Die Illusion von Freiheit

Erich Fromm und die Vermittlung zwischen Marx und Freud

Da wir in einer Gesellschaft leben, die auf den drei Säulen Privateigentum, Profit und Macht ruht, ist unser Urteil äußerst vorein­ge­­nom­men. Erwerben, Besitzen und Geld­machen sind die geheiligten und unver­äußerlichen Rechte des Individuums in der Industrie­ge­sell­schaft.“ (1)

Erich Fromm – sowohl radikaler Human­ist und Optimist im Zeitalter der Auf­klärung, als auch selbsternannter Marxist und Freudianer – verbrachte zweifelsfrei die meiste Zeit seiner wissenschaftlichen Forschung mit den Studien von Freud und Marx. Sein Interesse galt dabei immer dem Einfluss der gesellschaftlichen Verhältnisse auf die Psyche des Menschen.

Im Jahr 1900 als Kind orthodoxer jüdischer Eltern geboren, wendete er sich schon früh hin zu einer Art „humanis­tischer Religiösität“, die weniger ortho­dox, sondern vielmehr vom Zen-Buddhis­mus, der Mystik Meister Eckards und den Schriften von Marx geprägt war. Die Erfahrungen der zwei Weltkriege, die er z.T. im Exil mitverfolgte und die allge­meine Enttäuschung über die gescheiterte kommunistische Revolution prägten auch sein wissenschaftliches Interesse maß­geblich, so dass er versuchte, mittels der analytischen Sozialpsychologie einen Brückenschlag zwischen Individual­psychologie und Gesellschaftstheorie zu vollziehen. Eine Verbindung, die vor allem erklären sollte, warum die Menschen nicht – wie von Marx prophezeit – vom Sein zum Bewusstsein gelangen und sich selbst aus ihrer Klassenlage befreien, sondern sich stattdessen vielmehr von Autoritaris­mus und einem starken Führer anziehen lassen. Durch seine gesellschafts­theo­retischen Erkenntnisse, seine Arbeit im Frankfurter Psychoanalytischen Institut (2) und die praktischen Erfahrungen bei der Arbeit als Psychoanalytiker, entfernte sich Fromm auch zunehmend von bestimmten Freudschen Annahmen, wie der Libido-Theorie und wurde zu einem der be­kanntes­ten Revisionäre Freuds, obgleich er sich selbst zeitlebens als Freudianer bezeichnete. Dem gegenüber verlor er nie seinen positiven Bezug zu Marx und der Einstellung, die Ausbeutungsverhältnisse überwinden zu müssen, um eine humanis­tische Gesellschaft jenseits des Kapital­ismus zu errichten. Seine eigenen sozial­psychologischen Theorien, die vor allem in „Der Furcht vor der Freiheit“, „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ und „Haben oder Sein“ zum Ausdruck kommen, geben auch Einblick in seine Kritik bezüglich der Entwicklung der Gesellschaft in Zeiten von Nationalsozialismus und Kapital­ismus, sowie in seine Vorstellungen verschiedener Lebensauffassungen. Sig­nifi­kant – im Vergleich zu anderen Philosophen seiner Zeit, insbesondere der Frankfurter Schule – ist dabei jedoch seine unerschütterlich optimistische Grund­haltung, ob der Möglichkeit zur Verän­derung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich durch die Werke ziehen.

Die ungeklärte Verbindung zwischen Basis und Überbau

Als überzeugter Marxist und Anhänger der kommunistischen Revolution versuchte Fromm in seiner Synthese zwischen den individualpsychologischen Annahmen Freuds und der Gesellschaftstheorie Marx’ zu erklären, warum die objektiven ökono­mischen Verhältnisse (das Sein, die Basis) scheinbar nicht im Bewusstsein der Menschen als problematisch empfunden werden; also weshalb sich die Menschen anpassen und zu überzeugten Anhängern des Systems werden – obgleich sie nicht profitieren – statt gegen die Ausbeu­tungsverhältnisse mobil zu machen. Gleichzeitig wollte er damit jedoch nicht die Marxsche Theorie der Möglichkeit zur Überwindung dieses Systems in Frage stellen, sondern vielmehr durch die Erläuterung des psychischen Mechan­ismus ein größeres Verständnis fördern, wie schwierig (aber nicht unmöglich) der Weg vom Sein zum Bewusstsein ist. Er beschreitet damit einen Weg, der von Marx selbst nie begangen wurde, da sich für diesen der Übergang von der ‚Klasse an sich‘ zur ‚Klasse für sich‘ eben einfach und irrtümlich durch das Bewusst-werden der Klassenlage ergibt. Dieses Bewusst-werden wird nach Fromm jedoch haupt­sächlich durch drei Faktoren behindert: den gesellschaftlich modifizierten Trieb­apparat, den Gesellschaftscharakter und das gesellschaftliche Unbewusste.

Der gesellschaftlich modifizierte Triebapparat

Fromm vertrat die These, dass der menschliche Triebapparat bereits in gesellschaftlich veränderter Form er­scheint, also die tiefsten inneren Bedürf­nisse des Einzelnen bereits Anpassungen bzw. Sublimierungen der eigentlichen Triebe an die gesellschaftlich erreichbaren Bedürfnisse sind. Ausgangsbasis für diese These sind Freuds Analysen zum Selbster­hal­tungs­trieb und Sexualtrieb. Der Selbsterhaltungstrieb bezeichnet dabei essentielle Bedürfnisse wie Hunger, Schlaf und Fortpflanzung. Während der Sexual­trieb bei Freud die sexuellen Begierden beschreibt, bilden bei Fromm hingegen die Leidenschaften wie Selbstver­wirk­lichung aber auch die Sehnsucht nach Zwischenmenschlicher Liebe den zweiten Strang der ursprünglichen Triebe. Der Sexualtrieb unterscheidet sich vom Selbsterhaltungstrieb darin, dass er nicht zwingend existierende Mittel benötigt (er ist z.B. durch Phantasien komprimierbar) und zudem aufschiebbar, verdrängbar, sublimierbar und austauschbar ist.

Eben weil die Bedürfnisse dieses Triebes sehr anpassungsfähig sind und vielfältig befriedigt werden können, schließt Fromm daraus weiter, dass sich die Menschen auch bezüglich der Art zu Leben in der Gesellschaft an die ihnen zur Verfügung stehenden und erreichbaren Mittel anpassen und ihre eigentlichen Bedürfnisse so sublimieren. Da wir durch unsere Familie und den Rest der Gesell­schaft von vornherein Sublimierungs­möglichkeiten für Bedürfnisse angeboten bekommen, die eben nicht mehr die eigentlichen und ursprünglichen Leiden­schaften befriedigen, sondern den gege­benen Möglichkeiten entsprechen, wer­den wir uns jener auch nicht mehr bewusst. So ist die menschliche Psyche von vornherein gesellschaftlich veränderte Psyche und der Triebapparat ein bereits gesellschaftlich modifizierter Triebapparat. Ein Beispiel dafür ist der Erwerbstrieb, der eigentlich nicht existiert, sondern lediglich einen Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung oder Selbstverwirklichung darstellt. Dass die meisten Menschen im kapitalistischen System jedoch davon überzeugt sind (und waren), diesen Trieb zu verspüren, ist für Fromm ein Beweis, wie die eigentlichen Bedürfnisse bereits an die gesellschaftliche Realität angepasst bzw. sublimiert wurden, um den Anforde­rungen im Kapitalismus gerecht zu werden. So kann er erklären, warum die Menschen nicht zu einem Bewusstsein über ihre objektive Klassenlage gelangen: weil die Bedürfnisse, Interessen und Wünsche des Einzelnen bereits an die ökonomischen Gegebenheiten angepasst sind und der eigentliche Widerspruch zwischen dem möglichen gutem Leben und der Realität nicht mehr zum Aus­druck kommt.

Der Gesellschaftscharakter

Ausgangspunkt für Fromms eigene, dynamische Konzeption des Gesellschafts­charakters ist die Freudsche Charakter­konzeption. (3) Fromm hält allerdings nicht viel von Freuds Libido-Theorie – sprich seiner Sexualisierung der unbe­wussten Vorgänge – und verwirft deshalb auch seine Erklärung zum Ursprung der verschiedenen Charaktere. Stattdessen setzt er die gesellschaftlichen Verhältnisse und deren begünstigende Charakter­eigenschaften als Ausgangsbasis zur Herausbildung der sog. Gesellschafts­charaktere, welche wiederum den Kern der Charaktereigenschaften beschreiben, den die meisten Mitglieder einer Kultur gemeinsam haben. Oraler und analer Charakter sind demnach nicht das Ergebnis sexueller Erregung, sondern Spiegelbild gesellschaftlicher Realitäten in Form von Verhaltensmerkmalen, die sowohl Aufschluss über Familie und Gesellschaft geben, als auch das optimale Funktionieren der Gesellschaft garan­tieren. So beschreibt der Gesellschafts­charakter im Grunde die gebündelten und verallgemeinerten Bedürfnisse des modifi­zierten Triebapparates, die sich in Verhal­tens­merkmalen und Charakter­eigen­schaften manifestieren.

Am bereits erwähnten sog. Erwerbstrieb (hinter dem eigentlich andere Bedürfnisse stehen) lässt sich dies gut verdeutlichen: Die Arbeit gilt unter den Menschen durch die moderne Industriegesellschaft weniger als Mittel zum Zweck, sondern als angestrebtes Ziel an sich, mit denen Werte wie Pünktlich­keit, Ordentlichkeit und Disziplin einhergehen, die notwendig sind, um z.B. den Produktionsprozess reibungslos und dauerhaft fortzuführen. Die Interna­lisierung seitens der Mehrzahl der Mitglie­der der Gesellschaft, diese Werte an­zu­stre­ben, verdeutlicht, wie sehr sich die Men­sch­en bereits von ihren ursprünglichen Be­dürfnissen entfernt haben und wie sich dies sogar in den Verhaltens- und Char­ak­ter­merkmalen widerspiegelt. Sicherlich gibt es solche individuellen Charak­tereigenschaften auch unabhängig von den ökonomischen Bedingungen, den­noch kann man die gewachsene Be­deutung dieser Werte anhand der ökono­mischen Umstände erklären. Der Gesell­schafts­charakter, als Bündel der „ge­wün­schten Eigenschaften“ wird zum Ver­mittler zwischen den ökonomischen Be­dingungen und der Psyche der Menschen. Fromm führt einige Beispiele in ver­schie­den­en historischen Epochen an, bei denen der (anfangs ungewollte, dann ge­sell­schaft­lich internalisierte) Wertewandel deut­lich wird; insbesondere aber bezieht er sich auf den Gesellschaftscharakter des Ka­pitalismus, den er weitestgehend mit Freuds analem Charakter vergleicht, bei dem vor allem das Besitzen, Haben und Hor­ten von Eigentum eine zentrale Rolle spielt. Im Vergleich zum frühen, cal­vi­nis­tisch geprägten Kapitalismus, in dem Spars­amkeit ein hoher Wert war, gehen die Tendenzen jetzt hin zu einer pseudo-he­donistischen Verhaltensweise, in der größt­möglicher Konsum an Bedeutung ge­winnt. Ebenso zählen in diesem Ge­sell­schafts­system Werte wie Rationalität und Sou­veränität weitaus höher als Mitleid und zwischenmenschliche Beziehungen, zudem wird Liebe heute zunehmend ver­ding­licht und rationalisiert:

Als die Haupt­charakterzüge des bürgerlichen Geistes glauben wir annehmen zu dürfen: Einerseits die Einschränkung des Genusses als Selbst­zweck (speziell der Sexualität), den Rückzug von der Liebe und die Ersetzung dieser Positionen durch die lustvolle Rolle des Sparens, Sammelns und Besitzens als Selbst­zweck, der Pflichterfüllung als obersten Wert, der rationalen ‚Ordentlichkeit‘ und der mit­leid­­losen Beziehungslosigkeit zum Mit­men­schen.“ (4)

Allerdings unterscheidet Fromm hier noch einmal zwischen den jeweiligen Lebensumständen der Mitglieder der Gesellschaft und kommt zu dem Schluss, dass die beschriebenen „analen Charakter­züge“ im Gesellschaftscharakter des Kapi­tal­ismus eher denen des Kleinbürgertums ent­sprechen, wohingegen das mittellose Pro­letariat eher mit oralen Charakter­zügen vergleichbar wäre. (5) Im Grunde be­schreibt Fromm den Ge­sell­schafts­charak­ter als Bindeglied zwischen Individuum und Gesellschaft, wo menschliche Energie und die offene Veranlagung zur Aus­prä­gung verschiedener Charaktere so um­ge­formt wird, wie es der derzeitigen Ge­sell­schafts­form „nützt“.

Das gesellschaftliche Unbewusste

Ein weiteres Element, das zwischen Basis und Überbau vermittelnd wirkt, ist das gesell­schaftliche Unbewusste. Sowohl Marx als auch Freud gehen davon aus, dass wir in einem sog. ‚falschen Bewusstsein‘ le­ben und unsere Wirklichkeit nicht immer der tatsächlichen Realität ent­spricht. Freud hebt damit hauptsächlich auf das individuelle Unbewusste ab, in dem die verdrängten und sublimierten libidinösen Kräfte schlummern, die durch den Widerstand des Ichs und des Über-Ichs nicht zu Tage treten. Fromm erweitert Freuds Theorie dahingehend, dass er nicht nur sexuelle Triebe und Gefühle als verdrängt erachtet, sondern alle Tatsachen und Ideen, die dem Weltbild – meistens den herrschenden ge­sell­schaftlichen Normen – zuwiderlaufen. Denn das Weltbild dient als eigener Bezugsrahmen, der Sicherheit und Orientierung ge­währ­leistet, weshalb das, was mit den gesell­schaft­­lichen oder fa­mi­liären Sitten unvereinbar ist, ab einem gewissen Punkt ins Un­be­wusste verdrängt wird, um diese Sicherheit nicht zu ge­fährden.

Weil hier die menschliche Subjektivität durch die ge­sell­schaftlichen, objektiven Faktoren bestimmt wird, die wiederum in­direkt das Handeln beeinflussen, lebt der Durchschnittsmensch in der Illusion, frei zu sein. Fromm spricht in diesem Zu­sammenhang von dem gesellschaftlichen Un­be­wussten, dem kol­lektiven Verdrängen der „objektiven“ ge­sell­schaftlichen Umstände (wenn sie dem eigenen Weltbild zu­widerlaufen) aus Angst vor Iso­lation aus gesellschaftlichen Grup­pen. Auch Marx geht von ei­nem ‚falschen Bewusstsein‘ aus, aller­dings sind die Faktoren, die das Bewusstsein beeinflussen, nicht wie bei Freud die trieb­tech­nischen Bedürfnisse, sondern die ge­sell­schaftlichen, öko­no­mischen und historischen Verhältnisse. Da er ja prinzipiell davon aus­geht, dass das Sein das Bewusstsein be­stimmt, ist es logisch, dass die gesellschaftlichen Produktions­ver­hältnisse auf die Le­bens­praxis und diese wiederum auf das Be­wusstsein wirken. Fromm stärkt nun, durch seine These des ge­sellschaftlichen Un­be­wussten, Marx’ Argument und bringt sie mit den Freudschen An­nahmen zum individuellen Unbewussten in Verbindung.

Wenn Marx bedeutend sagt: „Die Forderung die Illusion über einen Zus­tand aufzugeben, ist die Forderung einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf“ (6), dann plädiert er für eine Bewusstwerdung ins­besondere der ‚Klasse an sich‘ zur ‚Klasse für sich‘, um die ge­sellschaftlichen Verhältnisse zum Umsturz zu bringen und die Menschen von ihrer Illusion zu befreien. Für diese Be­wusst­werdung argumentiert Fromm auch, sieht aber hauptsächlich die drei erläuterten Elemente der menschlichen bzw. gesellschaftlichen Psy­che, die die Vermittlung zwischen Basis und Überbau zwar er­klären, jedoch im Marxschen Sinne auch erschweren: das ge­sellschaftliche Unbewusste, das (im ideellen Überbau angesiedelt) die Impulse vergräbt, die nicht mit den gesellschaftlich gegeben Werten übereinstimmen; der Gesell­schafts­­charakter, der die herrschenden Verhaltens- und Charaktermerkmale als gewünschte und ureigenste zwischen Basis und Überbau vermittelt; und die ge­sellschaftlich modifizierte Triebstruktur, die von der Basis aus be­reits die eigentlichen menschlichen Bedürfnisse und Triebe in ge­sellschaftlich realisierbare modifiziert.

Mit dieser Erklärung, die Fromm nur mit Hilfe der Freudschen psychoanalytischen Er­kenntnisse fassen konnte, kann er die Wechselwirkung zwischen Sein und Bewusstsein, zwischen objektiven Verhältnissen (Basis) und subjektiven Bedürfnissen (Überbau) einleuchtend erklären und durch das Wie der Vermittlung Marx untermauern. Warum es bisher nicht zu der von Marxisten prophezeiten Revolution ge­kommen ist, wird so auch deutlich: denn mit den beschriebenen Hin­dernissen, die zwischen der Klasse an und für sich liegen, ist eine Bewusstwerdung schwierig zu vollziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dem Proletariat dann ökonomisch besser ging und dementsprechend durch Konsumbefriedigung die eigentlichen Bedürfnisse relativ gut sublimiert wurden. Allerdings lässt Fromm auch die Hoffnung auf Umsturz der Ver­hältnisse offen, denn er geht davon aus, dass bei zunehmenden ob­jektiven Widersprüchen die libidinösen Leidenschaften, die noch als ‚Kitt‘ fungieren und sich an die gesellschaftliche Realität an­passen, dann zur Sprengkraft werden und wiederum verändernd auf die ökonomischen Verhältnisse einwirken können. Leider verrät Fromm an dieser Stelle nicht, wie die optimistische Wendung in den Rahmen seines Konzeptes integriert werden kann, wo die Menschen doch nun neben der ökonomischen Ab­hängigkeit auch psychisch der gesellschaftlichen Realität ausgeliefert sind. Einige Handlungsansätze, die den Weg weg vom kapitalistischen Denken bereiten können, bietet Fromm jedoch in „Haben oder Sein“ an. Trotz der Ungeklärtheit der theoretischen Einbettung, gibt sein Optimismus und die herzerfrischende Philosophie dem Zusammendenken von Gesellschaft und Psyche eine neue erfahrenswerte Dimension und untermauert zudem die eigene politische Motivation.

(momo)

Nur in einer Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung gibt und die daher nicht auf irrationale Annahmen zurückgreifen muß, um die Ausbeutung zu vertuschen oder zu rechtfertigen, nur in einer Gesellschaft, in der die grundlegenden Widersprüche gelöst sind und in der die gesellschaftliche Wirklichkeit unverzerrt erkannt werden kann, kann der Mensch vollen Gebrauch von seiner Vernunft machen und erst dann kann er die Wirklichkeit unentstellt erkennen, das heißt, erst dann kann er die Wahrheit sagen.“ (7)

Literatur von Fromm: „Jenseits der Illusionen. Die Bedeutung von Marx und Freud“, „Analytische Sozialpsychologie und Gesellschaftstheorie“, „Die Furcht vor der Freiheit“, „Wege aus einer kranken Gesellschaft. Eine sozialpsychologische Untersuchung“, „Haben oder Sein“

(1) Fromm (1976) „Haben oder Sein“
(2) Das Psychoanalytische Institut wurde 1929 gegründet und befand sich in den Räumen des Frankfurter Institutes für Sozialforschung (IfS), das unter der Leitung von Max Horkheimer stand. Ab 1930 war Fromm Leiter der sozialpsychologischen Abteilung, die – wie alle Institute – unabhängig waren, jedoch im ständigen Austausch standen. Fromms Freundschaft und Zusammenarbeit mit Horkheimer und dem IfS verminderte sich erst im New Yorker Exil, u.a. bedingt durch Fromms Entfernung zur kritischen Theorie hin zu mehr Soziologisierung der Freudschen Psychoanalyse, diversen Geldstreitigkeiten und Auseinandersetzungen mit Adorno.
(3) Dort entwirft Freud verschiedene Charaktere, die insbesondere bei neurotischen und perversen Menschen zum Ausdruck kommen und Ergebnis einer gestörten kindlichen Entwicklung in Bezug auf die eigene Sexualität sind. In dieser Konzeption entsteht der orale Charakter z.B. durch Entzug von der Mutterbrust und der anale Charakter resultiert aus Störungen der sexuellen Faszination dem eigenen Stuhl gegenüber.
(4) Fromm (1970): „Analytische Sozialpsychologie und Gesellschaftstheorie“
(5) An dieser Stelle wird seine idealisierte Sichtweise besonders deutlich, da er mit dem oralen Charakter vor allem die Lebensweise des Seins verbindet. Da er allerdings auch selber feststellte, dass das nicht der Realität entspricht, weil auch innerhalb des Proletariats anale Charakterzüge zu finden sind, erklärte er sie mit der Prägung durch die traditionelle Familie, die den vorherrschenden Gesellschaftscharakter an ihre Kinder weitergibt.
(6) Marx in Fromm (1962): „Jenseits der Illusionen“
(7) Fromm (1980): „Sigmund Freuds Psychoanalyse – Größen und Grenzen“

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