Wenn Premierminister sterben…

Am 12. März diesen Jahres (2003) wurde der serbische Premierminister Zoran Djindjic auf offener Straße, am hellichten Tag erschossen. Die Mainstream-Medien ergingen sich in den folgenden Tagen in Wehklagen, nun stünde es um die Demokratie in Serbien schlecht. Selbstredend, dass dies – wie auch sonst – nur eine stark eingeschränkte Sicht der Dinge ist. Doch gerade zu der „Akte Djindjic“ gibt es noch eine ganze Menge spannender „Details“, die es lohnt zu kennen, da sie viel über diese „Demokratie“ erzählen.

Dies war nicht der erste Anschlag auf Djindjic. Schon am 21. Februar versuchte jemand, den Premier auf dem Weg zum Flughafen zu ermorden. Wer war Djindjic, und wieso hingen die westlichen Demokraten so an ihm?

Unter dem jugoslawischen Präsidenten Tito war Zoran Djindjic Dissident gewe­sen, der mit anderen Gleichgesinnten in der BRD Zuflucht fand. Nachdem er nach Belgrad zurückgekehrt war, war er 1989 einer der Gründer der Demokratischen Partei, welche eine der größten Anti-Milosevic-Parteien war. 1996 erlangte Djindjic internationale Berühmtheit, als er Massendemonstrationen gegen Milo­sevic koordinierte. Der Lohn für dieses Engagement war der Posten des Belgrader Bürgermeisters.

Während des NATO-Angriffs auf Jugos­lawien flüchtete er nach Montenegro. Nach dem Ende des Krieges unterstützte er Kostunica im politischen Kampf gegen Milosevic. Kostunica wurde Präsident von Jugoslawien und Djindjic Premierminister von Serbien. 2001 lieferte Djindjic Milosevic gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, vieler serbischer Politi­ker und Kostunicas an das Haager Tribu­nal aus.

Djindjic verfolgte eine neoliberale Politik, sein technokratisches Auftreten und sei­ne Medienmanipulation ließen ihn in Serbien, dem ärmsten Staat des Balkans immer unbeliebter werden.

Die Stimmung heizt sich auf

Täglich protestierten damals mehr als 15 000 Arbeiter/innen gegen ihn, 900.000 wurden gefeuert (12,86 Prozent der bei einer Bevölkerung von 7 Millionen), soziale Unruhe kam auf. So­ziale Bewegungen wie u.a. „Another World is possible“ („eine ande­re Welt ist möglich“) nahmen Gestalt an und begannen, sich der Politik des Interna­tionalen Währungsfonds (IWF) zu wider­setzen. Dessen Politik beinhaltet in der Hauptsache Einschränkungen der Staats­ausgaben, was vor allem in sozialen Be­reich umgesetzt wird, Abwertungen der Währung, was die Produkte verteuert, und Privatisierungen im großen Maßstab.

In Bezug auf politische Parteien gab es in den letzten Jahren einen Machtkampf zwi­schen Kostunica und Djindjic. Der Machtkampf wurde zugunsten von Djindjic entschieden, nachdem Jugos­lawien durch die Union von Serbien und Montenegro ersetzt wurde. Kostunica stand nun ohne Amt da, zurückgeworfen auf Oppositionsarbeit. Doch Djindjic konnte sich letztlich nur wenige Wochen an diesem Sieg erfreuen…

Hier setzen die Spekulationen ein, wer den frischgebackenen Premier umgebracht hatte, der den westlichen Demokratien offensichtlich so genehm, weil zutraulich war.

Eine Theorie besagt, er sei ein Opfer sei­ner eigenen Allianzen geworden. Im ehe­maligen Jugoslawien hat sich in den letz­ten Jahren, wie auch in anderen Staaten, eine Klasse von neureichen Oligarchen gebildet, die unter Milosevic, wie Kos­tunica und Djindjic protegiert wurden. Ein anderes Szenario interpretiert die Er­mordung Djindjics als Komplott, der mit den Rivalitäten zwischen Berlin und Was­hington zusammenhängt. Möglicherweise wurde er von albanischen Nationalisten umgebracht, die im Süden Serbiens an Einfluss und Stärke gewinnen.

Gleich, welche Theorie nun mehr Wahr­heit enthält: der Kreis der neoliberalen Technokraten um Djindjic wird daraus zu profitieren wissen. Ebenso könnten sich nun mafiöse Strukturen, sowie die Natio­nalisten ermutigt fühlen. Am wahrscheinlichsten scheint wohl die Annahme, dass die neoliberalen Kräfte die­se Situation nutzen werden, um ihr Pro­jekt voranzutreiben. Insofern hat sich nicht viel geändert…

hannah

Nachbarn

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