber zugleich seine Bereitschaft, jederzeit woanders hingehen zu können, falls die Kosten zu sehr steigen.
Die Rolle des Sympathieträgers darf mit Hermann Scheer ausgerechnet jemand übernehmen, der für die SPD im Bundestag sitzt, indem er es ist, der ausdrücklich auf erneuerbare Ressourcen drängt, vor einem „neuen Zeitalter der Barbarei“ warnt und die Behauptung des Bankers im Steuerparadies Singapur, dass die „Globalisierung für alle von Vorteil ist“, gründlich widerlegen darf. Doch das letzte Wort hat glücklicherweise Paul Feyerabend, welcher am Schluss die Moritat aus der Dreigroschenoper zum besten gibt: „Denn die einen sind im Dunklen/ Und die andern sind im Licht/ Und man siehet die Lichte/ Die im Dunkeln sieht man nicht“.
bonz
Mehr Infos unter:
www.letsmakemoney.at
Rezension