Interview mit Bon Courage

Beispiel und Vorbild für linken Aktivismus im Landkreis Leipzig

Bon Courage e.V. ist ein Bornaer Verein, der in Form von politischer Öffentlichkeits-, Aufklärungs- und Bildungsarbeit in die Gesellschaft hineinwirken möchte, um diese für ein solidarisches, von gegenseitigem Respekt geprägtem Miteinander zu sensibilisieren. Der Schwerpunkt vieler Projekte liegt zum einen auf der Unterstützung und Beratung von Asylsuchenden und zum anderen auf der Durchführung gedenkstättenpädagogischer Bildungsangebote.“

— Vorstellung aus Vereins-Homepage (www.boncourage.de, 16.05.16)

 

FA!: Wie würdest du eure Anfangszeit beschreiben?

Angefangen hat unser Projekt ungefähr 2006 in Borna. Damals waren die Leute, die an der Gründung des Vereins beteiligt waren, zwischen 16 und 18 Jahren alt. Wir hatten damals jedes Wochenende Probleme mit Nazis, weshalb wir uns glücklich schätzen konnten, Beistand von Leuten wie Frau Simone Luedtke (Die Linke) zu bekommen, die momentan in Borna als Oberbürgermeisterin amtiert. Persönlichkeiten wie sie haben uns entscheidend bei der Formierung und Gründung unseres Vereins unterstützt, der dann schließlich am 06. Januar 2007 ins Vereinsregister aufgenommen werden konnte.

 

FA!: Kann man euch einer besonderen politischen Bewegung zuordnen?

Als sich unser gemeinnütziger Zusammenschluss damals aus einem großen Freundeskreis und verschiedenen Einzelpersonen bildete, sahen wir uns als keine homogen gepolte politische Gruppe. In den grundlegenden Fragen stimmten wir natürlich überein, aber tatsächlich war es in erster Linie unsere gemeinsame Bestrebung, die Bevölkerung hinsichtlich der Neo-Nazi-Szene in Borna und der näheren Umgebung zu sensibilisieren. Dass der damalige Oberbürgermeister selbstbewusst verlauten ließ, dass es keine Nazis in Borna gäbe, hat uns da natürlich noch zusätzlich empört, aber selbstverständlich auch motiviert.

Natürlich hat sich dieses vielfältige Gefüge in unserem Verein nicht großartig verändert und wir führen manchmal immer noch sehr interessante Debatten über den Umgang mit brisanten gesellschaftlichen Themen, politischen Fragen, etc.

Nichtsdestotrotz würden wir uns generell als „linksgerichteter“ Verein beschreiben, der seinen Schwerpunkt auch in diesem Sinne bestimmt, also in Richtung von Themen wie Globalisierungs-, Gesellschafts- und Kapitalismuskritik oder eben auch Antirassismus und Öffentlichkeitsarbeit.

 

FA!: Was für Projekte und Aktionen konntet ihr in dieser Richtung denn schon verwirklichen?

Wir haben uns durchweg, aber vor allem in unserer Anfangszeit auf Bildungsprojekte konzentriert, um den Menschen der Bornaer Gegend ein detaillierteres Bild von der Nazi-Zeit und den Gefahren des Neofaschismus zu eröffnen. Besonders die Gedenkstättenfahrten zu ehemaligen KZs in Polen spielen dabei eine große Rolle, die wir seit 2008 regelmäßig organisieren. Außerdem haben wir noch zahlreiche andere Aktivitäten wie Filmvorführungen, Aktionstage, Schulungen oder auch Workshops in die Wege geleitet.

Allerdings mussten wir unglücklicherweise über die Jahre hinweg feststellen, dass es wirklich sehr schwierig ist, in einer Kleinstadt wie Borna gewisse Bildungsveranstaltungen durchzuführen, auch wenn manchmal Leute kommen und sich offen interessieren. Das ist uns insbesondere bei einer Workshop-Reihe aufgefallen, die wir von 2008 bis 2011 über mehrere Monate hinweg angeboten haben. Dort lag das Interesse nämlich buchstäblich bei null Prozent. Auch die geplante Etablierung eines öffentlichen Raumes oder Zentrums, in dem sich Jugendliche treffen und austauschen können, ist in den ersten Jahren nach unserer Vereinsgründung ein wichtiges Thema gewesen, bislang aber einfach an einigen praktischen Hürden gescheitert (Raum, Mithelfer, usw.).

Wir mussten also lernen, dass der Öffentlichkeit und den Regionalpolitikern oft genug mehr daran gelegen ist, ihre eigene, kleine Lebenswelt aufrechtzuerhalten, anstatt sich mit Kulturangeboten zu befassen oder diese gar zu fördern. Was das Thema „Sport“ betrifft, sieht die Situation schon wieder ganz anders aus, weshalb wir uns beispielsweise schon mit einigen „Refugees-Welcome-Turnieren“ in Borna eingebracht haben.

 

FA!: Also ist auch die Zusammenarbeit mit Geflüchteten ein wichtiges Thema für euch?

Ja, das auf jeden Fall, und ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass seit 2009 die Asyl-Frage mittlerweile sogar zu unserem Hauptthema geworden ist. Im Landkreis Leipzig waren wir sogar einer der ersten Vereine, die sich offen mit der aktuellen Problematik von Flucht und Vertreibung beschäftigt haben, auch wenn das öffentliche Interesse anfangs generell gering ausfiel. Trotzdem konnten wir uns schon bald entsprechender Solidaritätsbekundungen sicher sein, wie beispielsweise von lokalen Kirchenvertretern, was für uns auch einen gewissen Erfolg darstellt. So oder so ist und bleibt das aber nur die eine Seite der Medaille…

 

FA!: Es gibt also auch entsprechende Schwierigkeiten mit einigen Personen oder Interessengruppen?

Natürlich gibt es die. Mittlerweile werden wir von einem großen Teil der lokalen Gesellschaft akzeptiert. Manche loben uns ab und zu hinsichtlich unserer „guten Arbeit“, während andere unsere Aktivitäten natürlich dementsprechend kritisieren.

Das Feedback fällt also im Regelfall sehr unterschiedlich aus, und doch scheinen wir insbesondere einigen hiesigen CDU-Vertretern ein Dorn im Auge zu sein. Bis heute wurde gegen uns meinungstechnisch wirklich extrem in der Öffentlichkeit rumgeschossen. Uns wurden bei der Organisation von Programmen andauernd Steine in den Weg gelegt und wir mussten uns auch zur Genüge mit dem Vorwurf auseinandersetzen, eine linksextremistische Gruppierung zu sein. Zugegebenermaßen kann man auch durchweg andere böse Zungen hören, die einen hinterrücks oder auf offener Straße als „Bombenleger“ bezeichnen, aber die massivsten Gegendarstellungen werden scheinbar ständig von einigen Mitgliedern der CDU in die Welt gesetzt.

Besonders ein Workshop den wir damals mit der Roten Hilfe organisierten und einer mit dem Titel „Richtiges Verhalten auf der Demo“ haben für reichlich Aufregung gesorgt. Obwohl diese Meinungsmache gegen uns besonders in den ersten Jahren extrem war, ist dieser „Linksextremismus“-Stempel eine Sache die uns manchmal nahegeht, weil Vorwürfe dieser Art einfach völlig unbegründet sind.

Wirklich schwerwiegend geschadet hat uns das zwar noch nicht, aber potenzielle Kooperationspartner_innen können durch so ein aufgesetztes Image einfach ein falsches Bild bekommen. Ich glaube, dass wir mittlerweile dennoch ganz gut mit unserer Arbeit und den angegangenen Projekten überzeugen konnten, aber dieses Schubfach-Denken nach Links- und Rechtsextremismus kritisieren wir generell.


FA!: Besteht denn Aussicht darauf, dass der Konflikt in Zukunft beigelegt wird?

Ich glaube schon, dass das rein theoretisch gehen würde, aber vor allem hinsichtlich der lokalen CDUler bezweifle ich stark die Stabilität so einer Verständigung, obwohl es sogar in den Reihen dieser Partei einige Leute gibt, die sich hinter uns stellen und für deren Unterstützung wir auch dankbar sind.

Praktisch kann ich mir das allerdings nicht bzw. überhaupt nicht vorstellen, weil es eben wirklich einige Personen gibt, die wiederum sehr schrecklich sind. Dass sich gewisse Parteivertreter vor einiger Zeit sogar dazu herabgelassen haben, die Wohnorte von Bon Courage-Mitgliedern im Internet zu veröffentlichen, ist uns immer noch unverständlich. Wir haben Gesprächsangebote gemacht, aber es wurde leider nicht weiter darauf eingegangen. Obwohl man soviel gemeinsam rocken könnte, wenn man sich nur mal zusammenreißen würde, werden wir immer noch ignoriert oder auf einem Niveau angegriffen, das meistens weit unter der Gürtellinie liegt.

 

FA!: Wie würdest du die weitere Lage des politischen Aktivismus in der Provinz um Borna einschätzen?

Obwohl wir uns mittlerweile verstärkt landkreisbezogen engagieren wollen, konzentrieren sich unsere Aktionen und Projekte immer noch in erster Linie auf die Kreisstadt Borna. Deswegen kann ich keine besonders detaillierten Angaben zur Situation von Aktivisten in den kleinsten Einheiten machen, obwohl ich schon durchaus einige interessante und positive Unterschiede in kleineren Gemeinden beobachten konnte.

Beispielsweise kommen in der Kleinstadt Zwenkau eher Standard-Projekte, Unterstützerkreise, usw. zusammen, was eben sicher auch mit dem vertrauteren Verhältnis zusammenhängt, das dort und in überschaubareren Ortschaften existiert. Natürlich ist die Bevölkerungsdichte in Borna auch nicht so erheblich, aber es herrscht trotzdem ein relativ hoher Grad an Anonymität, selbst wenn man regelmäßig die gleichen Gesichter auf der Straße sieht.

 

FA!: Wie sieht die Zukunft von Bon Courage deiner Meinung nach aus?

Das ist schwer zu sagen. Ein brisanter Punkt ist die Tatsache, dass fast niemand der originalen Vereinsmitglieder in Borna geblieben ist. Wir sind zwar fast alle in Borna zur Schule gegangen und dort auch aufgewachsen, aber der überwiegende Teil von uns ist längst weggezogen (viele nach Leipzig) und mittlerweile berufstätig. Das schlägt sich natürlich auch in unserer aktuellen Mitgliederzahl nieder, die zu Anfangszeiten um die 60 betrug, mittlerweile aber bei ca. 40 Personen liegt.

Der Anteil, der nicht unterstützend, sondern aktiv den weiteren Werdegang von Bon Courage gestaltet, lässt sich wiederum auf 10 Personen herunterbrechen, die aber alle eben nicht in Borna wohnen.

Selbstverständlich bringt diese relativ geringe Größe des harten Kerns auch einige Vorteile mit sich, aber wir suchen trotzdem durchweg nach Interessenten und Ehrenamtlichen, die uns bei kommenden Aktionen, aber auch direkt in Borna helfend zur Hand gehen würden.

Solidarische Grüße an alle Mitglieder von Bon Courage e.V.!

balu

Anmerkung: Insbesondere nach dem Anschlag auf das neue Vereins-Büro, der in der Nacht vom 03. zum 04. Mai 2016 stattfand, ist Bon Courage e.V. über jede weitere Form finanzieller oder beratender Unterstützung dankbar. Die Täter, die dem Verein unbekannt sind, haben die Fensterscheiben der Räumlichkeiten mit Steinen zerschlagen und mithilfe von Stinkbomben (aus Buttersäure) versucht, die Zimmer unbenutzbar zu machen.

Für weitere Informationen, besucht bitte ihre Homepage: www.boncourage.de

 

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