Von Pommes, Bomben…

…und den Worten

Wir leben in aktiven Zeiten. Überall auf dem Gebiet der politischen Äußerungen herrscht Bewegung. Die Forderung nach Frieden angesichts der kriegerischen Mittel aktueller ‚Diplomatie’ zieht sich durch die gesamte gesellschaftliche Breite.

Ob nun die regenbogenfarbene Peace-Fahne vom Fenstersims weht oder wir am Montag gemeinsam um den Leipziger Innenstadtring laufen, friedensbewegt sind zur Zeit fast alle.

Wenn auch die Art des Friedens, den wir fordern und die Adresse an die wir unseren Protest richten zum Teil stark voneinander abweichen. Doch nicht nur Fahnen schwenken und zur Demonstration gehen, sind heutzutage Mittel, um in der Öffentlichkeit eine Meinung zu äußern. Es geht auch ganz anders. So startete z.B. der Verein „Sprache in der Politik“ (1 ) am 30. März 2003 einen Aufruf (2) zu einer Sprachdemo, in dem sie vorschlagen, dass „alle Deutschsprachigen [.….], anstelle der englischen wieder vermehrt französische Lehnwörter“ verwenden.

Mit diesem Vorgehen werden klare Feindbilder konstruiert und gleichzeitig Normen festgelegt, was ‚pc’ (politically correct) ist und was nicht. Angesichts der politischen Lage wäre es daher nur logisch, dass der friedliebende Mensch den französischen Ausdrücken (Gallizismen) mit Sympathie gegenüber steht, während er die englischen Formen (Anglizismen) als Sprache der Kriegstreiber erkennt und ablehnt. Den Anspruch, als Leitkultur für Europa zu dienen, hätten die USA mit Ihrer Politik verwirkt. Denn, „wer unrechtmäßige, z.T. sogar unmoralische Politik betreibt, kann kein Vorbild sein“. Mit dieser friedlichen Sprachdemo könne also deutsch-französische Solidarität geübt und den USA ihr Ansehensverlust auf dem internationalen Parkett vorgeführt werden.

Soweit die Argumentation des Vereins der Sprachpfleger. Die ernsthafte Absicht ihres Aufrufes wird bestärkt durch eine Liste mit französischen Ersetzungen für englische Ausdrücke, die im deutschen Sprachgebrauch verwendet werden.

Hier tauchen Wortpaare wie ‚Bonvivant für Playboy / Chef für Boss / Formidable für Cool / Sofa für Couch / Tristesse für Sadness’ auf. Bei einigen stellt sich die Frage, ob der ‚Boss’ nicht schon immer eher der ‚Chef’ war und das ‚Sofa’ nicht seit jeher die gebräuchlichere Bezeichnung für eine ‚Couch’.

Andere Anglizismen, wie ‚Sadness’ (Traurigkeit) oder auch ‚Basement’ (Keller) dürften den wenigsten als typische Formulierungen innerhalb der deutschen Sprache aufgefallen sein. Demnach erübrigt sich die Ersetzung durch die französischen Formen ‚Tristesse’ und ‚Souterrain‘.

Die Aufstellung macht den Eindruck eines beliebig zusammengewürfelten Worthaufens. Zu mehr als einer kleinen Vokabelliste oder der Belustigung, lässt sich dieser Vorschlag wohl nicht verwenden. Oder kann sich jemand vorstellen, das einschlägige Nacktfotomagazin „Playboy“ würde sich aus Solidarität in „Bonvivant“ umbenennen oder Thomas Gottschalk wäre bereit sich von einem ‚Showmaster’ in einen ‚Conférencier’ umschulen zu lassen? Und wer würde die neuen Formen tatsächlich verwenden? Wahrscheinlich niemand. Es ist daher zu kurz gedacht, Protest durch den Boykott einer Sprache auszudrücken. Zumal die USA und Großbritannien neben Australien zwar die größten Länder mit Englisch als Muttersprache sind, daneben aber immerhin noch 45 Nationen Englisch als Amtssprache (3) verwenden.

Wer ist hier der Feind: Das Mittel Sprache, dessen sich bedient wird, um kriegerische Machenschaften zu legitimieren oder die Institutionen und Menschen, die die Sprache zu manipulatorischen Zwecken nutzen?

Es wirkt zudem sehr opportunistisch, die USA und Großbritannien auf die dunkle Seite der Macht zu stellen und im Gegenzug, u.a. die Regierungen von Frankreich und Deutschland als die Guten zu präsentieren. Diese Darstellung betrachtet einen zu kurzen Zeitraum. Um die Glorifizierung zu entblößen, bedarf es nur eines kleinen Rückblickes in die Jahre 1998/99, als die rot-grüne Regierung mit allen Mitteln der Propaganda und Argumentehascherei die öffentliche Meinung auf den ‚unabwendbaren’ Kriegskurs im Kosovo einzuschwören versuchte.

Auch damals war die Wortwahl ein deutlicher Ausdruck der Politik, die im jeweiligen Land gemacht wurde. Doch niemand rief dazu auf, deutsche Worte durch…, „ja durch was denn nun?“ zu ersetzen. Welche Sprache wäre es wohl, deren Sprecher in einem Staat lebten, der nicht schon einmal Krieg geführt, Menschen getötet und unterdrückt oder ausgebeutet hätte? Daher ist es ein unzulässiger Ansatz, den Protest gegen eine Regierung und ihre Politik über den Boykott der Sprache der EinwohnerInnen auszudrücken.

Viel kritikwürdiger aber ist hier das Verhältnis zwischen den wenigen Mächtigen und den vielen Ohnmächtigen. Wenn die Entscheidungsträger in den Regierungen sagen: „Wir müssen Krieg führen!“, die Menschen auf der Straße aber rufen: „Wir wollen Frieden!“ und am nächsten Tag die Bomben über Bagdad fallen, ist es mit der real existierenden Demokratie nicht mehr weit her. In dem Moment, wo eine Regierung solch eine Entscheidung fällt, um ihre Macht zu demonstrieren oder Standortvorteile zu wahren, hat sie sich ihrer schalen Legitimation selbst enthoben. Jede ohnmächtige Stimme, die durch ein System von oben und unten produziert wird, sollte alle verantwortbaren Mittel nutzen, gegen diese gewählte „Diktatur“ aufzubegehren

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Wie verhängnisvoll dieses Verhältnis von Macht und Ohnmacht ist, wird einmal mehr offensichtlich in den Schatten, die die koloniale Vergangenheit des „alten Europa“ in die Gegenwart wirft. Die UN (speziell Frankreich und Deutschland) sieht sich derzeit gezwungen, in die Massaker im Kongo einzugreifen – militärisch, versteht sich. Der in solchen Situationen bereits erfahrene Joschka (Joseph) Fischer spricht von einer „humanitären Katastrophe“. Eingeführt wurden die Prinzipien „Ethnie“ und „Massaker“ aber durch die Europäer selbst, als sie den „wilden Stämmen“ vor 100 Jahren mit Macheten und Maschinengewehren „die Zivilisation“ brachten. Wenn sie heute wieder auftauchen – mit Maschinengewehren und Panzerwagen – unterscheidet sie nichts von den paramilitärischen „Banden von Bunja“ … die Gewalt entscheidet und wird entscheiden. Eine Lösung ist das nicht.

Auch wenn schon wieder von „Friedensabkommen“ (LVZ, 30.6.03) die Rede ist, liegt es doch auf der Hand, dass diese Formulierung viel zu weit greift. Dieser Frieden meint hier nur die Aufteilung der militärischen Zuständigkeiten zwischen den Konfliktparteien. Dieses einfache Beispiel verdeutlicht wie uneindeutig die Wortwahl der politischen Sprecher ist. Oftmals dienen ihre konsumentengerecht verpackten Ansprachen in den skandalabhängigen Medien nur dem Wahlkampf oder der Profilierung innerhalb der Partei. Angesichts dieser Demagogie, ist die einzige Alternative; nicht weiter auf diese Stimmen zu hören und statt dessen die Kommunikation zwischen Menschen – egal welcher Sprache – die eine hass- und gewaltfreie Gesellschaft wollen, zu beginnen. Also: Hör nicht auf die Stimme, sondern sprich selbst!

wanst

(1) Eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern, die den vermehrten Einfluss von englischen Wörtern im deutschen Sprachgebrauch kritisch betrachten und für den Erhalt von deutschen Formen plädieren.
(2) vollständiger Aufruf unter: www.sprache-in-der-politik.de
(3) Wird in Bürokratie und Institutionen verwendet. Meist neben der Muttersprache, die zweite Sprache.

P.S.: Im Übrigen war der Verein „Sprache in der Politik“ nicht der einzige Aufrufer zu einem derartigen Sprachboykott. Auch auf der anderen Seite des großen Teiches wurde versucht die Sprache der politischen Gegner, in diesem Falle Frankreich, demonstrativ aus dem US-amerikanischen Alltag zu vertreiben. So gab es in einigen Fast- Food-Restaurants (Schnellimbiß) anstatt „french fries“ (hierzulande „Pommes Frites“) „freedom fries“ („Freiheits- Fritten“). Das Französische Fremdenverkehrsamt nutzte diesen lächerlichen Patriotismus gleich zu Werbezwecken aus. Sie präsentieren mit Woody Allen einen US-Amerikaner, der offen dazu steht; keinen „freedom kiss“ ausführen zu wollen, wenn es ihm um einen „french kiss“ (Zungenspiel) geht. Wie sollte der wohl auch aussehen!?

Krieg

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