In den letzten Monaten kam es bundesweit immer wieder zu zahlreichen „Spontandemos“. In Leipzig demonstrierten Menschen aus verschiedenen Spektren u.a. gegen Naziübergriffe, die Räumung des Kopenhagener „Ungdomshuset“ und die Repressionsflut gegen vermeintliche „gewalttätige GlobalisierungskritikerInnen“ sowie jegliche Form der Repression.
Bei diesen Demos ging die Initiative spontan von losen Zusammenhängen und Einzelpersonen aus. Es gab keine Vorbereitung sowie keine planenden und koordinierenden Gruppen. Es lohnt also, sich mal ein wenig Zeit zu nehmen und sich mit den Besonderheiten von „Spontandemos“ auseinanderzusetzen, denn auch spontane Demos sind „richtige“ Demos, weisen aber ein paar nicht unwichtige Besonderheiten auf, die es zu beachten gilt, um unsere Sache auch spontan auf der Strasse vertreten zu können. Dies soll keine Abschreckung sein, sondern Euch vielmehr ermutigen, auch spontan Eure Meinung, Eure Wut oder auch mal Eure Freude auf die Strasse zu tragen. Ihr solltet Euch nur im Vorfeld fragen, ob ihr in der Lage seid, die Situation zu überblicken und vielleicht den einen oder anderen Punkt dieses Textes berücksichtigen.
Juristisch gibt es die Unterscheidung in „normale“ Demonstrationen, Eildemos und Spontandemos. Generell besteht immer die Pflicht bis spätestens 48 Stunden vor Veröffentlichung der Aufrufe (und nicht erst vor Beginn der Demo) eine Demo anzumelden.
Bei Eildemos kann diese Frist der 48 Stunden nicht eingehalten werden. Trotzdem müssen Eildemos beim Ordnungsamt (z.B. auch telefonisch) angemeldet werden.
Der Unterschied zwischen „normaler“ und Eildemo einerseits und Spontandemo andererseits ist nun, dass letztere sich wegen des aktuellen Anlasses sofort bildet, keinen verantwortlichen Veranstalter und -jedenfalls erstmal- auch keineN (verantwortlicheN) LeiterIn benötigt. Spontandemo heißt also, dass die Demo wegen des aktuellen Anlasses so dringend ist, dass keine Zeit für eine Anmeldung bleibt bzw. das Ordnungsamt schon geschlossen hat.
Wichtig ist es noch zu beachten, wer der Polizei eigentlich als VeranstalterIn einer Demo gilt: Sobald eine Gruppe oder eine Person im Vorfeld erkennbar die Verantwortung für eine Demo übernimmt („deutlich hervorgehobene vorbereitende organisatorische Funktion“), gilt sie als VeranstalterIn und ist damit prinzipiell anmeldepflichtig. EinE feststellbareR VeranstalterIn macht sich durch Unterlassen der Anmeldung grundsätzlich strafbar.
Eine Demo, die trotz mehrstündiger Mobilisierung nicht angemeldet wurde, kann – muß aber nicht – von der Polizei aufgelöst werden. Gegen diese Auflösung kann natürlich sofort eine Spontandemo durchgesetzt / versucht werden…
Bei Nichtauflösung kann die Polizei gegenüber der Menge oder Delegierten oder einer spontan gewählten, leitenden Person Auflagen bestimmen bezüglich Route, Dauer, Transpis usw. Da hiergegen schnell genug kein Rechtsschutz möglich ist, kommt es dabei ausschließlich auf die Verhandlungen vor Ort und v.a. eine realistische Einschätzung der Kräfteverhältnisse an. Es ist also wichtig für euch einzuschätzen, welche Forderungen Sinn machen und diese gegenüber den Bullen auch zu vertreten. Dafür können die TeilnehmerInnen einer Spontandemo einE LeiterIn „wählen“, die dann als VerantwortlicheR mit der Polizei, z.B. über die Route usw. verhandelt. Wichtig ist, dass dieseR LeiterIn die Demo nicht als VeranstalterIn anmelden/sich verantwortlich erklären muss, da es bei einer Spontandemo ja gerade keineN VeranstalterIn gibt. Ebenso spontan können sich auch OrdnerInnen finden.
Es kann also unter bestimmten Umständen sinnvoll sein, einE LeiterIn der Demo zu wählen um die Verhandlungen mit den Bullen zu vereinfachen. Lasst euch aber nicht verunsichern und lehnt jede Verantwortung als VeranstalterIn gegenüber den Bullen ab. So kann die Verantwortung, die sich aus dem Versammlungsgesetz für die einzelne Person ergeben würde, abgewendet werden und es erscheint niemand namentlich als VeranstalterIn bei den Bullen.
Außerdem gibt es noch ein paar Sachen, die mensch beachten sollte, um den Bullen die Auflösung der Veranstaltung nicht zu einfach zu machen. Eine spontane Demo ohne Veranstalter liegt nämlich definitiv nicht vor, wenn z.B.
– aufwendig neu gemalte Transpis,
– Aufrufe mit ViSdP (Verantwortlich im Sinne des Presserechtes),
– lange und deshalb nachweisbar vorgefertigte Redebeiträge usw. vorhanden sind.
Nicht gegen eine spontan durchgeführte Demo sprechen dagegen alle Dinge, die entweder schon vorhanden sind (Megaphone, alte Transpis, Fahnen, evtl. auch ein Lauti) oder die sehr schnell hergestellt werden können (z.B. Handzettel, nicht abgelesene Redebeiträge usw.).
Entscheidend für die Durchführung einer Spontandemo ist die Dauer der Mobilisierung. Wenn Ihr z.B. ein Posting auf Indymedia stellt und das Stunden bevor es eigentlich losgehen soll, könnt Ihr ziemlich sicher sein, dass die Polizei das mittlerweile auch weiß und unter diesem Argument die Demo unter Umständen auflösen kann. Weniger sicher weiß die Polizei bei SMS-Ketten im Vorfeld Bescheid und möglicherweise keinen blassen Dunst hat sie bei der alten Taktik der Mund-zu-Mund-Propaganda.
Nicht zuletzt weiß mensch nie genau, was auf dem weiteren Verlauf der Demo so passieren wird, deshalb gilt auch und besonders bei Spontandemos das kleine Demo-Einmaleins! (1)
Eine ganze Menge also, was man im Kopf behalten sollte für die nächste Spontandemo! Und zu alledem besonders eins: Lasst euch nicht einschüchtern von den Tricks der Polizei!
(EA Leipzig)
(1) ein beständiger Link zum Demo-1×1: xttp://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/antirepression/rechtshilfe/hilfe2.htm oder in jedem „WasTunWennsBrennt“