Ich möchte nicht Teil dieser „Bewegung“ sein

Das linksinterne Leipziger Montagsdemodilemma

Die Welle von Montagsdemos der sog. „Friedensbewegung 2014“ ist Ende März auch nach Leipzig geschwappt (siehe Artikel zuvor). Es geht, wie anderswo auch, um Frieden. Anlass dafür ist die aktuelle eskalationsfördernde Ukraine-Politik. Während sich hier – ähnlich wie noch immer in Berlin – am offenen Mikro anfangs vor allem Leute profilierten, die rechts- und verschwörungstheoretisch offen argumentierten, haben sich die Redebeiträge inzwischen verbessert.

In Leipzig haben einige linke Politaktivist_innen aktiv Einfluss genommen, um besseren Inhalt zu forcieren. Jetzt hängt montags auch ein großes Transparent mit dem Slogan „Nie wieder Krieg & Faschismus“ hinter dem Mikrobereich. Redebeiträge werden mit dem Orgakreis abgesprochen und jede_r, der_die sonst noch was sagen will, darf nur zwei Minuten das offene Mikro nutzen.

Trotzdem ist die grundsätzliche Beteiligung an den Montagsdemos zwischen Linken hier ein – zurecht – umstrittenes Thema. Erregte Gemüter diskutieren kontrovers bspw. auf diversen Gruppenplena miteinander, wie sich dazu verhalten werden sollte. Während die Einen aktiv mitgestalten, mobilisieren und provozieren die Anderen explizit dagegen – zum Teil mit zweifelhaften Nationallappen. Wiederum Andere versuchen die Demos zu ignorieren oder verfolgen die Entwicklung mit Interesse, ohne jedoch dazugerechnet werden zu wollen. Denn sie lehnen eine Identifikation mit dieser „Bewegung“ ab. Dazu gehöre ich auch.

Sag mir, wo du stehst…

Die Diskussionen drehen sich hauptsächlich darum, ob es sinnvoll und notwendig ist, in die Demos hineinzuwirken und durch fundierte Redebeiträge Rechte und Verschwörungstheoretiker_innen auszubremsen. Oder ob diese „Bewegung“ nicht besser ignoriert oder bekämpft werden sollte, weil sie Leute vor und hinter dem Mikro anzieht, die platte und oft falsche Botschaften bezüglich der Macht- und Weltpolitik verbreiten. Sollte man nicht die Empörung vieler Leute über die aktuelle Politik und Medienberichterstattung als Chance nutzen, um zur sinnvollen Politisierung und Gewinnung von neuen Leuten beizutragen? Oder muss eine Beteiligung abgelehnt werden, weil man nicht wollen kann, dass diese Bewegung in ihrem bundesweiten Charakter an Gewicht gewinnt?

Ich denke, dass Antworten auf diese Fragen nur generiert werden können, wenn man sich über die Ziele der Intervention verständigt. Wenn es darum geht, den Einen oder die Andere auf lokaler Ebene für fundierte Kritik an politischen Verhältnissen zu gewinnen, dann ist das vielleicht durchaus möglich. Schließlich sammeln sich derzeit wöchentlich auf dem Augustusplatz mehrere hundert Menschen, die sich nicht als politisch verstanden wissen wollen, sehr wohl aber von den aktuellen politischen Verhältnissen empört sind. Dabei repräsentieren sie einen bunten Haufen an Weltanschauungungen und Haltungen, die sich in alle erdenklichen Schubladen packen lassen. Einige davon sind sicher auch empfänglich für neue inhaltliche und auch kritische Impulse. Andere sicher nicht.

Oder geht es bei der Beteiligung an den Montagsdemos seitens linker Politaktivist_innen darum, den Rechten und anderen Spinnern einen Profilierungsraum zu nehmen? Dann ist das ein hehres Ziel, das ein hohes Engagement erfordert und letztendlich vielleicht auch in einer großen Enttäuschung endet. Weil sich Demagogen auch mit begrenztem Mikro auf dem Augustusplatz profilieren können. Und weil viele der anwesenden Leute recht oberflächlich so ziemlich alle beklatschen, die am Rednerpult bestimmte Reizwörter verwenden.

Besteht hingegen das Ziel darin, eine breite Friedensbewegung zu fördern, dann halte ich das Engagement im Rahmen einer Leipziger Montagsdemo für grundsätzlich falsch. Weil Leipzig bundesweit als Teil der sog. „Friedensbewegung 2014“ wahrgenommen wird, deren Ruf alle Alarmglocken leuchten lässt. Und weil das, was auf lokaler Ebene vielleicht „besser“ gemacht wird, bundesweit kaum Einfluss hat, vielmehr noch dazu beiträgt, das Treiben in anderen Städten harmloser erscheinen zu lassen.

…und welchen Weg du gehst

In Leipzig bemühen sich einige Linke, die mitmachen, auch um Abgrenzung zu Berlin und anderen Städten der „Friedensbewegung 2014“. Leider nur sehr halbherzig. Denn die immer noch aktuelle „Leipziger Erklärung“ ist schwammig formuliert, verhandelt zu viele (auch kritikwürdige) Themen und ist offen für so ziemlich alle und alles (1). Auch kann ich keine Abgrenzung zu Berlin erkennen, wenn ich vernehme, dass bspw. Ken Jebsen am 12.05. reden durfte. Und grundsätzlich klappt Abgrenzung zur „Friedensbewegung 2014“ auch nicht, wenn man unter der gleichen Fahne läuft bzw. die gleiche medial bekannte und verbrannte Methode „Montagsdemo“ nutzt.

Ich halte es für gefährlich den bundesdeutschen Kontext dieser Montagsdemo-Bewegung auszublenden, nur weil sich lokal vielleicht was bewegen lässt. Denn bisher ist völlig unklar wohin diese Bewegung marschiert. Und der eigene Einfluss erscheint dann groß, wenn man aus der Froschperspektive auf den Augustusplatz schaut. Diversen zweifelhaften Demagogen unwidersprochen das Feld zu hinterlassen, klingt aber auch nicht nach einer guten Lösung.

Im Grunde wünsche auch ich mir eine gute, breite und starke Anti-Kriegsbewegung. Aber nicht um jeden Preis. Ich möchte nicht Teil der bundesweiten „Friedensbewegung 2014“ sein, denn diese hat die Schmerzgrenze meiner Toleranz überschritten. Aber ich würde gern meinen Unmut gegen die hiesige Eskalationspolitik auf die Straße bringen. Und ich bin damit nicht allein. Dafür brauche ich eine Bewegung, die klare und konkrete Ziele verfolgt, Grenzen der Kooperation definiert und Aktionsformen nutzt, die nicht von der aktuellen Bewegung belegt sind. Vielleicht verliert man dadurch den ein oder anderen Menschen, der sich nicht als rechts oder links bezeichnen will. Vielleicht wird es dann keine Massenbewegung mehr. Aber schaden würde sie nicht.

momo

(1) Leipziger Erklärung: http://s14.directupload.net/images/user/140407/dazikgef.pdf

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