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Buch-Buh-Bundeswehr

Die Bundeswehr hat die (Kriegs-)Flagge auf der Leipziger Buchmesse 2005 gestrichen! Im Vorjahr 2004 noch bar aller Bücher größter Einzelaussteller auf der Buchmesse, traten die Feldgrauen dieses Jahr den strategischen Rückzug an. Proteste, 1.200 Unterschriften gegen ihre Anwesenheit und die bekundete Ablehnung vieler Verlage haben offenbar Wirkung getan. Hinzu kam die negative Publicity für die Leipziger Buchmesse durch die gewalttätige Anwesenheit von Feldjägern und Polizei. Offenbar um weiteren Imageschaden für Messe und Kriegskampagne zu vermeiden, machte die Bundeswehr wegen angekündigter neuer Proteste nach eigener Aussage den Rückzieher. Jaja – die Kultur ist ein Minenfeld, das mussten nun auch die Anwerbe-Soldaten lernen.

Wir konnten also eine Buchmesse ohne die auf Tölpelfang im Jugend- und Kindermessebereich ausgehende Bundeswehr erleben. „Der Weg zum Frieden führt über den Schulhof“, so warb damals Deutschlands Streitmacht, wobei doch die Interpretation „Der Weg zum Friedhof führt über den Schulhof“ augenscheinlich näher lag. Bücher statt Bomben!

LPA

über´n Tellerrand

Erziehung zum Manne

Burschenschaften, Landsmannschaften, Corps und jede Art von Korporierten werden immer noch in vielerlei Hinsicht ideo­logisch unterschätzt. Es ist zwar relativ bekannt, dass viele Vertreter ihrer Art mit rechtsextremen Haltungen sympathisieren bis hin zum Austausch mit faschistischen Gruppen, genauso ihre elitäre Abgrenzung verbunden mit Vetternwirt­schaftlerei und den ausgeprägten Sexismus, trotzdem genießen sie – und das nicht nur in konservativen Kreisen – eine unreflektierte gesellschaftliche Akzeptanz. Das wird oft damit begründet, dass es viele unter ihnen gäbe, die sich „liberal“ äußern mit den Hinweis, dass man die verschiedenen Studentenverbindungen nicht als eine homogene Masse begreifen könne. Es ist nicht abzustreiten, dass es bezüglich der einzelnen Weltanschauungen Differenzen gibt (auch wenn sich die Spanne in fast allen Fällen nur zwischen rechtsextrem und konservativ bewegt) und dass es selbst so- genannte „alternative“ Burschenschaften gibt, die „sogar“ Frauen aufnehmen; ihre gemeinsamen Grundprinzipien und der damit verbundene Zwangscharakter jedoch, was alle Formen von Verbindungswesen teilen, wird sehr gerne übersehen oder sogar heimlich bewundert. Studentische Korp­erationen teilen alle eine militärisch hierarchische Grundnorm sowie einen erzieherischen Anspruch. Der Einzelne hat sich seiner Aufgaben – die ihm meist vom nächst höheren zugeteilt werden- sowie der eigenen Verbindung bedingungslos zu unterwerfen. Die Gemeinschaft die sich zuallererst über elitäre Abgrenzung definiert, hat die Aufgabe, den Einzelnen nach einer entsprechenden Norm zu formen. Dies gelingt über eine Fülle verschiedenster Rituale und Konventionen.

Ein zentrales Element bei schlagenden Verbindungen ist die Mensur, ein ritualisierter Degenkampf, der die Aufgabe hat, dass die Kämpfenden sich selbst überwinden. Die beiden Kontrahenten dürfen während des Kampfes ihre Positionen nicht verändern um abwechselnd auf­einander einzuschlagen. Sollte einer von beiden rückwärts ausweichen, bekommt er eine Strafe die in den meisten Fällen ein Freischlag (also ein Schlag bei dem der Gegner nicht parieren darf) für den anderen bedeutet. Der ganze Vorgang ist nicht nur ein krudes Männerspiel, es dient auch der Charakterdisziplinierung. Der Einzelne, dem die Aufgabe obliegt sich selbst zu überwinden, zwingt sich zum Kriegsspiel, indem er natürliche Ängste in erster Linie verdrängt und somit sich total dem kollektiven Diktat der soldatischen Tugend unterwirft, sie quasi lieben lernt. Die Mensur bindet das noch junge Mitglied an die Fraktion und wird ihr Soldat. In den verschiedenen, schlagenden Verbindungen muss jeder mind­estens einmal die sogenannte Bestim­mungsmensur gefochten haben um Mitglied zu werden. Längst überholte Männer­roman­tik vom harten, pflichtbewussten und bedingungslos loyalen preußischen Männchen blüht bei ihr wieder auf. Indem Ängste einfach wegdividiert oder ihre Ursachen unreflektiert gelassen werden, bietet die durchdisziplin­ierte Gemeinschaft das Gefühl der Sicherheit und den festen Glauben daran, dass jeder Erfolg nur ihr zu verdanken ist. Ein weiteres Beispiel für die ständige kämpferische Auseinandersetzung sowie gezielte Diszi­plinierung innerhalb von Studentenbünden sind die „Trinkspiele“. Diese sind nicht als gesellige Partyunterstützer zu betrachten, sondern dienen oft als Ersatz für Zucht und Mannbarkeitsbestimmung. Trinkrituale werden zum einen als Strafe der Gruppe gegenüber dem Einzelnen verwendet, der die engen Regeln und Konventionen übertreten hat, zum anderen sind sie Duellersatz zwischen zwei Mitgliedern. Trinken als Strafe findet sich bei der so genannten „Kneipe“ wieder, eine geschlossener verbindungs­internen „Feierlichkeit“. Während des „öffentlichen“ Teils dürfen die einzelnen Mitglieder nicht vom Tisch aufstehen (auch nicht um einfach banal auf die Toilette zu gehen). Bricht ein Teilnehmer jedoch die strenge Regel muss er öffentlich zur „Belehrung“ Zwangstrinken. Bei solchen Ritualen wird ein Schwächerer gekürt und seine angebliche Schwäche öffentlich diffamiert. Es fordert gleichzeitig alle anderen Anwesenden dazu auf bloß keine Schwäche zu zeigen Das Trinken als Duell ist Mittel der männlichen Auseinandersetzung und verliert die Unschuld des schlicht Geselligen. Das ständige Kampftrinken ist ebenso Grundlage bei der Auseinandersetzung mit anderen Verbindungen, wo militärisch stramm und im Gleichschritt Marsch „Stafetten“ gegen­einander getrunken werden. Das Individuum ist ständig einen Druck zur Profi­l­ierung ausgesetzt, damit es sich immer aufs neue „selbstüberwinden“, sprich Ängste verdrängen muss um nicht als Verlierer (und damit als nicht profund „männlich“) dazustehen. Indem sich der gemeinschaftliche Rahmen in Verbindungen durch Disziplinierung, Unterwerfung unter eine Autorität und ewige Auseinandersetzung charakterisiert, wird der Einzelne unter Druck gehalten und formbar zum sexistischen, nationaltreuen und Autorität heuchelnden Ellenbogentypus. Im Selbstbild der korporierten Erziehung wird das als Prozess zur Entwicklung von Verantwortlichkeit stilisiert. Der Einzelne hat sich autoritärer Strukturen anzupassen, was schon in der Verbindlichkeit zur einheitlichen Kleidung zum Ausdruck kommt. Das Verbindungs(un)wesen vermittelt ein Weltbild, was sich auf Ellen­bogenmentalität bis hin zum Recht des stärkeren versteht. Insofern sind die Verbindungen von Burschenschaften zur extremen Rechten kein Zufall und keine Ausnahme und eben darum nicht zu ignorieren.

Verbindungen starten gerade zu Anfang des Semesters vielerlei Werbeveranstaltung in Form von Info-Ständen, Parties oder günstige Wohnangebote um neue Mitglieder zu rekrutieren.

Burschenschaften der Deutschen Burschenschaft (ein burschenschaftlicher Dachverband) treffen sich ebenso alljährlich zu ihrem Burschen- und Altherrentag. Die Versammlung findet in der Zeit vom 18-22. Mai 2005 statt. Jeder ist aufgerufen das nationalistische Fanengeschwenke zu stören und sich kritisch mit dem im selben Rahmen stattfindenden Vorträgen und Veranstaltungen auseinanderzusetzen.

Karotte

Bildung

Schnüffeln – bitte nur persönlich

Demokratie heißt mal ganz wörtlich genommen Volksherrschaft. Die Bundesrepublik hat die Staatsform einer parlamentarischen Demokratie. Das Volk übt seine Macht dadurch aus, daß es Abgeordnete in das Parlament wählt, das Gesetze im Sinne des regierenden Volkes beschließt. Durch den Staat einschließlich des ihm gegebenen Machtmonopols werden die Gesetze zum Wohle des Volkes zur Wirkung gebracht. Soviel zur Schulweisheit, nachzulesen in einschlägigen Schulbüchern.

Bedenken wir die jüngsten Ergebnisse deutscher Gesetzgebung wie die Änderungen zum Sozialgesetz, bekannt geworden als Harz IV, die Änderungen im Sozial­versicherungsrecht, bekannt geworden als Gesundheitsreform, diverse Steuerreformen, die Einführung der Autobahnmaut, die uns als Kostenfaktor der Transportunternehmen bald als Umlage im Supermarkt wiederbegegnen wird und die Gesetze zur Terrorismusbekämpung mit umfassenden Abhörbefugnissen des Staates, kommt man zu einer ganz anderen These.

Aus der Erinnerung erwacht Altbekanntes zu neuem Leben, im Konsumrausch und bei der Schnäppchenjagd fast vergessen: Die Besitzenden bilden die herrschende Klasse. Der Staat ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse. Und die altbekannte Frage ist wieder bedenkenswert: Wem nützt es?

Die Gesetze der jüngeren Vergangenheit ergänzen einander. Der Staat ist an Erkenntnissen über seine Bürger interessiert, die mit der offiziellen Begründung wenig zu tun haben. Als Mittel im Kampf gegen die organisierte Kriminalität hat sich der Staat Zugriffsrechte auf die Internet-anbieter und den privaten E-Mailverkahr geschaffen. Das war vor dem Terroranschlag auf das International Trade Center in New York. Deutschland, so hat sich herausgestellt, war das Planungsland des Anschlags. Sollte hier nicht die Frage erlaubt sein, ob das Überwachungswerkzeug im Kampf gegen den Terrorismus nichts taugt, weil sich Terroristen eben nicht unverschlüsselt per E-Mail über ihre Absichten unterhalten oder wird das Werkzeug zur Überwachung der eigenen Bürger benutzt. Schließlich könnte es doch beispielsweise sein, daß ein ALG 2- Empfänger seinem Enkel per E-Mail mitteilt, daß er dessen fällige KFZ- Steuer und Versicherung von etwa 1000,00 Euro aus einer persönlichen Rücklage auslegen kann. Dann können die zuständigen Organe zugreifen und nicht angegebene Ver-mögenswerte bei der Streichung des ALG 2 geltend machen.

Im Reigen der Gesetze erscheint ein Werk absonderlich und unmotiviert. Wie ein lustiger Hanswurst in einem Trauerzug präsentiert sich die deutsche Rechtschreibreform. Selbst auf die Gefahr der eigenen Lächerlichkeit hin wird von der Politik ein Gesetz verabschiedet, das keine Rechtsfolgen kennt. Oder können wir uns ein Ordnungsstafverfahren wegen Orto-grafiefehlern vorstellen? Was soll das? Scheinbar unmotiviert soll mit Ge-stzeskraft festgeschrieben werden, was lebt, sich ständig verändert und dies auch in Zukunft tun wird.

Aus unserer Sicht gibt es einen guten Grund für die Normierung der Sprache über den bisherigen Stand hinaus, der wie der letzte Stein in ein Puzzle passt: Das ist die bessere Erfassbarkeit durch Datenerfassungssysteme.

Als in der Mitte der 80er ein staatlicher Leiter in einem DDR-Betrieb eine unbequeme Mitarbeiterin loswerden wollte, marschierte er als ehemaliger MfS-Mitarbeiter zur Sparkasse und verlangte dort mit Vorlage seines Dienstausweises Konteneinsicht. Aus der Kontenbewegung mit durchaus einigen kurzfristigen Überziehungen konstruierte er einen Kündigungsgrund, da die Mitarbeiterin dienstlich mit der Portokasse zu tun hatte und für den Umgang mit betrieblichen Geldmitteln nicht mehr geeignet war. Ja, das war noch echte Handarbeit, gepaart mit Ideenreichtum und Initiative. Heute kann man den gleichen Vorgang in einem Arbeitsgang erledigen, ohne die Finger von der PC-Tastatur zu nehmen. Auch das Abhören von Telefonen war beim MfS echte Handarbeit. Die Genossen benutzten speziell konstruierte Kassettenrecorder, um einigermaßen effektiv die Zielpersonen und deren Kontakte zu erfassen. Und Alles mußte dann abgehört und vor Allem bewertet werden. Dabei war das Telefonnetz in der DDR eher unterentwickelt, ein Telefonanschluß war ein Glücksfall. Es hatte sich eingebürgert, am Ende eines Gespräches alle die, die sonst noch mithören, ganz nett zu grüßen. Es liegt uns fern, auch nur den Anschein von Stasi-Nostalgie zu erwecken. Es geht um den wesentlichen Unterschied von zwei Überwachungssystemen in technischer Hinsicht, die neue Dimension der Datenmengen. Das DDR-Telefonnetz war überschau- und abhörbar. Das Internet sprengt alle Möglichkeiten der manuellen Überwachung. Immer größere Datenmengen werden mit immer neuen Techniken übertragen. Die berühmte Nadel in Heuhaufen ist dagegen der Wink mit dem Zaunpfahl. Es ist zwingend nötig, die Rechner bei der Bewertung des zugänglichen Materials einzusetzen und eine maschinelle Vorauswahl zu organisieren. Das können schon die vom Internetsurfen allgemein bekannten Suchmaschinen. Suchmaschinen arbeiten mit Schlüsselwörtern und werden Texte erfassen, die bestimmte Schlüsselwörter zum Inhalt haben. Wir können aber auch davon ausgehen, daß weitere und bessere Anwendungen die Texte auf bestimmte zusammenhängende Fragmente hin untersuchen. Hier passt nun der oben erwähnte Puzzlestein: die normierte Sprache. Eine standardisierte Sprache erlaubt Analyseprogrammen einen vereinfachten Zugriff auf den Inhalt der Daten.

Die Sprache ist ein Zuordnungssystem von Symbolen, die reale Gegenstände bezeichnen. Durch gesellschaftliche Übereinkunft entstehen kulturelle Unterschiede, es existieren Nationalsprachen und Dialekte. In einer der Sprachtheorien unerscheidet man darüberhinaus harte und weiche Sprachen. Eine harte Sprache bedeutet, daß es für jeden Gegenstand genau ein Symbol, also ein Wort gibt. Es besteht zwischen dem Orginal und der Abbildung Eineindeutigkeit. Bei weichen Sprachen gibt es in der Zuordnung Mehrdeutigkeit. Der Vorteil einer harten Sprache, die genaue Abblidung der Realität zu ermöglichen, stößt bald an eine Grenze. Sobald ein neuer Sachverhalt beschrieben werden soll, ist das mit dem vorhandenen Zeichenvorrat nicht möglich. Der Ausweg aus diesem Dilema ist eine gewisse Mehrdeutigkeit, die die Sprache weich werden lässt. Nur so ist es möglich, mit der bestehenden Sprache neues Begriffe zu schaffen. Umgangssprache wird daher immer ein Kom­promiß zwischen hart und weich sein müssen. Mehrdeutigkeiten in der Wortzuordnung werden durch das Verständnis des Zusammen­hanges mög­lich. Aus dem Kontext können wir die verschiedenen Bedeutungen einzelner Wörter einordnen. Begriffe wie Diäten, Vertreter, Leiter, usw. können nur aus dem Sinnzusammenhang des übrigen Textes verstanden werden. Durch diese Eigenschaften sind harte Sprachen besser geeignet, maschinell analysiert zu werden. Das Verständnis einer weichen Sprache setzt das Verständnis des Gesamtzusammenhanges voraus. Das geschieht durch Kombination der möglichen Zusammenhänge und der Aussonderung der sinnlosen Kombinationen. Weiche Sprachen sind daher wenig maschinenverständlich. Beispiele für harte Sprachen sind Programmiersprachen wie Basic, C usw, bei denen jeder Anweisung genau ein Befehlsablauf zugeordnet ist und auch kleinste Fehler nicht durch einen Zusammenhang richtiggestellt werden können. Ein Beispiel für weiche Sprache sind Gedichte, bei denen ein Text verschiedene Interpretationen zulässt.

Betrachten wir im diesem Zusammenhang die Neuregelungen der Rechtschreibreform, wird die Veränderung zu mehr Eindeutigkeit, also Härte deutlich. Verben werden ihren Stammsubstantiven angeglichen, Sonder-regelungen werden aufgelöst, Trennregeln lassen den getrennten Teile im Einzelnen eine Bedeutung zuordnen und das im Englischen unbekannte ß entfällt weitgehend. Die Rechtschreibung wird zwar einfacher, aber vielleicht ist es nicht nur paranoid anzunehmen, daß die Reform die Sprache genau wie den künftigen Personalausweis maschinenlesbar machen soll. Das könnte die Intensität der Bemühungen der Politik bei der Durchführung der Recht-schreibreforn erklären.

Was machma nu ? Dor sächsche Dio-legd is so scheen weech, dassa nich moschinläsbor is. Ohne dän Gondeksd gehd nix. Schedor Gombschudor hängt sich uff, wenna dormid zuräschdegommn soll. Nu is wieda Handorbeet gefrocht, die Schungs vom schielenden Otto misssn sisch berseenlisch bemiehn, wennse was midgriechn wolln. Gann awor sinn, dass ma gleech rausgewunken wärd aussa Dadnaudoboohn. Dormid missma rechnen. Dis schafft awor och Arweeds­blädse inne Ämda, brauchma ja ooch. Mia wolln geene Gulduarevoluzchon anzed­deln, die is eenmal im Gang. Nu, da gömma och so schreim. Un midde Derro­risdn­abwehr machma och nix gabudd, die wern sich scho annorsch ausdauschn. Was machma midn Gombjuda im Indanedd ? Füa die wischdschen Dadn is ne exderne Bladde iba uhesbeh sähr nidslisch, die gamma abziehn, wemma ins Neds gehd. Dis is och gud, wemma den Gomschudor beschloochnohmt kriegt un die zu­schdändschn Orschone neiguggn wolln. Wärklisch wischde Sachn schiggsde mid Disgedde. Ausadem solltema imma ma wieda die Pladde midn Andi­spy­pro­grammn budsn, is scho manche Iba­raschung bei rausgegommn. Neie un­begande Mädjn stckma erschdma nich inn Gombjuda mid den inderessandn Dadn steggn, sondan erstma guggn, ob sich nachm Insdallian Alles wieda ändfärn lässd. Und wenn die freie Gabazitäd der Bladde imma gleena wärd, ohne dass wass druffgommd, is Alarm. Nu, sächsch gehgd doch! Du gannstd och Blattdütsch oder bayrisch jo mei schreibm oder balinan oder schwäbisch, is ganz eschol. Das is freilich geene Godierung, aber äbn nich maschin­läsbor. Un es sachd Allen, die wieda mal miläsn wolln und ooch werdn: Mia wolln das nich, das nützt nich dem Schutz der Börcha, sondan be­schneided därn Rächde imma wei­da. Wea midläsn will, soll sich ber­sönlisch bemühn. Mir ham damals beim Delefonian das Emefes gegrüßd, mir grüßn ooch eich. Weat eich, schreibd sächsch.

Papa Blue Beer

Überwachung

Die radikalen Wurzeln des Ersten Mai

Was heute als „Tag der Arbeit“ bekannt ist, wurde 1889 von der neu gegründeten Zweiten Internationale als „Kampftag der Arbeiterklasse“ ausgerufen. Die Internationale, die soeben den libertären Flügel ausgeschlossen hatte, machte sich damit eine Forderung der amerikanischen ArbeiterInnen zu eigen: den Achtstundentag. Ironischerweise konnte gerade die anarchistische Strömung in Chicago, dem Zentrum der Achtstunden-Mobilisierung, einen starken Einfluss auf die ArbeiterIn­nen­bewegung ausüben. Heute würde das wohl als „internationaler Aktionstag“ ausgerufen werden – eine Aktionsform, die in den vergangenen Jahren wieder belebt wurde (vgl. Feierabend! #3). Die zentrale Forderung „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf, acht Stunden, was wir wollen!“ war 1856 erstmals in Australien aufgekommen, und fand direkt nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg (1865) auch unter den ArbeiterInnen der „neuen Welt“ großen Anklang.

Zu dieser Zeit setzte eine Modernisie­rungs­welle im amerikanischen Wirtschaftsleben: der Schwerpunkt verlagerte sich vom handwerklichen und agrarischen Sektor zur Großindustrie. Am Anfang des Wirtschaftswunders hatte der Krieg gestanden: Subventionen, Schutzzölle und Staatsaufträge. Chicago, die „weiße Stadt“ im Norden des Landes, war schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein ökonomischer Knotenpunkt gewesen: der zentrale Umschlagplatz für Mais und Weizen, Sammelplatz für Schlachtvieh und Bauholz. Weiterhin entwickelte sich in Chicago die Stahlindustrie, die in der Waggonfabrik Pullman und der Erntemaschinenfabrik McCormick verkörpert war. Beschleunigt wurde die Modernisierung der Stadt auch durch den Großbrand von 1871, der binnen drei Tagen die Innenstadt verwüstete. In den folgenden zwei Jahren herrschte Arbeitskräftemangel, was die Position der ArbeiterInnen stärkte. Doch 1873 brach auch hier die erste Wirtschaftskrise der USA ein, die – verstärkt durch die Krise in Europa – zu massiver Arbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit und einer Senkung des Lohnniveaus um 20 Prozent (1873-79) führte. Noch im selben Jahr erlebte Chicago eine erste große Arbeitslosendemonstration. Die Polizei knüppelte die 20.000 TeilnehmerInnen auseinander, an den Folgen der Schläge starben zwei Menschen. Von der landesweiten Krise beson­ders betroffen waren auch die ArbeiterIn­nen der Eisenbahngesellschaften, letztere hatten seit 1873 die Löhne durchschnittlich um 25 Prozent gesenkt. Als im Juni 1877 weitere Lohnkürzungen angekündigt wurden, begannen im Osten des Landes Streiks, die sich zu einem Generalstreik gegen Niedrig­löhne und Arbeitslosigkeit ausweiteten. Gegen die Eisenbahner wurden Bundestruppen und die Nationalgarde eingesetzt: 13 Streikende wurden getötet. In Chicago wurde der Streik Ende Juli im Blut von 24 Toten und mehr als 200 Schwerverletzten erstickt. Im Jahr darauf schenkte die Industriellenvereinigung Citizens’ Association der Stadtverwaltung zwei Maschinengewehre!

In dieser gesellschaftlichen Situation kam es 1880 in der Sozialistischen Arbeiterpartei zu Auseinandersetzungen über die Legitimität der bewaffneten Arbeitermilizen, die jüngst verboten worden waren. Die Revolutionäre lehnten den Wahlkampf aus taktischen Gründen zwar nicht ab, bot sich darin doch eine gute Gelegenheit, ihre Ideen zu verbreiten; sie waren jedoch von der Notwendigkeit bewaffneter Organe über­zeugt. Die „Propaganda der Tat“ verstanden sie jedoch nicht als politisches Atten­tat, sondern als bewaffneten Massenaufstand. Auf einem Kongress, in Pitts­burgh 1883, fanden sich Delegierte aus 26 Städten zusammen und gründeten die International Working Peoples’ Associa­tion (IWPA), die die gewerkschaftliche Organisation in ihr Revolutionsmodell einbezog: Nach der Zerschlagung des Kapitalismus sollten die auf lokaler und regionaler Ebene existierenden Gewerkschaften die Keimzellen einer neuen Gesellschaft bilden, die eine staatliche Struktur nicht mehr kennen sollte. Dieses Sozialismusverständnis war einerseits von Marx’ Analyse der ökonomischen Verhältnisse geprägt, andererseits wurde eine geistig-moralische und kulturelle Revolution in ihrer Bedeutung der Umwälzung der Besitzverhältnisse gleichgestellt.

Dass die IWPA in ihrer Radikalität großen Zuspruch erhielt, lag zum einen daran, dass die Revolutionäre ihre Vorstellungen nicht dogmatisch verfolgten, sondern durchaus bereit waren, auch aktuelle Tagesforderungen – z.B. den Achtstundentag – zu unterstützen. Zum anderen war die blutige Repression seitens des Staates und der Arbeitgeber fast alltäglich, und doch war die kollektive Aktion unvermeidlich. Denn wenn auch der Achtstundentag gesetzlich verankert war, bedeutete das noch lange nicht, dass er auch durchgesetzt wäre. Für immerhin 40.000 Arbei­terInnen war die Arbeitszeit schon auf einen dritten Teil des Tages reduziert worden – nun hieß es: alle oder keiner. Vom ersten Mai an sollte der Achtstundentag überall durchgesetzt werden. August Spies, Chefredakteur der einzigen sozialrevolu­tionären Tageszeitung, der deutschsprachigen „Arbeiter-Zeitung“, betonte als Redner auf der 80.000er Demo: „Ja, zwanzigtausend organisierte, bewusste und entschlossene Lohnarbeiter sind ein schwerwiegenderes Argument als die allerlogischsten und schönsten ökonomischen Beweisführungen.“ In der Folge kam es, wie schon 1867 im Rahmen der ersten Acht-Stunden-Kampagne, zu einem Generalstreik.

Nach einem Angriff der Polizei am 3.5.1886 auf die Streikposten der McCor­mick-ArbeiterInnen waren wieder zwei Tote zu beklagen. Die am folgenden abgehaltene Protestversammlung auf dem Haymarket, bzw. der Polizeieinsatz dort, wurde zum Ausgangspunkt dramatischer Ereignisse: das erste Bombenattentat der US-Geschichte tötete einen Polizisten, sechs weitere starben im Kugelhagel ihrer Kollegen. Daraufhin initiierte die Polizei Razzien und Massenverhaftungen im revolutionären Milieu. Die Staatsanwaltschaft erhob Klage gegen acht Wortführer, und wollte damit der sich formierenden ArbeiterInnenbewegung ein für allemal den Garaus machen – mit vier Hinrichtungen, einem Selbstmord und dreimal 7 Jahren Haft.

A.E.

Soziale Bewegung

2010 – Vollbeschäftigung durch Arbeitsagenturen?

Während unser Wirtschaftsminister Cle­ment Stoßgebete in den Wirt­schafts­himmel schickt und von Voll­be­­schäfti­gung im Jahre 2010 dank Hartz IV schwadroniert, bleiben die Arbeitslosen­zahlen davon unbeein­druckt.

Der Minister nannte für eine Fast-Vollbeschäftigung – ein Sockel von 3-5 Prozent Erwerbslosen wäre in Ordnung – innerhalb von 6 Jahren „nur“ eine entscheidende Voraussetzung: eine „eini­ger­maßen vernünftige Entwicklung der Weltwirtschaft“. Sprich: Die unsichtbare Hand des Marktes soll, durch wessen Vernunft geleitet?, eben das verwirklichen, wozu Politiker nicht in der Lage sind: die Arbeitslosenquote von 10,3 Prozent im November 2004 auf 5 Prozent im magischen Jahr „2010“ senken.

Bisher scheint Clements’ Wirt­schaftsgott ihn nicht erhört zu haben. Im Gegenteil, gab es im vergangenen Dezember doch mit 4,43 Millionen Arbeitslosen so viele wie seit 1997 nicht mehr.

Uneins sind sich indes der Wirtschaftsminister und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) über den Erfolg der reformierten Arbeitsvermittlung. Letzterer bemängelt die schleppende Vermittlung aufgrund zu hohen Ver­wal­tungs­auf­wands. Hat da der ZDH nicht verstanden, dass gerade in den Arbeitsagenturen im Rahmen von Hartz IV Arbeitsplätze für alle geschaffen werden könnten? Allein die Reformen seit 2002 haben in der ehem. Behörde zum einem Stellenwachstum um 25 Prozent geführt! Wenn wir ehrlich sind, machen aber auch die gut 100.000 BA-Mitarbeiter den Kohl nicht fett. Interessant wäre sicher auch, um wieviel Prozent das Bruttoinlandsprodukt – nach Auffassung Clements – durchschnittlich wachsen müsste, um 2.500.000 „Arbeitsplätze zu schaffen“ …

hannah

 

Kommentar

Bürgerliche Trauerspiele und Frühlingserwachen

Antifaschistische Aktionen – am 13.02. in Dresden und am 01.05. in Leipzig

Wärmer wird es allen Ortes; nicht nur diverse BewegungsspezialistInnen, auch die Vorbereitungen DES Tages für symbolische Straßenbekundungen zwischen Freiheit und Arbeit laufen auf Hochtouren. Am 1. Mai letzten Jahres konnten relativ unbehelligt um die 1000 Nazis bis fast zum Völkerschlachtsdenkmal gelangen. Der inzwischen schon obligatorisch gewordener Aufruf Christian Worchs für diesen Tag lässt erkennen: man will erneut das traditionsbehaftete Datum für sich besetzen. Schon zwei Tage nach dem ver­­hin­­derten Nazimarsch nach Conne­witz am 3. Oktober 2004 meinte selbiger zum 1. Mai 2005 mit den vermeintlich Freien Kameradschaften zum Conne­witzer Kreuz durchstoßen zu wollen:

Es gibt für Deutsche in Deutschland keine „no-go-areas“. Dies ist UNSER Land, und wir lassen uns das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Grundgesetz) nicht von einer Handvoll Steinewerfer oder Barrikadenbauer nehmen!“

Treffpunkt ist wie üblich um 12 auf dem Hauptbahnhof (Ostseite). Die von der Stadt angebotene Ausweichroute zum Ostplatz lehnte Worch ab und die Verhandlungen werden wohl bis zum Schluß weiterlaufen.

Nicht erst seit Dresden ist die Mobilisie­rungs­­fähigkeit der rechten Szene angestiegen. Nachdem nun vor kurzem die NPD eine 1.Mai-Veranstaltung in Magdeburg zugunsten von geplanten Großaufmär­schen in Nürnberg und Neubrandenburg abgesagt worden ist, erhöht sich die potentielle Zahl der Nazis, die nach Leipzig kommen könnten, erheblich. In Berlin wird zumindest am 1. Mai nichts los sein, wo im letzten Jahr ca. 3500 Nazis marschierten. Entgegen den Vermutungen Worchs wird es am 30.April und am 1.Mai auch keine traditionellen linksradikalen Aktivitäten geben, was auch auf anreisende Unterstützung gegen den Nazimob hoffen läßt.

Um einen Kontext zum Lokaltermin zu liefern, sollen folgend Beobachtungen zu den Auftritten von Nazis, BürgerInnen und Antifa am 13. Februar 05 in Dresden Inspirationen für zentrale und dezentrale Konzepte in Leipzig und Berlin geben. Daß die Mai-Aktionen sich in ihren Möglichkeiten hoffent­lich von Dresden unterscheiden, ist klar, inwieweit sie dann auch richtungsweisend für Berlin werden, wird sich zeigen.

Die braune Flut

60 Jahre nach der Bombennacht war in Dresden dicke Luft angesichts eines, wenn nicht sogar des größten Nazi-Aufmarsches nach 1945. Aus ganz (Groß-) Deutschland angekarrte Nazis und Neonazis marschierten, ihren regionalen „Gau“ repräsentierend, mit aufgesetzter Trauermiene zu Wagner oder Orff, bestückt mit Transparentensprüchen wie: „Wir trauern um 200 000 Opfer des Bombenholocaust in Dresden“ oder auch „Unsere Rache wird kommen!“. Sogar das antifaschistische Motto „kein Vergeben –kein Vergessen“ war angestrengt worden, den Blick auf die Geschichte zu manipulieren, ja, Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern zu machen. Die politische Kultur der Erinnerung an das Kriegsgeschehen in den Grenzen des Dritten Reiches beschäftigt hingegen nicht nur in Dresden und Berlin (siehe im Anschluss) und nicht nur die PolitikerInnen. Am 13. Februar gab es durchaus unterschiedliche Motive und Grade der Volkstrauer:

„Dresden wolln sie schonen, in Dresden wolln sie wohnen!“

Vorab: Weder der Sinn militärischer Strategien, weder das sich hartnäckig haltende Propagandakonstrukt aus Reichszeiten von Dresden als infrastrukturell unwichtiger Kulturstadt, noch wilde Zahlendreher (bezüglich der ca. 30 000 Menschen, die in der Nacht vom 13. Februar 1945 durch die Bombardierungen starben), sollten Gegenstand einer erinnerungspolitischen Auseinandersetzung sein. Dies lenkt ab vom eigentlichen Kontext: dem deutschen Nationalsozialismus und dessen Bekämpfung damals, aber auch heute. Ohne die Erinnerung an Shoah, Holocaust und deutsche Kriegs­führ­­ung wird jede Trauermine zur Farce, denn die Bombar­dier­ung Dresdens diente vielleicht auch einer Demorali­sierung der Bevöl­ker­ung, war letztlich aber „nur“ ein weiterer, notwendig gewordener Schritt, um den Faschismus zu stoppen und den Krieg zu beenden.

Für den Frieden und um die Opfer trauernd verlief dann auch eine Demo mit tausenden BesucherInnen, zwar lange Zeit nach dem Nazi-Aufmarsch und überhaupt ganz woanders, aber wenigstens mit weißer Rose im Knopfloch. Genau dieses pseudo-couragierte Verhalten muß weiter-hin stärker öffentlich aufgezeigt und kritisiert werden, dabei stehen alle Seiten in Verantwortung.

Aktionspotentiale

Antifa-Gruppen hatten zu einer ganztägigen Kundgebung an der Synagoge als einzigem linksradikalen Anlaufpunkt eingeladen, von wo aus kleine Gruppen immer wieder versuchten, sich dem Aufmarsch entgegenzustellen. Die genaue Route der Nazis blieb bis zuletzt unbekannt und das Polizeiaufgebot war reich bestellt, deshalb blieb die einzig mögliche dezentrale Aktivität zumeist, sich von den Vorbeiziehenden ablichten zu lassen und neben wahlweise israelischer, us-amerikanischer oder sowjetischer Fahne seinen Unmut zu äußern. Sogar zu Stoßgebeten à la „Bomber-Harris-Do-it-again!“ ließen sich einige herab, deren offensichtliche Verzweiflung leider keine Grenzen kannte.

Die deutlichen Untertreibungen der Massenmedien, was die Zahl der Marschierenden anging, aber vor allem die alte Leier von den friedlichen und den bösen DemonstrantInnen, welche eben ganz links und ganz rechts ihr Unwesen treiben, konnten einem dann auch noch die herangezogene Nacht mit schlechtem TV-Programm versauen und ich fragte mich, ob ich nicht doch ein paar Tränen über die Deutschen vergießen sollte.

Mayday – zusammen kämpfen ?!

Nach diesen, aber auch nach den erfreulicheren Oktober-Erfahrungen ist es nun noch verständlicher, daß Vorbereitungen zur Verhinderung eines Nazi-Aufmarsches am 1. Mai in Leipzig weite Kreise ziehen:

Vorbereitungsbündnis 1. Mai: Verschiedene Leipziger Antifa-Gruppen mobilisieren bundesweit zu Dezentralen Aktionen ab 12 Uhr um den Hauptbahnhof. Ab 13 Uhr wird Radio Blau wieder live senden, das Infotelefon (0341/3081199 oder 3068235) bietet weitere aktuelle Infos zu den Entwicklungen.

Außer den antifaschistischen kommen eigene Inhalte durch dieses Bündnis jedoch nicht unbedingt zur Sprache, dafür wird am Vorabend ab 17 Uhr am Conne­witzer­ Kreuz antifaschistisch gerockt: „Leipzig zeigt Courage, wir zeigen die Zähne!“, auf DEM Alternativkonzert zum traditionellen Courage-Pop am Völker­schlacht­sdenkmal.

Selbiges wird von der DGB-Jugend unterstützt, die an dem Wochenende ein „antifaschistisches Jugendcamp“ hinterm DGB-Haus und auf dem Augustusplatz (wo auch der DGB wie jedes Jahr um 11 zu Wurst und ähnlichem lädt) ab 14 Uhr ein Programm auf der Hauptbühne plant. Übrigens öffnet das Volkshaus bzw. der DGB 13:30 Uhr seine Pforten für eine Wanderausstellung zur Arbeits- und Sozialgeschichte des Nationalsozialismus, ab 14 Uhr gibt´s ne Disko mit leiblicher Verpflegung auf der Wiese und Straß­e vorm Haus.

Bündnis 1. Mai: Ein weiteres Bündnis ruft zu einem linken, kämpferischen Block auf der traditionellen Mai-Demonstration, angemeldet durch die IG Metall Leipzig, auf, die 10 Uhr vom Connewitzer Kreuz zum Augustusplatz führt, um den Nazis an diesem Tag auch inhaltlich keinen Fußbreit zu lassen. Gruppen und Einzelne mit sozial-revolutionärem Anspruch wollen unter folgendem Motto für eine große Demo im Rahmen der Dezentralen Aktionen mobilisieren: „Solidarität gegen die herrschenden Zustände – Nazis und Sozialabbau bekämpfen!“

Synergisch vorgehen!

Die zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen von Lohnabhängigen und nicht „Verwertbaren“ lässt weite Teile der Bevölkerung resignieren, womit die NPD eine ideale Basis für ihre Propaganda als angebliche soziale Alternative erhält. Einer weiteren Spaltung der Betroffenen durch antisemitische, rassistische und andere Diskriminierungen, ob nun in der Sündenbock-Rhetorik der NPD und ihrer Wählerschaft oder indirekt in staatlichem und unternehmerischen Handeln enthalten, muß gerade am 1. Mai die Kraft solidarischen Widerstandes entgegen gesetzt werden. Weder verzweifelte Rufe nach Arbeit, noch nach führenden Kräften und nach „Volk und Heimat“ können als Forderungen akzeptiert werden. Vielmehr sollte der „Kampftag“ mit antinationalistischen, kapitalismuskritischen und emanzipativen Inhalten den Menschen Alternativen eröffnen, für ein bedürfnisorientieres Wirtschaftssystem und für die Abschaffung bzw. Überwindung herrschaftlicher und faschistischer Interessen.

Wenn Antifa auch Angriff und Kampf ums Ganze heißt, sollte sich doch spätestens da aktive Linksradikale über Ideen und Ziele unterhalten können. Eigentlich reicht aber schon der Fakt, dass Nazis in allen Schichten auf dem Vormarsch sind. Der NPD muss die fingierte Rächerrolle im Kampf um den Sozialabbau und der bürgerlichen Pseudo-Demokratie die Plausibilität genommen werden. Meinungsverschiedenheiten sind essentiell, aber verhindern noch lange keinen Nazi­aufmarsch und sind auch für die meisten Menschen nicht gerade die emanzipatorisch­en Impulse, die sie vielleicht brauchen.

Obligatorisch-optimistisch betrachtet wird also am 1.Mai ´05 nicht ausgeschlafen. Laßt uns an diesem Tag den Nazis ent­­ge­gen und für Kom­­mu­nis­­mus eintreten – symbolisch, konkret und bewußt. In jedem Falle wird es aber da­­mit nicht getan sein – get organized*

clara

NazisNixHier

Agentur? Schluss! – Schluss mit Protest?!

Der Aufruf zum „Agenturschluss“ am 3. Januar, den wir in Feierabend! #15 unkommentiert dokumentierten, erregte bei den Medien anscheinend mehr Interesse als bei den ALG2-EmpfängerInnen Leipzigs.

 

Die Idee zur Agenturschluss-Aktion kam in einer Arbeitsgruppe bei „Die Kosten rebel­­lieren“ auf. Diese internationale Ver­sammlung zu Prekarisierung und Migra­tion, die vom 25.-27. Juni 2004 in Dort­mund stattfand, wurde von dem gewerk­schafts­linken Internetportal labournet.de organisiert. Die Aktionsidee wurde Anfang August auf einem bundesweiten Treffen kon­­kretisiert; diesem folgten weitere Zu­sam­­menkünfte (1), wo weitere Schritte zur Realisierung beraten wurden. Die Vor­be­rei­tung lief also ähnlich wie die der 100.000er De­monstration am 1.11.2003, die eben­falls ohne die Gewerkschaftsspitzen orga­nisiert wurde.

Die Vorbereitungen hier vor Ort wurden von der Freien ArbeiterInnen-Union Leip­zig (FAUL) getragen, bzw. der Branchen­gruppe „Erwerbslosensyndikat“ und seinen Sympa­thisantInnen: Einschätzung aktuel­ler Entwicklungen, Besprechungen über den Ablauf, Propaganda (2), Vorbereitung der Öffentlichkeitsarbeit. Das Sozialforum Leipzig spielte, anders als die LVZ am 4.1. berichtet hatte, keine große Rolle – höchstens insofern als sich T. Rudolf (WASG (3)) im bundesweiten Pres­se­büro breit machte. So kam die „Protest­staffel“ zustande, in der Agenturschluss mit WASG-Aktionen (Protest bei der lokalen SPD und Montagsdemo) in eine Reihe ge­stellt wurde.

Montag: morgens nichts zu tun?

Bereits um 7 Uhr hatten sich vor’m Ar­beits­­amt mehrere Dutzend Erwerbs­­lose ver­sammelt, auch der MDR war schon mit einem Sendewagen vor Ort. An „Sicher­heits­kräften“ waren nur vier Angestellte der „Agentur“ erkennbar; die Polizei tauchte erst kurz vor 8 Uhr, dem angekün­dig­ten Termin, mit einer Streife auf. Zu diesem Zeitpunkt waren die knapp 50 Menschen im Eingangsbereich schon wie­der ver­schwun­den – als die Behörde eine halbe Stunde ­früher als sonst ihre Türen öffnete, bildeten sie die ersten Schlangen in den Wartebereichen.

Die eintreffenden Protestierer waren als 50 bis 60köpfige Menge eindeutig in der Minderzahl – fast die Hälfte davon kam aus dem libertären Spektrum; dieses Verhältnis sollte sich später noch ver­schie­ben, als sich die Reihen nach 9 Uhr lich­teten. Zunächst jedoch fackelte die spontane Versammlung nicht lange, gar nicht eigentlich: ohne Diskus­sion sprach man sich dafür aus, in das Arbeits­amt zu gehen. Im Erdgeschoss war­teten die privaten Sicher­heits­­kräfte – die Polizei schickte nur ab und an einen Strei­fen­wagen vorbei, und parkte zeitweise hinter dem Gebäude fünf vollbesetzte „Six­packs“. So lange jedoch der Betrieb nicht gestört wurde, sollten die Büttel sich passiv verhalten (4). Und so blieb es dann: an eine längere Blockade war schon aufgrund der personellen Schwäche nicht zu denken. Auch kurzfristige Maßnahmen konnten nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wer­­den, weil der Zusammenhalt der Demon­strierenden zu gering war, was sich schon draußen vor der Tür an­gekündigt hatte. Nichtsdestotrotz häng­ten die AktivistIn­nen Transparente auf, durch­­brachen das bedrückende Schweigen in den langen Fluren immer wieder mit „Nie­­drig­­­lohn und Zwangsarbeit, dafür ha’m wir keine Zeit!“, verlasen den Aktions­aufruf und gaben ein „offenes Mega­fon“ herum – der Gebrauch, den die An­wesenden davon machten, war jedoch sehr spärlich und erschöpfte sich in „Weg mit Hartz IV“. Daneben stürzten sich die zahl­reich anwesenden JournalistInnen auf jeden, der nicht nur am Rand rumstand. Und Libertäre verteilten Flugblätter und hun­derte Sonder­­ausgaben der DA (5) an die Erwerbslosen, die in die Büros strebten. Bereits nach der ersten Stunde lichteten sich die Reihen der Pro­testierenden merklich – es fehlte etwas Verve. Das brachten auch die AnhängerIn­nen der PDS nicht, die vor dem Gebäude standen und meinten „hier in der Öffent­lichkeit“ den idealen Ort für ihren Protest ge­fun­den zu haben, so dass sie sich stand­haft weigerten, die Agentur über­haupt zu betreten. So zogen die verbliebenen Zwanzig im Gebäude durch die Eta­gen, auf der Suche nach dem Direktor. Unter­wegs gaben sie die bekannten Slo­gans zum Besten, und ein Lied von Ton, Steine, Scherben: „Sklavenhändler, hast Du Arbeit für mich?“ Eine Petition, oder ähnlichen Schnickschnack, hatten sie nicht dabei, die Message war und ist klar: mindestens Funda­mental­opposition zum gesamten Hartz-Paket. Direktor Meyer je­doch war nicht auffindbar – sollte er etwa noch im Ur­laub sein, oder hat er sich nur versteckt? Ein letzter Kumulationspunkt, wo noch­mal 40 Leute zusammenkamen, war das Aktions­theater „Sklavenmarkt“, das eben­falls musikalisch begleitet wurde.

Gemessen am Aufruf – „Wir werden … in den Ablauf der Erwerbslosenbüro­kratie eingreifen.“ – ist die Aktion als gescheitert zu betrachten, wenn Pressesprecher Leist­ner unbeschönigt vermelden kann, dass der „Dienstbetrieb zu keiner Zeit ge­stört“ wurde. Wenigstens konnten Infor­ma­­tionen unter die Leute gebracht – dazu waren auch Einzelpersonen der WASG, PSG, SAV und WKL (6) vor Ort – und quasi angedeutet werden, was möglich ist, wenn man sich zusammentut.

 

A.E.

(1) Ein Treffen fand Anfang Dez.04 in Leipzig statt.
(2) Bundesweite Anstrengung ermöglichte die Übersetzungen des Aufrufs in verschiedene Sprache.
(3) Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Vgl. Feierabend! #12, S.11
(4) Das Tagesmotto in Leipzig lautete ‚Deeskalation’ – anders in Berlin, wo die Staatsmacht selbst die Agentur blockierte und AktivistInnen fest­nahm, die sich im Wedding Zutritt verschaffen wollten.
(5) Direkte Aktion – Zeitung der FAU. Das Flugi findet sich unter www.fau.org/ortsgruppen/leipzig
(6) Wahlalternative, Partei für Soziale Gleichheit, Sozialistische Alternative Voran! (Partei), Wert­kritische Kommunisten Leipzig

Lokales

Tag der Befreiung: Kein Naziaufmarsch am 8. Mai!

Gegen Faschismus, Militarisierung und deutsche Opfermythen

Vor 60 Jahren, am 8. Mai 1945, musste das militärisch geschlagene Deutschland bedingungslos vor den Alliierten kapitulieren. An diesem Tag wurde die Welt vom Nationalsozialismus, der vom Großteil der Deutschen getragen wurde, befreit. Die Ära der nationalsozialistischen Barbarei fand ein Ende, die ihren Ausdruck in Rassenwahn, Krieg, der Deportation und Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen, der Roma und Sinti und all der anderen Menschen, die nicht ins Weltbild der Nazi-Ideologie passten, fand. Der Tag der Befreiung ist daher ein Grund zur Freude, an dem wir aber auch daran erinnern wollen, wer die Verantwortung trägt an Krieg und Vernichtung und wem wir die Befreiung zu verdanken haben.

Der deutsche Faschismus bestimmt auch heute noch den erinnerungspolitischen Diskurs in der BRD. Von Angela Merkel, die von einer „immer währenden Verantwortung, die wir als Nation angesichts der Schrecken des Nationalsozialismus für die Zukunft tragen“ spricht, bis zu Gerhard Schröder, dem „die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus eine bleibende Verpflichtung“ ist, ist der Begriff der „Verantwortung“ als Beschreibung des Verhältnisses der Deutschen zu ihrer Vergangenheit inzwischen konsensfähig. Bundespräsident Horst Köhler betonte in seiner Ansprache vor der israelischen Knesset sogar, dass „die Verantwortung für die Shoah“ ein „Teil der deutschen Identität“ sei. Dieser vermeintlich antifaschistischen Rhetorik erwachsen jedoch keine ihr entsprechenden Handlungen, darüber kann auch das Mahnmal für die ermordeten Juden und Jüdinnen im Herzen Berlins nicht hinweg täuschen. Aufgrund der konsequenzlosen und inflationären Verwendung wird „Verantwortung“ zu einem Begriff ohne Inhalt, welcher beliebig gefüllt und instrumentalisiert werden kann. Spätestens seit 1999 kennzeichnet deshalb nicht Verdrängung, sondern die opportune Nutzung der nationalsozialistischen Vergangenheit den Umgang mit der eigenen Geschichte. So wurde die aktive Kriegsunterstützung Deu­t­sch­­­­­lands im NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit der Erinnerung an die Shoah legitimiert. Außenminister Joschka Fischer begründete nicht trotz, sondern wegen Auschwitz den ersten aktiven Auslandseinsatz der Bundeswehr. Seither gehört es zur außenpolitischen Normalität, dass deutsche Interessen wieder militärisch durchgesetzt werden können.

Wir positionieren uns entschieden gegen die Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen und die Instrumen­talisierung der Erinnerung an die Shoah. Wir fordern die sofortige Auflösung aller deutschen Trup­penverbände.

Nicht nur in der Außenpolitik zeigt sich, was die politische Gemeinschaft Deutschlands unter historischer Pflicht versteht. So dauerte es 55 Jahre bis im Juli 2000 ein Abkommen über die Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen unterzeichnet werden konnte, und auch dies nur durch ständige Proteste der Opferverbände und wiederholten Druck aus dem Ausland. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits etliche ehemalige Zwangs­arbeiterInnen verstorben. Und selbst heute noch laufen die Auszahlungen der vom Bundestag eingerichteten Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ schleppend bis gar nicht. Zudem wurden ganze Opfergruppen aus den Entschä­digungszahlungen ausgeschlossen. Hervorzuheben ist hierbei die International Organisation for Migration (IOM), die für die Bearbeitung der Anträge nicht-jüdischer und nicht in Osteuropa lebender, ehemaliger ZwangsarbeiterInnen beauftragt wurde. Die IOM, deren eigentliches Arbeitsfeld das Leiten von Internierungslagern für Flüchtlinge und deren Abschiebung ist, lehnte alle Anträge der italienischen ZwangsarbeiterInnen ab, die nach der Kapitulation Italiens als Militärinternierte verschleppt und zur Sklavenarbeit gezwungen wurden. Diese inakzeptable Aufspaltung in diese, welche genug gelitten, und jene, die anscheinend nicht genug gelitten haben, um finanziell entschädigt zu werden, demütigt die Opfer erneut.

Tausende deutsche Unternehmen haben während des zweiten Weltkriegs aus der industriellen Vernichtung Kapital geschlagen, Kapital das durch „Arisierungen“ und die Ausbeutung von Arbeitskraft zustande kam und später maßgeblich zum Aufbau der BRD verwendet wurde. Wird bedacht, dass mehr als 14 Millionen Menschen durchschnittlich etwa 1,5 Jahre zur Arbeit gezwungen wurden, dann erscheinen die etwa 5 Milliarden Euro Stiftungsvermögen schon fast lächerlich. Sie dienen der Rechtssicherheit für die Unternehmen, sich für alle Zeit der Ansprüche entledigt zu haben. Im Mai 2001 interpretierte Bundeskanzler Schröder dies wohlwollend als „Schlussstrich“.

Wir haben nicht vergessen, wie aus der industriellen Vernichtung Kapital geschlagen wurde und fordern die vollständige und bedingungslose finanzielle Entschädigung aller NS-ZwangsarbeiterInnen. Weiterhin fordern wir die Enteignung aller NS-Profiteure.

Ein würdiges Gedenken an die Opfer und die Gegner der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie muss auch noch heute den Widerstand gegen geschichts­revisionistische Tendenzen beinhalten. Neben Schlussstrichdebatten und der Instrumentalisierung der Erinnerung an die Shoah zählen hierzu auch Debatten, in denen die Täter zu Opfern oder die Opfer zu Tätern gemacht werden. Ob als Leidtragende der Umsiedlungen oder der Bombardierung deutscher Städte – das Bedürfnis, die nationalsozialistische Geschichte aus einer anderen als der Täterperspektive zu betrachten, ist groß. So gedenken beispielsweise in Dresden alljährlich Zehntausende den deutschen Opfern der alliierten Luftschläge. Ausgeblendet wird, wer für den Krieg verantwortlich war und von welcher überwältigenden Mehrheit der Faschismus akzeptiert und getragen wurde. Mit der Stilisierung der Deutschen zu Opfern geht die Dämonisierung der Befreier einher. Anknüpfend an antikommunistische Ressentiments fallen Debatten über „den Schrecken und das Leid der (deutschen) Bevölkerung, welche die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten“ habe, auf fruchtbaren Boden. Dabei war es die UdSSR, die die Hauptlast im Kampf um die Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus zu tragen hatte. Es waren die Menschen aus der UdSSR, deren Städte und Dörfer von der Nazi-Wehrmacht zerstört, die ihrer Lebensgrundlage beraubt und in einen Krieg verwickelt wurden, der ihnen aufgezwungen war. Zwanzig Millionen von ihnen fielen den Deutschen zum Opfer. Es darf nie vergessen werden, dass es die Rote Armee, die Partisanen und Saboteure waren, die den Angriff der Nazi-Wehrmacht abwehrten und Deutschland maßgeblich zur Kapitulation zwangen.

Am 60. Jahrestag der Befreiung danken wir daher insbesondere der Roten Armee, den Partisanen und Widerstands­kämp­f­erInnen, deren Einsatz gegen die Nazi-Tyrannei oftmals klein geredet und verleumdet wird.

Es verwundert kaum, dass im Zuge erinnerungspolitisch relevanter Daten auch Neonazis Geschichte in ihrem Sinn umdeuten wollen. Besonders ärgerlich für die Protagonisten bundesrepublikanischer Erinnerungspolitik ist das immer dann, wenn dadurch Bilder produziert werden, die um die Welt gehen und die BRD in einem schlechten Licht stehen lassen. So geschehen im Februar in Dresden, als sich 5.000 Nazis inhaltlich in den Kontext der offiziellen Gedenkveranstaltungen stellten, indem sie „zu Ehren der Opfer des alliierten Bombenangriffs“ durch die Stadt marschierten. Am 8. Mai wollen Neonazis durch Berlin marschieren. Ursprünglich geplant war eine Route vorbei am Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Juden und Jüdinnen und durch das Brandenburger Tor. Dazu wird es nicht kommen, obwohl der Aufmarsch vermutlich nicht verboten wird. Eilig wurde debattiert das Straf- und Versamm­lungs­recht zu verschärfen und Vorbereitungen für einen Staatsakt im Bundestag liefen an, welcher auf Leinwände am Brandenburger Tor übertragen werden soll – letztlich nur zur Verteidigung des nationalen Symbols. Eine derartige Symptombekämpfung und den staatlich inszenierten Kampf um nationale Symbole lehnen wir genauso ab wie die mit Gesetzesverschärfungen praktizierten autoritären Methoden. Denn die Ursachen für die Entwicklung eines faschistischen Weltbildes bleiben ausgeblendet und auch der Notwendigkeit des permanenten Widerstands gegen Neonazis wird diese Inszenierung nicht gerecht.

Wir rufen alle auf, sich nicht für die Regierungsinszenierung herzugeben und mit uns am 8. Mai zu demonstrieren: für das Andenken an die Opfer des Faschismus, gegen Mili­tarisierung und deutsche Opfermythen. Lasst uns gemeinsam den Neonaziaufmarsch verhindern!

Aktionsbündnis Spasibo

im März 2005

www.8-mai.antifaschistische-aktion.com

NazisNixHier

Raum für ein Soziales Zentrum

Hausbesetzung und Räumung am Lutherplatz in Dresden

Am 1. Dezember 2004 wurden am Lutherplatz im Dresdner Stadtteil Neustadt ein fast vier Monate lang bewohntes und genutztes Haus und Hinterhaus von einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Während die Einsatzkräfte allerlei Möbel, Klamotten und Kleinteile aus dem Haus trugen und in zwei überdimensionale Container verfrachteten, flatterte in einem der Fenster noch ein Transparent mit der Aufschrift: SOZIALES ZENTRUM.

Im August 2004 war es, als eine Gruppe junger, engagierter DresdnerInnen den Versuch startete, ein bis dahin ungenutzt verfallendes Haus wieder nutzbar zu machen und nach aussen zu öffnen. Ihre Vision war es, einen Raum zu schaffen, in dem jeder, ohne Zugehörigkeit zu einer politischen oder sozialen Gruppe und unabhängig von finanziellen Mitteln die Möglichkeit hat, selbstbestimmt Ideen und Projekte zu entwickeln und diese kreativ in die Tat umzusetzen. Ein Ort der freien Kom­munikation und des Informa­tionsaustausches, offen für alle, die ein solidarisches Leben miteinander teilen wollen und frei von jedem Konsumzwang. Kurzum: ein Refugium der Selbstbestimmung und ein Experimentierfeld für Selbstorganisation. Oder ganz einfach: Freiraum!

Freiraum. Etwas, was man im heutigen Stadtbild mehr und mehr vergeblich sucht. Gemeint sind damit nicht Frei- oder Grünflächen, Park- oder Sportplätze. Solche Orte sind in ihrer Funktion klar festgelegt und bieten bloße Nutzungs- und Aufenthaltserlaubnis in ihrem eingeschränkten Rahmen. Gemeint sind Orte, die räumlich wie sozial gesehen nicht in Schranken weisen, sondern zum Ausloten auffordern, zum Füllen mit Leben.

Das Potenzial für eine solche Nische fand die Gruppe in einem lehrstehenden Grün­der­zeitbau am Martin-Luther-Platz, im Zen­trum der Dresdner Neustadt gelegen. Das Haus, schon jahrelang ungenutzt, verfiel zusehends. Im Prinzip schon Freiraum in sich bergend, musste es also noch erschlossen und öffentlich nutzbar gemacht werden. Die Instandbesetzer beräumten Schutt, reparierten Teile der Fußböden und strichen Wände. So entstand im Erdgeschoss des Vorderhauses ein offener Veranstaltungsraum. Hier war auch auch das sogenannte „Umsonstkino“ zu Hause. Einmal wöchentlich wurde dort unentgeltlich ein Film vorgeführt.

Im ersten Stock eröffnete der „Umsonstladen“. Hier konnten Menschen intakte Gegenstände, die sie nicht mehr benötigten, abgeben. Auf drei Räume verteilt sammelten sich Klamotten, Bücher, Geschirr oder anderer Kleinkram. Wer etwas brauchte, konnte sich einfach bedienen, ohne Geld oder Tausch. Oder man tratschte einfach über das alte Erbstück, von dem man sich endlich trennen konnte…

Zweimal wöchentlich öffnete der Umsonstladen seine Tore und wurde trotz Kälte und notdürftiger Beleuchtung mittels einer Autobatterie in den vier Nachmittagsstunden von bis zu 40 Leuten verschiedenster Schichten besucht. In der Etage über dem Umsonstladen war ein offenes Atelier in Planung und eine Theatergruppe wollte die Räumlichkeiten daneben für sich nutzen. Im 3. Oberge­schoss begann eine Gruppe junger, politisch engagierter Menschen, Räume vorzubereiten, um eine Plattform des freien Informationsaustausches zu schaffen. Dies war als ein Ort gedacht, an dem Menschen an einer Art Litfaßsäule Informationen aufnehmen und ebenso loswerden könnten. Zwei mal im Monat sollte eine sogenannte „INFOKÜ“ stattfinden, ein themenbezogener Abend mit Vorträgen und Filmen gewürzt und dazu Gekochtes zum Selbstkostenpreis, um den Hunger nach Nahrung und Information gleicher­maßen zu befriedigen. Nebenan planten sie einen Seminarraum für Workshops zu unterschiedlichen Themen, wie Rassismus, Soziales, Verkehr …

Zusätzlich zeigten zum Zeitpunkt der Räumung noch die Redaktion einer Zeitschrift für künstlerische und politische Momentaufnahmen und ein Treffpunkt für Asylbewerber konkretes Interesse. Und Raum war im Vorderhaus auch noch reichlich vorhanden.

Das große Interesse und der augenscheinliche Bedarf eines sozialen Zentrums, wie es sich am Lutherplatz Stück für Stück entwickelte, war wenig überraschend, wie auch die Idee nicht ganz neu ist. In Italien entstanden bereits in den siebziger Jahren sogenannte centri sociali. Leer stehende nicht mehr verwertbare Gebäude wurden dort übernommen und zu unabhängigen Politik- und Kulturzentren umgestaltet. Ein Mangel im sozialen und kulturellen Bereich sollte über­wunden und eine wirkliche Sou­veränität in der Freizeit erreicht werden. Im Gegensatz zu autonomen Zentren und Infoläden lag den Centri eine größere Offenheit und Nutzungs­brei­te zu Grunde. Jeder konnte hier gleichermaßen zum Nutzer und auch Gestalter von Projekten werden.*

Zu Zeiten der Massenproteste in Genua 2001 gab es zwischen 300 und 400 solcher selbstverwalteten Zentren. Sie bildeten auch die Basis für die Organisation des globali­sierungs­kritischen Widerstands zum Weltwirtschaftsgipfel. So ist es kein Wunder, dass heutzutage viele, selbst langjährig etablierte Centri, wieder vor der Räumung zu stehen. Auch in Deutschland gibt es Bestrebungen, in verschieden Städten wie beispiels­weise in Aachen und Berlin, Soziale Zentren aufzubauen. Einige existieren auch bereits.

In Zeiten, in denen öffentlicher Raum mehr und mehr privatisiert wird, scheint der Bedarf nach realer Teilhabe am öffentlichen Leben wieder zu wachsen. Immer mehr wird in den Städten fehlende Urbanität beklagt und eine soziale und räumliche Frag­­mentierung erlebt, die Stadtteile an bestimmte Schichten und Funk­tionen bindet. Die Innenstädte bei­spielsweise entwickeln sich mehr und mehr zu überwachten, inszenierten Ein­kaufswel­ten, in denen nur noch kapitalstar­ke, kaufwillige Klientel erwünscht ist.

In Stadteilen wie der Neustadt wird ersichtlich, wie sozial Benachteiligte schritt­weise aus den Zentren vertrieben werden.

Kurz vor der Wende stark vom Verfall bedroht, hatten sich hier Künstler, Studenten und Leute mit eher schmalem Geldbeutel angesiedelt. Diesen Bewohnern gelang es dann auch den drohenden Abriss des Quartiers zu verhindern. Nach der Wende entdeckten Investoren und die Stadt den Wert des einstigen „Stiefkindes“, welches als größtes zusammenhängend erhalten gebliebenes Gründerzeitviertel in Deutschland gilt. Es wurde zum Sanie­rungs­gebiet erklärt und ein neuer Laden nach dem anderen öffnete seine Pforten.

Das nun als Dresdner „Szeneviertel“ bezeichnete Gebiet hat zwar immer noch den höchsten Anteil an den unter 30 jährigen in Dresden, doch sein Gesicht hat sich stark gewandelt. Inzwischen kann man hier im Designeroutlet seinen Anzug kaufen und im französischen Fein­schmec­kerrestaurant speisen. Dafür leben jetzt nur noch 10 % der Bewohner von Anfang der Neunziger hier; für viele wurde die Miete in den chic sanierten Häusern schlichtweg zu teuer. Und auch Teilhabe am kulturellen Leben wird hier mehr und mehr zum Privileg der Besserver­die­nenden.

Dieser hier beschriebene Prozeß ist auch aus anderen deutschen und vor allem amerikanischen Großstädten bekannt. Er wird in der Stadtsoziologie Gentrification genannt, was übersetzt eine Aufwertung des Stadtviertels bedeutet.

Einige obdachlose Jugendliche, die im aufgewerteten Wohnraum der Neustadt keine Bleibe mehr gefunden hatten, waren in dem Hinterhaus am Lutherplatz 6 untergekommen. Sie bildeten dort ein selbstverwaltetes Wohnprojekt, als die Räu­mungsauforderung ins Haus flatterte. Acht Tage wurden darin den Bewohnern und Nutzern eingeräumt, um die Häuser zu verlassen. „Eine ordnungsgemäße weitere Nutzbarkeit“, so der Bescheid, sollte damit gewährleistet werden. Der bis dahin unbekannte Eigentümer aus Süddeutschland, der wahrscheinlich erst durch die Polizei von der Nutzung seines Hauses erfahren hatte, kündigte eine – so wörtlich – „kurzfristige Sanierung“ des seit Jahren verfallenden Gebäudes an.

Da es innerhalb der acht Tage unmöglich war, einen neuen Raum für den Umsonstladen und die anderen Projekte zu finden (schon gar nicht neuen Wohnraum für die fünf Bewohner des Hinterhauses), versuchte man schriftlich, mit dem Besitzer in Kontakt zu treten, um über ein befristetes Nutzungsrecht zu sprechen. So wäre es möglich gewesen, über den Winter ein neues Zuhause für das Soziale Zentrum zu suchen. Doch der Eigentümer zeigte sich nicht gesprächsbereit. Bis zuletzt auf eine gütliche Einigung hoffend, sahen sich die Menschen vom Lutherplatz 6 dann pünktlich am 1. Dezember dem Räu­mungs­kommando gegenüber.

Im Verlauf dieser Räumung wurde einer weiteren Nutzung des Hauses erst einmal ein Riegel vorgeschoben. Sämtliche, noch gut erhaltene Fenster und Türen wurden von eigens dafür angeheuerten Handwerkern herausgerissen. Dank der vielen Helfer, die Autos und ihre Arbeitskraft kurzfristig zur Verfügung stellten, konnten viele der Artikel aus dem Umsonstladen gerettet werden. Sie sind nun provisorisch bei Unterstützern zwi­schen­gelagert. Das Umsonstkino hat übergangsweise in einem anderen Raum Asyl gefunden und wird weiterhin wöchentlich betrieben. Doch wie lange der Raum genutzt werden kann ist fraglich.

Die Bewohner des Hinterhauses traf es am schlimmsten. Glück hatten die, die bei Freunden unterkamen, doch einige leben auch wieder auf der Straße.

Aus den ehemaligen Nutzern und aktiven Leuten beteiligter Projekte hat sich nun die Initiative für ein soziales Zentrum herausgebildet. Diese Menschen haben es sich ausdrücklich zum Ziel erklärt, ein Soziales Zentrum für Dresden möglich zu machen. Denn eins ist durch die Räumung umso deutlicher geworden:

Der Bedarf, einen solchen Freiraum mit Leben zu füllen, ist größer denn je. Und leere Gebäude gibt es in Dresden genug.

Initiative für ein soziales Zentrum

*als Bsp. für Centri Sociali und sozialer Bewe­gung: „Italienisch für Erwerbslose“, Direkte Aktion, #165

Lokales

Pelz ist mehr!

Am Samstag den 12.3.05 fand die jährliche Demo gegen die Pelzmesse „Fur & Fashion“ in Frankfurt/Main statt. Hier präsentierte sich die „Pelzindus­trie“, die da­von lebt, das Tier zum bloßen Ding, zum „Pelz“ zu degradieren, dessen einzige Lebensberechti­gung der wirtschaftliche Nutzen ist. Dieser „weiche“ Begriff bagatellisiert sowohl das Leid und den Schmerz der Tiere wie auch Eitelkeit und Prestige-Bedürfnisse der „TrägerIn“.

Die Veranstalter der Messe ließen sich von der stetig sinkenden Zahl von Ausstellern auf der „Fur & Fashion“ und dem Ausstieg verschiedener Konzerne, bei­spiels­weise Quelle, C&A und Karstadt aus dem Pelzverkauf, nicht beeindrucken.

An der Demo beteiligten sich ca. 200-300 Menschen. Ebenso fiel die starke Polizeipräsenz auf. Seltsam auch, dass sich beinahe jede/r Teilnehmer/in einer Ta­schenkontrolle unterziehen musste. Den ersten Halt machte die Demo vor dem Pelz-Geschäft „Pelz Türpitz“, wo es erst­mals zu Rangeleien kam und ein Straßentheater eine Tierhäutung „zeigte“. Vor den Läden „Appelrath Cüpper“ und „Peek und Cloppenburg“ heizte sich die Stimmung zwischen Demon­strantInnen und Po­lizisten bzw. Se­cu­ri­ty-Männern auf, die „Peek und Clop­penburg“ schein­bar extra angeheuert hatte und vor die Rei­­hen der Polizei stellte. Es gab erneut Rangeleien, ein paar Tritte und Knüppelhiebe. Bei der Abschlusskundgebung wurden 50.000 (!) Unterschriften gegen den Pelzhandel bei „Peek und Cloppen­burg“ entrollt. Nach der Demo hielten 60-70 Leute vor der Messe eine Mahnwache, die ohne Zwischenfälle ablief. Am Abend gab es das Antipelz-Fest im „Exil“ mit Live Musik von Chaoze One, Albino, madcap (die auch die Demo musikalisch begleiteten), sowie einem Drum´n´Bass DJ und lecker veganem Essen.

„Pelztier“-Farmen sind allesamt grausame Orte. Dies war zu keiner Zeit anders.

Rosa

Quelle: de.indymedia.org

Übrigens! Die Behauptung, dass es Pelztieren auf den Farmen wegen ihres glänzenden Felles physisch und psychisch „gut“ gehen müsste, lässt sich leicht entkräften: Mangeler­nährung, Bewegungsunfähigkeit und die ständige psychische Qual wirken sich erst nach ca. 7 Monaten im Fell aus, so alt werden diese Tiere aber nicht.

+ 1/4 der zu „Pelz“ verarbeiteten Felle stammen aus dem Fallenfang.

+ ca. 3/4 stammen aus „Pelztier“- Farmen.

+ 1998 wurden weltweit 25.746.000 Nerze und 3.668.000 Füchse in Farmen getötet.

+ In Deutschland gibt es ca. 40 Nerzfarmen, einige Fuchs- und Sumpfbiberfarmen sowie unzählige Chinchillazuchten in denen insgesamt ca. 270.000 Tiere untergebracht sind.

Quelle: offensive gegen die pelzindustrie

Bewegung