Ein Stolperstein für Paul Arthur Holke

Seit April 2006 erinnern in Leipzig so genannte „Stolpersteine“ an verschiedenen Orten an ehemalige Bewohner­_innen der Stadt, die vom Nazi-Regime verfolgt, deportiert und schließlich ermordet wurden. Mit neun Steinen wurde begonnen, seither sind knapp 80 hinzugekommen. Ähnliche Projekte werden bereits in mehr als 50 anderen europäischen Städten betreut. Jeder dieser Stolpersteine ist mit einer Messingplatte verankert, auf der der Name, der Jahrgang und das Schicksal der betreffenden Person eingestanzt sind. Diese werden meist in die Gehwege vor den ehemaligen Wohnhäusern der Deportierten eingelassen, um eine dauerhafte Erinnerung an die Personen zu schaffen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung ihr Leben verloren haben. Zudem findet jedes Jahr am 9. November eine Mahnwache an den verschiedenen Stolpersteinen statt. An diesem Tag werden die Steine von verschiedenen Organisationen gereinigt und Kerzen im Gedenken an die Opfer des NS-Regimes entzündet.

Die FAU (1) Leipzig beteiligt sich seit langer Zeit an diesem Projekt und putzte unterschiedlichste Steine verschiedenster Personen. Wodurch den Mitgliedern der Gewerkschaft auffiel, dass die anarchistische Geschichte in diesem Zusammenhang lei­der keine Beachtung findet. Einige Leute machten es sich nun zur Aufgabe eine Person aus der anarchistischen Bewegung zu finden, die die Voraussetzungen für einen Stolperstein erfüllt. Dazu gehört neben oben erwähnten Daten auch der Fakt, dass die betreffende Person durch dass NS-Regime zu Tode gekommen ist (was man durchaus auch kritisch sehen kann, da auch Menschen ein würdiges Gedenken zusteht, die misshandelt wurden oder im Widerstand waren). Wer sich schon einmal mit anarchistischer Ge­schichts­recherche beschäftigt hat, weiß, dass das kein leichtes Unterfangen ist. Quellen sind meistens rar gesät und sobald man hofft, auf ein Ergebnis gestoßen zu sein, ist der Inhalt häufig unbefriedigend knapp. So stellte sich das Unterfangen schwieriger dar als zunächst erwartet, aber wurde dann doch erfolgreich abgeschlossen. Arthur Holke, Mitglied der FAUD (2) Leipzig, entsprach dem Perso­nen­muster, welches zur Beantragung eines Stolpersteines nötig ist. Nach der Ausarbeitung einer Kurzbio­graphie wurden nun noch 130 € benötigt, um die Verlegung zu ermöglichen. Durch Spendenaufrufe der FAU und der Anarcho­syndika­lis­tischen Jugend Leipzig (ASJ) gelang es, das Geld innerhalb kurzer Zeit zusam­men­zubekommen. Dafür noch einmal herzlichen Dank an alle Spen­der_innen! Durch die Spendeneingänge konnte der Antrag vor Kurzem gestellt werden. Leider ist bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Antwort erfolgt, doch wird damit gerechnet, dass die Verlegung noch 2013 stattfindet.

Die Kampagne soll dieses Jahr sogar noch erweitert werden. Radio Blau und die Initiativgruppe „Mahnwache und Stolpersteine putzen“ des Friedenszentrum e.V. in Leipzig starteten vor Kurzem das Projekt „Hörstolpersteine“. Im Rahmen des Projekts haben sich mehrere Freie Radios aus Deutschland und Österreich das Ziel gesetzt, den Stolpersteinen eine weitere Dimension hinzuzufügen: Stolpersteinbiografien werden vertont. In Form von kurzen Radiobeiträgen erinnern die Hörstolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus. Ähnlich den Stolpersteinen auf der Straße tauchen sie unerwartet im Programm von Radio Blau auf, um aufmerksam zu machen und die Namen und Geschichten der Opfer zu bewahren. Es werden bis zum 9. November 2013, dem 75. Gedenktag der Reichspogromnacht, zu möglichst allen Stolpersteinen in Leipzig Hörstolpersteine erstellt und gesendet. Obwohl die FAU Leipzig, „ihren“ Stein noch nicht verlegen konnte, wurde einer Vertonung seitens des Stolperstein-Projektes schon zugestimmt.

Nach langer Arbeit und Recherche scheint es so, dass das Projekt nun konkrete Formen annimmt und die FAU Leipzig ihrem Ziel, über ein Stück anarchistische Geschichte in Leipzig zu „stolpern“, sehr nahe ist. Hoffen wir, dass die Mühlen der Bürokratie es nicht zunichtemachen!

Klaus Canzely

Paul Arthur Holke wurde am 12.01.1883 in Leipzig-Eutritzsch geboren. Er arbeitete als Installateur und war Mitglied der FAUD, wo er als Obmann und Reichsdelegierter in der „Gilde der freiheitlichen Bücherfreunde Leipzig“ tätig war. Bis 1913 war Holke Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Anarchist“. Er war ein wichtiger Akteur des ASY-Verlages (3) und übernahm ab 1930 das FAUD-Reichsarchiv. Ab 1933 war er Beisitzer der illegalen FAUD-Geschäftskommission. Im selben Jahr jedoch wurde Holke von März bis Mai zu einer „Schutzhaftzeit“ verurteilt. Als er am 13. April 1937 wegen illegaler Tätigkeit erneut verhaftet wurde, wohnte Holke in der Zentralstraße 11. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ wurde der Leipziger zwar zu einer ver­gleichsweise geringen Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, danach jedoch ins KZ Buchenwald eingeliefert, wo er 1940 den Tod fand.

(1) Freie Arbeiter_innen Union
(2) Freie Arbeiter-Union Deutschlands
(3) Anarchosyndikalistischer Verlag

Lokales

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