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BUKO goes Leipzig!

Der BUKO-Kongress ist der jährlich stattfindende Kongress der Bundes­koordination Internationalismus. Diese fokussiert eine emanzipatorische Politik, will eine radikale Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse schaffen und thematisiert internationalistische soziale Bewegungen. Mehr Infos zur BUKO findet ihr auf: www.buko.info.

Der BUKO-Kongress fand bisher in verschiedenen Städten statt und wird in Zusammenarbeit einer lokalen Vorbereitungsgruppe, dem BUKO-Büro und einem bundesweiten Vorbereitungsnetzwerk ausgetragen und von verschiedensten Gruppen und Personen thematisch gestaltet und besetzt.

Dieses Jahr wird der BUKO-Kongress vom 29. Mai bis 1. Juni in Leipzig stattfinden. Als lokale Vorbereitungsgruppe suchen wir gerade nach geeigneten und kostenminimal nutzbaren Räumen, bereiten die thematische Ausrichtung vor, finden Wege und Möglichkeiten der Finanzierung und Versorgung und treffen weitere infrastrukturelle Vorbereitungen.

Schwerpunktthemen sind die Kämpfe für ein Recht auf Stadt und umkämpfte Stadtentwicklung und das Thema Migration und Rassismus sowie deren sozio-ökologische Herausforderungen. Besonderer Fokus liegt dabei auf einer feministischen Perspektive, unter der die Themen erschlossen werden sollen. Die internationalistische Perspektive und internationale Beteiligung und Besetzung des Kongress ist uns nicht minder wichtig. Dies soll sich in den Themen der Inputs, Vorträge und Diskussionen und der Besetzung durch Redner*innen widerspiegeln. Außerdem wollen wir nicht nur theoretische Analysen der Themen anbieten, der Kongress soll vor allem eine aktionistische und praxisorientierte Perspektive schaffen.

Recht auf Stadt (RaS)

Anlass für die Schwerpunktsetzung ist die aktuelle globale Relevanz der Kämpfe um Stadt und Wohnraum – seien es Kämpfe gegen Zwangsräumungen in Spanien, gegen Verdrängungen in Rio oder gegen den neoliberalen Umbau von Istanbul. Daneben wollen wir einladen, sich über den Stand der RaS-Bewegung in Deutschland auszutauschen. Und last but not least wollen wir die Debatte in Leipzig voranbringen – einer Stadt, die auf der einen Seite gerade „das neue Berlin“ werden soll und zu „Hypezig” umgeschrieben wird, da sie tatsächlich noch zahlreiche Freiräume bietet, auf der anderen Seite aber zusammen mit Dortmund Armutshauptstadt der Republik ist. Wir wollen Anstoß liefern für lokale wie globale Vernetzung und eine kraftvolle Bewegung, die ein Recht auf Stadt einfordert.

Folgen der kapitalistischen Verwertung sind Verdrängung, Ausschluss und Zwangs­­­räumungen, die soziale Frage stellt sich vermehrt als Wohn- und Raumfrage.

Wie können wir die Vergesellschaftung von Wohnraum auf die Agenda setzen und den utopischen Überschuss eines Rechts auf die Stadt erkunden? Wie können Marginalisierte neben „weißen“ Mittelschichten in den Stadtinitiativen zu Wort kommen? Wie rücken wir die kapitalistische Verwer­tung der Städte statt die Zuziehenden bzw. die Kreativen und Künst­­ler*innen in den Fokus der Kritik?

Auch die Selbstorganisation von Geflüchteten gegen Isolierung und zentrale Unterbringung sind Kämpfe um ein Recht auf Stadt. In der Ethnisierung städtischer Räume oder Racial Profiling zeigt sich die rassistische Dimension der Stadtentwicklung und -kontrolle. Doch wie können Verbindungen in der politischen Praxis hergestellt werden? Kann die Brücke zu sozial-ökologischen Fragen über die Rekommunalisierung städtischer Energieversorgung geschlagen werden? Wie sieht eine feministische Perspektive auf Wohnen als Teil der Reproduktionssphäre oder den exklusiven Zugang zu städtischen Ressourcen und Infrastruktur aus?

Migration & Rassismus

Die Relevanz einer Diskussion und Analyse der Themen Migration und Rassismus erschließt sich für uns aus der derzeitigen Veränderung antirassistischer und migrantischer Kämpfe einerseits, sowie aus dem Wandel rassistischer Diskurse und Mobilisierungen in Politik und Öffentlichkeit als auch massiver repressiver Grenzpolitik andererseits. Wichtiger Ausgangspunkt ist für uns die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Positionierung, unseren Verstrickungen und Handlungsmöglichkeiten.

Nicht nur in der BRD gewinnen widerständige Proteste von Geflüchteten und Mi­grant*innen zunehmend an Präsenz und öffentlicher Wahrnehmung. All diese Kämp­fe und tägliche grenzüberschreitende Migration zeigen deutlich, dass das überholte Bild der „Festung Europa” und damit verbundene koloniale Kontinuitäten grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen.
Gleichzeitig rücken Asylpolitik und Geflüchtete in den Fokus rassistischer Diskurse in Öffentlichkeit und Medien. Mobilisierungen gegen und Angriffe auf Asyllager nehmen zu und zeigen die ge­fährlichen Auswirkungen eines rassistischen Normalzustands in der BRD.

Die staatliche Regulierung von Migration folgt einer kapitalistischen Logik, welche den öffentlichen und politischen Diskurs maßgeblich beeinflusst.

Wir fragen uns, wie antirassistische Kämpfe unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen aussehen können und welche Perspektiven es für sie gibt. Wie hängen die Proteste und Streiks gegen die schikanöse Behandlung Asylsuchender durch den UNHCR in Tunesien mit den Protesten Geflüchteter im Zentrum Europas zusammen? Wie können die Ursachen für Migration und Flucht mit postkolonialen und feministischen Perspektiven und vor dem Hintergrund einer kapitalistischen Krise analysiert werden? Welche Rolle spielt dabei der Zugriff auf Ressourcen für die Aufrechterhaltung eines Lebensstandards, den sich nicht alle leisten können? Wie sehen Grenzkämpfe und Strategien der Migration an den Grenzen Europas aus und wie können wir uns vernetzen, um diese zu unterstützen? Wie kann eine Unterstützung migrantischer Proteste durch „Weiße“ deutscher Staatsbürgerschaft aussehen?

Anspruch & Beteiligungsmöglichkeiten

Wir wollen auf dem BUKO einen Raum für Austausch und Vernetzung unterschiedlicher Aktivist*innen und Interessierten schaffen. Dieser kann von einem inhaltlichen Austausch, Workshops und Diskussionen bis hin zu direkten Interventionen und Aktionen in der Stadt reichen. Wir wollen, dass der Kongress in der Stadt Leipzig Präsenz zeigt, und hier sowohl Spuren hinterlässt als auch Aufmerksamkeit schafft.

Um ein möglichst vielfältiges Programm sowie noch weitere Anregungen und Perspektiven in das Programm zu integrieren, würden wir uns über (inter­nationale) Beteiligung, Unter­stützung und Anregungen freuen!

Wenn ihr den BUKO 36 also mitgestalten und unterstützen wollt, meldet euch unter:
buko_leipzig@buko.info und kommt zu unseren Vorbereitungstreffen.

Die Leipziger Vorbereitungsgruppe für den BUKO 36

BUKO braucht Kohle
Natürlich braucht die BUKO auch finanzielle Unterstützung, um die Organisation des Kongresses zu stemmen. Neben Soli-Parties und Gelder von Stiftungen sind wir auch auf eure Spenden angewiesen.
Wir freuen uns daher über jede Spende an folgendes Konto:

Verein zur Förderung entwicklungspädagogischer Zusammenarbeit
Ev. Darlehnsgenossenschaft eG Kiel
BLZ 210 602 37
Knt.: 234 389
Gläubigeridentifaktionsnummer für SEPA-Lastschriften: DE25ZZZ00000022314
Bei Überweisungen aus dem Ausland:
IBAN DE 64 2106 0237 0000 2343 89
BIC bzw. SWIFT GENODEF1EDG

Spenden sind steuerlich absetzbar. Bis 100 EUR gilt der Einzahlungsbeleg als Quittung gegenüber dem Finanzamt.

Krise – da war doch was?

Alle reden von der Krise. Über fünf Millionen Einträge gibt es dazu im Internet, der Washington Post zufolge sprach Obama seit 2009 in seinen Reden ganze 330 Mal von der Krise und täglich gibt es neue Krisenmeldungen. Doch womit haben wir es zu tun, wenn das mittlerweile inflationär verwendete K-Wort fällt?

Ein Blick über den Tellerrand zeigt, die Krise ist nicht neu und lässt sich nicht auf eine Finanz- oder Wirtschaftskrise reduzieren. Angesichts der politischen Entwicklungen in der Eurozone handelt es sich ebenso um eine Legitimationskrise – Papandreou lässt grüßen – wie gleichzeitig auch um eine globale Klima-, Energie- und Ressourcenkrise. Kurz: Es sind multiple Krisen, die sich gegenseitig bedingen und verstärken. Während der zähe Ver­handlungskampf um die Höhe der so genannten Rettungsschirme oder das zulässige Maß der Staatsverschuldung die aktuelle Berichterstattung dominieren, und Proteste gegen die aufgezwungenen Sparhaushalte nur am Rande erwähnt werden, steht die verschärfte ökologische Krise im medialen Schatten. Zu Unrecht, denn sowohl die soziale, als auch die ökologische Krise sind eng mit der Wirtschafts- und Finanzkrise verzahnt. Schließlich basiert der kapitalistische Produktionsprozess nicht nur auf der Ausbeutung von Arbeitskraft und auf billigen fossilen Energieträgern, sondern auch auf der fortschreitenden Privatisierung gesellschaftlicher Prozesse und der Inwertsetzung bisher unangetasteter Elemente der Natur.

Vor allem letzteres produziert besonders im Globalen Süden massive sozial-ökologische Verwerfungen. Beispielsweise spekulieren Investment-Fonds auf Nahrungs­mittelpreise, treiben damit die Getreidepreise derart in die Höhe, dass Länder den Import von Lebensmitteln nicht mehr bezahlen können und in Folge die lokale Bevölkerung hungert. Ähnlich verhält es sich beim Land Grabbing, der weltweiten Aneignung von Land durch Konzerne und Staaten, oder beim Abbau natürlicher Ressourcen für boomende grüne Wirtschaftszweige. Doch auch im Globalen Norden sind Menschen, die wenig Rentabilität versprechen, von ökonomischer Ausgren­zung betroffen. Allein in Deutschland beläuft sich die Zahl der Haushalte, die auf Grund unbezahlter Rechnungen zeitweise von der Energieversorgung abgeschnitten sind, auf 800.000.

Die propagierten Lösungen für die aktuellen Krisen und Krisenerschei­nun­gen des Kapitalismus bewegen sich dennoch innerhalb des bestehenden Systems, unterliegen marktkon­for­men Sachzwängen und ignorieren das bestehende Machtgefälle. Die Folge dieser herr­schafts­förmigen Bearbeitung? Die scheinbare Lösung eines Problems verschärft lediglich ein anderes: Der Agro-Sprit verspricht der Klimakrise beizukommen, während jedoch für den Anbau nicht nur große Flächen des Amazonas abgeholzt werden, sondern auch gleich ganze Bevölkerungsgruppen dem neuen Exportschlager weichen müssen. Vergleichbares gilt in Bezug auf Elektroautos: Anstelle das Konzept des Individualverkehrs und damit die Aspekte des Lebensstil im Globalen Norden in Frage zu stellen, werden neue Jobs im „green business” bejubelt, während stillschweigend der Lithium-Abbau unter fragwürdigen Arbeits­be­din­gungen und mit ökologischen Katastrophen voranschreitet. Ob und wenn ja, wer in Bolivien von diesem Boom profitiert, bleibt außen vor.

Die hegemoniale Rezeptur zur Krisenbewältigung liest sich ähnlich wie ein Kochrezept von Jamie Oliver: Ein bisschen grüne Technologien hier, ein wenig erneuerbare Energien da, großzügiges Beimischen von gekürzten Staatsausgaben, je nach Bedarf eine Messerspitze gesetzliche Richtlinien oder Privatisierungen. Dann alles den Grundzutaten Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und hohe Renditen beimischen, kurz umrühren, und fertig ist der Einheitsbrei, der uns je nach Gusto als „Green New Deal“ oder „Green Economy“ serviert wird. Wie jedoch auf die multiplen Krisen zu reagieren ist, um die nötigen, tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen zu erreichen, muss noch (weiter) ausbuchstabiert werden.

Klar ist: Die derzeit an Griechenland durchexerzierten neoliberalen Krisenmaßnahmen sind weder neu, noch wirksam. Vielmehr erinnern sie an die Strukturanpassungsmaßnahmen mit deren Hilfe bei­spielsweise Subsahara-Afrika in den 1980er Jahren aus der Schul­denkrise kommen sollte. Doch die gekürzten Staatsausgaben, massiven Privatisierungen und kompetitive Wechselkurse etc. haben nicht zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Menschen vor Ort beigetragen, ganz im Gegenteil. Der enge Fokus auf technologische und marktbasierte Lösungen hat nicht nur eine entpolitisierende Wirkung, sondern führt letztlich dazu, dass sich im globalen Machtgefüge nichts ändern muss. Mit herrschaftsförmigen Analysen der Krise und den gängigen „Bewältigungsstrategien“ ist also wenig gewonnen, aber viel verloren.

Aus emanzipatorischer Perspektive ist es dennoch wichtig, zu sehen, dass die aktuellen Krisen nicht per se in einen drohenden Weltuntergang münden müssen. Krisen eröffnen immer auch die Chance für grundlegendes Umdenken. Diese Möglichkeit wollen wir auf dem BUKO Kongress 2012 nutzen, um gemeinsam zu diskutieren, uns zu vernetzen und den Handlungsraum zu erweitern.

(die lokale Vorbereitungsgruppe des BUKO34-Kongress)

Theorie & Praxis