Editorial FA! #17

SO. Da isser wieder, der alte/neue Feierabend! Nach einem kleinen Winterpäuschen mit einigen neuen MitstreiterInnen und frischem Wind. Bei unserem (stets) kühnen Spagat zwischen Konkretem und Allgemeinem ist das Gewicht des aktuellen Heftes diesmal klar auf die Seite der konkreten Initiativen („Leipziger Kameras“ S. 4f, CULDT S. 6, Global-Space-Odyssee S.7, Aktionsnetzwerk Schulkritik S. 8, Mobilisierung zum Ersten und Achten Mai S. 12ff, G8-Mobilisierung S. 23 ) hin verlagert. Das liegt nicht nur an der grassierenden Sommerlaune, die allüberall wie der Bärlauch sprießt, auch nicht an dem erwartbar heißen Mai, sondern gehört eben zum Konzept unseres Zeitungsprojektes. Solange nämlich weder im Rathaus, in Dresden oder in Berlin, noch in Brüssel oder New York die Bedürfnisse und Interessen, die progressiven Ideen und der emanzipatorische Gehalt dieser Initiativen nicht verhandelt werden, sehen wir unsere Aufgabe auch darin, solchen Initiativen Gehör zu verschaffen und das eklatante Scheuklappendenken der herrschenden politischen Elite selbiger wie Bärlauchbutter auf die schnöde Bemme zu schmieren. Folgerichtig knallen bei uns auch nicht die Kronkorken angesichts der neuesten technokratischen Ergüsse (Stichwort EU-Verfassung), die nun über uns gekommen, bald in Brief und Siegel ratifiziert, rechtskräftig, sprich sanktionierbar werden. Anstatt beim Europäischen Projekt von emanzipatorischen Entwicklungen zu träumen, schwant uns hier vielmehr ein bürokratischer SuperGAU mit erheblichen Altlasten. Gegen diesen Größenwahn der „ersten“ Europäer nimmt sich das Urgestein institutionalisierter politischer Macht in Europa (Stichwort Katholische Kirche) derzeit geradezu menschlich aus. Bleibt zu hoffen, daß das Tränenmeer fern der Hysterie eher einem verstorbenen Menschen galt, als seiner funktionellen Position. Denn auch auf die Gefahr hin, sich im Laufe der Jahrhunderte zu wiederholen: Wer braucht eigentlich Päpste? Ruhe in Frieden Karol, Deine Verfehlungen seien Dir verziehen.

Grabe tragen müssen wir leider auch einen Unterstützer der ersten Stunde. Die B12 hat den Verkauf unserer Zeitung eingestellt, die Begründung werden wir auf unserer Internetseite www.feierabend.net.tc veröffentlichen. Mancher wird es schon ahnen, es geht um unsere Auseinandersetzung mit den antideutschen Ideologemen, wie sie verschiedentlich in Leipzig kursieren. Zwischen Nebelkerzen, Vorurteilen und Mißverständnissen wollen wir nochmal ganz klar sagen, daß wir den Abdruck des Eichmann-Zitats, wie er im Heft #14 im Kontext einer Lenni-Brenner-Lektüre geschah, in verschiedener Hinsicht als schweren Fehler betrachten, in jedem Fall hat es eine konstruktive Auseinandersetzung behindert. Dennoch stehen wir weiterhin hinter der politischen Linie des Artikels „Zum antideutschen Kommunismus“ (s. FA! #14), diffusen Nationalismus und Verbürgerlichungs­tendenzen in politischen Initiativen und Projekten zu kritisieren. Dazu zählt unseres Erachtens eben (leider) auch die omnipräsente, antideutsche Kurzschließerei. Gleichungen wie Holocaust=Shoa, Zionismus=Judentum, Deutschland=Barbarei, USA/Israel=Emanzipation, andere Meinung=falsch gehen auf unseren Rechenzetteln einfach nicht so klar auf. Trotzdem schätzen wir das Engagement und den Elan, mit welchem sich viele politisch Involvierte hier einbringen, um die Erinnerung und Analyse der nationalsozialistischen und faschistischen Vergangenheit des deutschen Staates bewußt zu halten. Gesellschaftliche Veränderung als Ergebnis sozialrevolutionären Handelns kann unseres Erachtens aber nur das Ergebnis konkreter Kämpfe sein. Deshalb unterstützen wir u.a. Genossinnen und Genossen, die sich in Israel um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zionismus bemühen, wie er als staatstragendes Moment propagiert wurde und propagiert wird. Die AktivistInnen innerhalb der deutschen Staatsgrenzen dagegen sind zur radikalen (Selbst-)Kritik und zu entschlossenem Handeln aufgerufen: Gegen Nationalismus, Faschismus, Antisemitismus, gegen deutsche Staaterei und deutsches Kapital.

Ach ja … noch ganz pragmatisch: Die VS-Stelle des Monats muß diesmal wieder entfallen. Grund sind diverse technische und logistische Unzulänglichkeiten, an denen wir weiter arbeiten …

Wir sehen uns am 1. und am 8. Mai

Eure Feierabend!-Redax

P.S.: Das Foto im Vordergrund der Titelmontage wurde von Bruno Barbey an einem 12. Juni geknipst: die letzte Barrikade von 68 in Paris.

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