Kiffen, Koksen, Saufen, Rocken, Sterben

Da werden sich einige unserer Stammleser_innen beim Anblick des Titelbilds gefragt haben, ob sie wirklich den neuen Feierabend! in den Händen halten oder wir das libertäre Leipziger Leitmedium mittlerweile an die Springer AG verhökert und uns einen Altersruhesitz in Plaussig-Portitz zugelegt haben.

Nichts von alledem, nur die Erleuchtung höchstselbst war es, die uns ereilte. Man kann ja schlechtes über‘s Missionieren sagen und meckern, pöbeln, motzen – doch eines hat uns schlicht die Augen geöffnet und uns zu dieser Titelbildhommage inspiriert.

Ein Buch, so voller Wahrheit und Offenbarung, dass schon der Titel mir sündigem Empfänger ein Gefühl der himmlischen Geborgenheit gab, bevor sich die 37 packenden Reportagen gänzlich in mir entfalten konnten. Nicht einfach nur ein paar Schritte weiter von der Hölle entfernt, sondern die Rettung meiner Seele zum Greifen nah.

Ein kurzer Griff zum Katholikentag war es auch, der das kleine ergreifende Büchlein in meinen Besitz brachte und der Soulsaverin*, die sich aufopferungsvoll dem Verschenken des „DyingStars“ verschrieben hatte, ein Lächeln auf‘s Gesicht zauberte. Vom Greifenden zum Ergriffenen durch fesselnde Biografien verstorbener Stars wie Michael Jackson, Amy Winehouse und James Brown. Und neben den eingehenden Beschäftigungen mit Toten einer auf den Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll-Punkt gebrachten Lebensweise auch höchst ironische Erkenntnisse wie in der Einleitung: „Party, Rausch, Musik und Sex und alles so oft und so exzessiv wie möglich. […] Das ist ganz schön kaputt und führt ins totale Elend. Einsam, krank und süchtig verenden sie als no name in irgendeinem dreckigen Loch.“

Richtig ernst wird es dann aber schnell, bspw. beim „Schriftsteller, Drogenkonsument und Waffenfetischist“ William S. Burroughs: „Er wurde 83 Jahre und ein reicher und berühmter Schriftsteller, der in dem letzten Drittel seines Lebens noch die erstaunlichsten Eskapaden in anderen Genres vollführte.“ Der Titel ist bei diesem Buch Programm, die meisten Biografien der verstorbenen Stars lesen sich, als hätten die Autor_innen hier wirklich selbst den Sex, die Drugs und den Rock‘n‘Roll im Blut.

Über Ahmet Ertegun, den Begründer von Atlantic Records, der sich nach erfülltem Musik-Leben und anderen unternehmerischen Höhepunkten im Alter von ebenfalls 83 Jahren auf einem Stones-Konzert durch einen Sturz eine Gehirnblutung zuzog, an der er später verstarb, heißt es: „Ein würdiger Rock‘n‘Roll-Abgang: Er starb wirklich für seine Leidenschaft!“

So klar die betörende Botschaft auch sein mag, rhetorische Fragen à la „Ist es wirklich so erstrebenswert, als Star in die Annalen der Geschichte einzugehen? Ist es wirklich erstrebenswert, ein Leben im rhythmischen Rausch zu führen?“ konnten mich nicht über die bittere Wahrheit hinwegtäuschen: „Alle Träume, die uns Hollywood und die Popindustrie verkaufen, werden spätestens mit dem Tod wie Seifenblasen zerplatzen.“ Hier holten mich die Autor_innen dann vom Himmel wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Durchsetzt werden die morbid-motivierenden Reportagen immer wieder mit Ratschlägen und Zitaten eines gewissen Jesus. Hier haben die Soulsaver mich leicht in die Irre geführt, letztlich aber wahren Einblick in die Tiefen des Rock‘n‘Roll bewiesen. Denn dass gerade der als Jesus Christ Allin geborene „commanding leader and terrorist of Rock‘n‘Roll“** GG Allin dem Buch posthum einen roten Faden verleihen darf, ist angesichts der mannigfaltig beschriebenen Exzesse eine Offenbarung ohnegleichen.

Eine unbedingte Leseempfehlung also, dieses kleine Büchlein mit dem gewaltigen Inhalt sollte seinen Platz neben jeder gut sortierten Feierabend!-Sammlung finden. Wer nicht das Glück hat, bei einem Katholikentag ein Exemplar persönlich überreicht zu bekommen, bestellt es am besten bei soulbooks.de zusammen mit dem Vorgänger „Rock im Sarg“. Im 100er Pack.

Danke Soulsaver, rock on!

shy

 

*http://soulsaver.de

**aus: „GG Allin Manifesto“

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